Kultur

Heiße Luft gegen heiße Luft

tagebook von Bellevue di Monaco
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Der Münchner Debattierclub präsentierte am Sonntag im Substanz lauwarme Wortgefechte

Debattier-Club

„Meine Damen und Herren, wenn Sie… … …und auch dem zustimmen, dass… …. …abgesehen davon… … …dann sollten Sie unsere Regierung wählen.“ In diesem und ähnlichen Tonfall traten die Redner des Münchner Debattierclub am Sonntag im Substanz dem Publikum entgegen. Wenige Minuten zuvor hatte der Moderator der Veranstaltung Speakers Corner die Bühne noch als Politikerphrasen-freie Zone ausgerufen. Doch sobald die Debattierer ans Mikrofon traten, fühlten sich einige stirnrunzelnde Gäste wohl doch an altbekannte Lullerei erinnert.

Das Konzept des Münchner Debattierclub (MDC) klingt verheißungsvoll für Fans des temperamentvollen Redegefechts: die Gruppe trifft sich in regelmäßigem Abstand, um ein vorher festgelegtes Thema zu debattieren, ohne dabei einen abschließenden Kompromiss im Auge zu haben. Auch handelt es sich beim Debattier Club nicht um eine Lobby für politisch motivierte Marktschreierei. Vielmehr geht es um sachliches Argumentieren, so rhetorisch brilliant und inhaltlich überzeugend wie möglich. Der MDC richtet sich dezidiert gegen langweilige Podiumsdiskussionen und lähmenden Politikerjargon. Angelehnt ist die Initiative an studentische Debating Societies, die seit rund zweihundert Jahren an englischen und amerikanischen Hochschulen existieren. Wegen seiner Herkunft simulieren auch die deutschen Debattierer den british parliament style.

Am vergangenen Sonntag wanderte also der MDC von der Kammer auf die Bühne des Substanz und präsentierte sich und seine Wortgefechte zum Thema „Anstand oder Maulkorb – Sollen wir Political Corectness abschaffen?“ Jeder der sechs Redner, jeweils drei auf der Pro- und Contra-Seite, trat nacheinander ans Mikrofon und gab seine Argumente zum Besten. Das Geschehen war zwar für einen großen Teil der Gäste recht unterhaltsam. Jedoch kam die gewollte Provokation der Redner oft eher holprig daher und ging zumeist auf Kosten der Präzision. Überhaupt erinnerte das Bühnengeschehen wiederholt an die ebenfalls im Substanz beheimateten Poetry Slams: je derber die Beispiele, desto mehr Lacher im Publikum.

Die in unserer Gesellschaft weitverbreitete Nostalgie nach deftigen und konkreten Diskussionen zu politischen Themen konnte am Sonntagabend im Substanz nur begrenzt getilgt werden. Wer jedoch des Phrasengewerfe von Angie, Guido, Horst und Konsorten nicht mehr ertragen kann, erlebt beim nächsten Speakers Corner am 21. März bestimmt eine wohltuende Ablenkung.

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