Kultur

70 Kinos für Sissi

Letzte Artikel von Veronica Frenzel (Alle anzeigen)

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In den 60er Jahren gab es in Münchens Stadtvierteln rund 70 Filmtheater. Kinoabende in Giesing und Solln sowie eine Ausstellung erinnern an die Zeiten, als München noch ein Paradies für Cineasten war.

Freitagabend, im Herbst 1955. Auf dem Giesinger Bahnhofsplatz drängeln sich vor dem Baki Filmtheater mehr als 400 Menschen. Der geschwungene Bau steht wie eine Welle an der Südseite des Platzes. “Sissi” wird heute gezeigt. Lautes Stimmengewirr im Eingangsbereich. Wer endlich eine Karte ergattert hat, darf durch die große Flügeltür schreiten, an der die Kartenabreißer stehen. Im Saal liegt die Spannung in der Luft. Die Halle wirkt auf die Besucher groß wie ein Ozeandampfer. Zwei Wendeltreppen führen hinauf zur Galerie. Vor der Leinwand hängt noch der rote Samtvorhang.

Das BaKi Filmtheater gibt es heute nicht mehr. Übrig ist nur das Gebäude. Ein Relikt aus vergangener Zeit, als das Kino seinen festen Platz im Alltag der Münchner hatte, als es noch keinen Fernseher gab.

An das verlorene Münchner Kinoparadies will die Veranstaltungsreihe “Film ab! Wanderkino vor Ort” erinnern. Das Kino soll dorthin zurückkehren, wo es früher seinen großen Auftritt hatte. Veranstaltungsorte sind der Giesinger Bahnhof und das Sollner Kino. Bis Mai werden dort noch vier Filme gezeigt. Parallel dazu erzählt eine Ausstellung der Hochschule für Film und Fernsehen HFF von der Münchner Kinogeschichte zwischen 1896 und 2007.

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Die Urbanauten, deren Ziel es ist, öffentliche Räume mit Leben zu füllen, hatten die Idee für das Projekt. Die Münchner Volkshochschule, das Kino Solln und die HFF unterstützen sie dabei. Eigentlich wollten die Urbanauten mit einem Vorführwagen vor den früheren Kinos halten und dort Filme zeigen. Doch dafür fanden sie nicht genügend Geldgeber. Geblieben ist von der ursprünglichen Idee nur der Name der Reihe, “Wanderkinos”. “Wir wollen mit der Aktion auf die Entwicklung der Kinolandschaft in München aufmerksam machen”, sagt Katharina Lorenzini (35) von den Urbanauten. Es gibt immer weniger Programmkinos, aus den Stadtvierteln verschwinden die Kinos. Sie konzentrieren sich in der Innenstadt und sind oft auf Hollywood fixiert. “Wir wollen zum Nachdenken anregen, wie sich die Identität der Viertel verändert. Das Kinosterben spielt eine große Rolle”, sagt Katharina Lorenzini.

Bis in die 70er Jahre waren die Münchner Stadtviertel Kinoparadiese. In der Nachkriegszeit gab es mehr als 70 Kinos in der Stadt. Von der alten Riege sind heute nur zehn übrig: das Maxim, die Museums-Lichtspiele, das Neue Rex, das Neue Arena, die Lupe, das Gabriel, das Rottmann und das Isabella.

Von den anderen Filmtheatern ist manchmal zumindest die Hülle geblieben sowie die vom BaKi-Filmtheater. Die Fassade steht unter Denkmalschutz. Im Inneren zeigt heute ein Einrichtungshaus neue Badezimmertrends. Im Jahr 1971 hatte der schwere rote Vorhang das letzte Mal den Blick auf die Leinwand freigegeben. Die aufgeregte Stimmung im Eingangsbereich lässt sich nur noch erahnen. Im großen Saal selbst ist es fast unmöglich, das frühere Kino zu erkennen. Nur an der rechten und linken Wand ist ein kleines Stück vom originalen Sichtmauerwerk geblieben. Auch die Wendeltreppen sind noch da, von denen man auf die Galerie steigen kann. Ein Besuch in der Ausstellung “Kinoparadiese” macht die Zeitreise leichter. Dort sind die Fotos vom alten Filmtheater zu sehen.

Termine
Montag, 19. April, 18 Uhr, Giesinger Bahnhof, “Im Lauf der Zeit”, Wim Wenders 1976
Mittwoch, 21. April, 20 Uhr, Kino Solln, “Bullets over Broadway”, Woody Allen, 1994
Montag, 17. Mai, 18 Uhr, Giesinger Bahnhof, “Wie Licht schmeckt”, Maurus von Scheidt, 2005
Mittwoch, 19. Mai, 20 Uhr, “Sophie Scholl – Die letzten Tage”, Marc Rothemund, 2005

Ausstellung
“Kinoparadiese” – Münchner Kinogeschichte 1986 bis 2007
Altes St. Martin-Spital, Werinherstr. 33
28. 4 bis 21. 5
Öffnungszeiten: montags bis donnerstags 10 bis 21 Uhr, freitags 10 bis 13 Uhr, samstags/sonntags 10 bis 17 Uhr
(bei Kursbetrieb der Münchner Volkshochschule, Stadtbereich Ost.)

Fotos: Winfried Eckardt

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