Kultur, Nach(t)kritik

Banal aber besonders

Laura Höss
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Ob der Hype um The Drums gerechtfertigt ist, sollte sich gestern bei ihrem Konzert im Atomic zeigen. Eine Nachtkritik über einen Abend zwischen Kitsch und Wehmut

Jeder, der eine von den wenigen Karten ergattern konnte, hatte wohl angesichts der Lobeshymmnen, die auf The Drums gehalten wurden, mit einer Welle der Hysterie in Münchens Lieblings Indie-Schuppen gerechnet.

Zu cool, um heiß zu sein

Doch das Münchner Publikum gab sich betont lässig und wollte von Hype nichts wissen. The Drums und ihr erstes München-Konzert? Kein großer Aufreger für die Gäste eines Clubs, in dem schon mal Pete Doherty, seines Zeichen Hysteriegarant der Nullerjahre, spontan spielte und Blood Red Shoes ihren legendären Krawall-Auftritt hatten. Ein abgebrühtes Publikum also, das außergewöhnliche Konzerte gewohnt ist.

Zu abgebrüht vielleicht? Denn zunächst wollte der Funke nicht so recht überspringen, was jedoch kaum an der Band gelegen haben kann. Die melodiebetonten Lieder von The Drums animierte zum Tanzen und gleich der beatlastige Opener „Best Friend“ hätte das Atomic zum Bersten bringen können. Was aber leider nicht der Fall war.

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Der Grund dafür lag in der unglaublichen Bühnenpräsenz des Sängers Jonathan Pierce, die man im Publikum fast körperlich spüren konnte. Als Personifikation des charismatischen Frontmanns schaffte es Pierce, sein Publikum so in den Bann zu ziehen, das es – außer in zwei Songs – sogar das Tanzen vergaß. Erst mit „Saddest Summer“ und „Skipping Town“ gelang es der Band, das Publikum ein bisschen aus der Lethargie zu reißen.

Der Gockel und die Gitarristen

Angesichts des flamboyanthaften Auftreten Pierces, der in bester Ian Curtis Manier wie ein Hahn über die Bühne stolzierte, rückten seine Bandkollegen fast völlig in den Hintergrund. Obwohl das Auftreten der Gitarristen Jacob Graham und Adam Kessler, die selbstvergessen vor sich hingroovten, so energiegeladen war, dass man sich fragte, wo man nach 14 Monaten Tour noch so viel Enthusiasmus hernimmt. Lediglich Connor Hanwick schaute etwas verloren hinter seinem Schlagzeug hervor.

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Was zählt ist der erste Sommertag am Strand

Doch das mimenhafte Auftreten und die fast schon heroische, ja pathetische Gestikulation eines Jonathan Pierce war es, die die Besonderheit dieser Band und dieses Konzerts ausmachte.

Man nahm es ihm ab, vom ersten bis zum letzten Lied, dass das worüber er singt, das Einzige ist was zählt – von „der Erinnerung an den ersten Sommertag, den du mit deinen Freunden am Strand verbringst“ bis hin zum Wissen um die Vergänglichkeit des Moments und der Gewissheit, dass die erste Liebe, die Einzige unwiederbringlich verloren ist, die Pierce voller Sehnsucht in „We tried“ legte.

Es ist ein schmaler Grat auf dem sich der Auftritt von The Drums bewegte. Dass die Wehmut nicht in Kitsch abdriftete, lag an der Besonderheit ihrer Lieder.

Die Lieder von The Drums sind lediglich Gefäße, auf denen „Sommer“ oder „Erste Liebe“ steht. Ihre Trivialität ermöglicht, für jedermann nachvollziehbar, „nachfühlbar“ zu sein. Die Banalität ist in diesem Fall der Schlüssel zur Besonderheit. Der Einzigartigkeit einer persönlichen Erinnerung.

Nach kurzen 50 Minuten Konzert und zwei Zugaben erfuhr das Publikum dann am eigenen Leib, was die vier New Yorker mit der Vergänglichkeit eines besonderen Moments meinen.

Wie gut, dass sie am 20. November noch einmal nach München kommen. Diesmal allerdings im Backstage. Die Zeit der Clubauftritte gehört für The Drums wohl endgültig der Vergangenheit an.

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