Kultur
Schnitzeljagd für Kunstfreunde
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20 Künstler, 10 Wohnungen, 3 Wochen, 1 Kunstprojekt: In temporären Wgs entwickelten Münchner-Istanbuler Künstlerpaare Wohungsausstellungen und öffneten dann die Haustüren zu ihren Kunsträumen. Ein Rundgang durch die Istanbuler art.homes.
Versteckt neben Treppenaufgängen oder über den Klingelknöpfen  sind die Hinweise zu finden: orangene art.homes Aufkleber weisen den Weg in die Wohngunsausstellungen. Die richtige Straße, das richtige Haus muss der urbanen Schnitzelsucher aber erst selber finden – eine verpixelter schwarz-weiß Ausdruck mit den Adressen soll helfen, erst die Auskünfte der Anwohner helfen wirklich. Das Suchen nach der Kunst macht art.homes auch zu einer urbanen Entdeckungstour durch einen Teil Istanbuls, der sonst eher weniger für seine Kultur-Events bekannt ist: 7 der 10 Wohungsausstellunge liegen in Tarlabaşı, einem Viertel, in dem heute vor allem vertriebene Kurden aus dem Südosten des Landes wohnen, das unter anderem im Ruf steht, Drogenumschlagplatz zu sein – kurz, ein Ort, an dem sich die Intellektuelle Bourgeoise sonst eher selten zur Kunstbeschauung trifft.
Die Geschichte des Viertels und seiner Bewohner haben das “Kunstpaar” Hera Büyüktaşçıyan und Matthias Männer dann auch zum Thema ihrer Installationen gemacht. Hera lässt den Esstisch der Wohnung durch eine Hängekonstruktion mit weißen Leinen schweben – aber nur zur Hälfte. Zwei Tischbeine berühen noch den Boden, es ist ein unsicherer, unentschiedener Schwebezustand – genau wie in  Tarlabaşı: “Ich will damit zeigen, dass hier ständig ein Kommen und Gehen war: Erst wohlhabende Griechen, dann Juden, und jetzt die Landbevölkerung Anatoliens – und wer kommt nach ihnen…?” Auch das Kurdenviertel weist nämlich erste Gentrifizierungshinweise auf – das Projekt art.homes könnte ein weiterer Schritt zur Veränderung des Stadtteils sein. Matthias dagegen fragt, wie Vergangenes immer noch in das heutige Leben hineinspielt – und scheinbar die Wand aufgebrochen, um hinter die Fassade blicken zu können.
Auch in der benachbarten Wohnung hat die Umgebung inspiriert: Für die Ornamente auf der Wandmalerei von Motoko Dobashi und Erkin Gören, die über zwei Stockwerke zwei getrennte Wohnungen verbindet,  haben die Fenstergitter der Häuser in Tarlabsi Motiv gestanden. Der Baum soll die Verwurzelung des Stadtteils in der Vergangenheit symbolisieren.
Patricija Gilyte klebt gerade Zuckerwürfel an die Wand, als ich in ihre Wohnung komme. Anders als die anderen hat sie die Räume sogar mit zwei anderen Leuten geteilt – der eigentliche Besitzer ist einfach nicht ausgezogen. Mit den Zuckerstückchen hat sie ein Panorama Istanbuls erschaffen, allerdings nicht das typische Touristenbild. “Ich habe einfach meine Wege, die ich täglich gegangen bin, vor meinem inneren Auge gesehen, als ich das Panorama entworfen habe.” Nur Süßes gibt es in der Wohnung aber nicht – die türkische Kunstpartnerin Pelin Gören hat als Performance täglich Eingeweide gekocht, und diese dann festlich serviert. Das soll nicht nur eine nette Essenseinladung an die art.homes Besucher sein: Sie will provozieren, den gesellschaftlichen Wandel mit ihrem Gericht hinterfragen: “Eingeweide wie Leber, Herz, Milz – das  ist ein total traditionelles türkisches Essen – aber viele Leute ekeln sich davor,kochen es auch nie selber.”
In eine Zauberwelt schien man in der Wohnung von Ergül Cengiz und Ozan Uysal einzutreten – der Raum war vielfach unterteil durch luftigleichte, ornamental strukturierte Vorhänge, die nach der traditionellen islamischen Musterordnung gefertigt waren, sich also niemals wiederholen oder den Raum zerschneiden. Die Mystik war mit sehr prosaischen Mitteln erzeugt worden – Plastiktischdecken und PVC-Vorhänge dienten Ergül als Material. Mit diesen typisch türkischen Wohnutensilien der Unterschicht hat die Deutschtürkin die Wohnung zu einem geheimnisvoll-ästhetischen Ort gemacht. Und gezeigt, dass so viel mehr im Alltag und seinen Gebrauchsgegenständen stecken kann.
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