Kultur, Live, Nach(t)kritik

Vom Regen in die Traufe

Thomas Steierer

Heinz Strunk in Afrika

Der Hamburger Multitask-Humorist Heinz Strunk („Fleisch ist mein Gemüse“, Studio Braun) liest am 28. Februar in der Freiheizhalle aus seinem neuen Buch „Heinz Strunk in Afrika.“ Vorab eine Rezension.

Jungle bells statt Jingle bells. So die Maxime Heinz Strunks, seines Zeichens Autor, Hörspielmacher, Musiker, Schauspieler und Telefonterrorist. Sprich: Das Weite suchen um Weihnachten herum. Zusammen mit einem Freund. Die Spatzen pfeifen es von den Dächern: Sein Reisegefährte, im Buch stets nur C. genannt, ist der österreichische Moderator, Kabarettist und Schauspieler Christoph Grissemann. Von ihrer Kenia-Reise Ende 2007 handelt Strunks Anfang Januar erschienener vierter Roman.

Im Rahmen eines Tapetenwechsels aus dem kalten Westeuropa in wärmere Gefilde soll ein Film-Treatment gemeinsam auf die Beine gestellt werden. Anknüpfend an den großartigen gemeinsam vor vier Jahren realisierten Film „Immer nie am Meer“, zu dem Strunk, Grissemann und dessen kongenialer Partner Dirk Stermann („Willkommen Österreich“, „Sechs Österreicher unter den ersten fünf“) das Drehbuch geschrieben hatten.

Möglichst wenig Ablenkungen hiervon erhoffen sich Strunk und C. im all inclusive-Baderessort in der Nähe der zweitgrößten kenianischen Stadt Mombasa. Im Rahmen eines zweiwöchigen „Nicht-Erlebnisurlaubs.“

Was auch als Pauschaltouristen-Satire verstanden werden darf: Getreu dem Buch-Motto „Die ganze Welt bereist und nichts gesehen“ gibt Strunk stellenweise den ignoranten Euro-Krösus-Urlauber. Wie ihm C., das zeigt sich in einer Szene auf einem Glasbodenschiff ebenfalls kein Kind von Traurigkeit, bei einer Fahrt mit einem alten Mercedes-Taxi vorhält: „ Er sei noch mit niemanden gereist, der sich so wenig für das Schicksal von Land und Leuten interessiere wie ich. Im Gegenzug kläre ich C. darüber auf, dass die 1983 aufgelegte 190er-Baureihe die erste mit sogenannter Raumlenker-Hinterachse gewesen sei. Eine Provokation, entgegnet er, und noch nicht einmal eine sonderlich originelle, ihn mit derart langweiligen Informationen zu belästigen. Wenn ich der öden Rubrik Unnützes Wissen etwas beizusteuern hätte, solle ich mich doch bei der Neon bewerben. “

Kleinster gemeinsamer Nenner-Ziel aller „Nicht-Erlebnisurlaub“-Touristen: Größtmögliche Erholung, die auch die zwei filmschaffenden Protagonisten als Nebeneffekt mitzunehmen gedenken. Mit Hilfe von konstant hohem Alkoholpegel (Strunk), Dauerqualmen und Buffet-Völlerei (C.) sowie Geld verbrennendem Spielautomaten-Zocken (beide): „Als Ausgleich zur Kopfarbeit benötigen wir Zerstreuung, wir haben ein tiefes Verlangen nach Gedankenleere; die Flucht in Dämmern, Alkohol und Glücksspiel ist in dem Wunsch begründet, wenigstens ein paar Tage im Jahr in seelige Bewusstlosigkeit und selbst verordnete Dummheit abzutauchen.“

Zunächst mit mäßigem Erfolg: C. bleibt zunächst durch Schneechaos am Wiener Flughafen (passend zum streckenweise grimmigen Winter 2010/2011) stecken. Verpasst den gemeinsamen Flug von Frankfurt nach Kenia. Hat nach dem sündhaften teuren Ersatzflug auf eigene Kosten mit massiven Ohrenproblemen zu kämpfen. Strunk kommt „vom Regen in die Traufe.“ Aus dem nasskältegrauen Hamburg in die ihm, wie sich umgehend herausstellt, zutiefst unangenehme schwüle Hitze. Die ihn nicht nur latent depressiv sondern auch aggressiv stimmt.

Das Hotelpersonal, nicht zuletzt stoische Ohrwurmpfeifer, wenig devote Rezeptionisten und freche „Grüßauguste“, bringt ihn ebenso auf die Palme wie andere Urlauber vor Ort, die er in bösen Psychogrammen abfieselt: „Die Fickstörche sind ganz weiß im Gesicht. Haha, da gehört ihr hin, denke ich, Bumsbockhotel Manson, benannt nach dem gleichnamigen Psychopathen und Massenmörder. Ausladen, goodbye, gut Schuss, und weiter geht’s.“

Strunk belässt es jedoch wie immer nicht beim Austeilen gegen andere. Betreibt auch entwaffnend schonungslose selbstkritische Analyse seiner eigenen Person: „Mein Außenseiterstatus auf ewig zementiert. Die negative Strahlung des Ungeselligen. Ich verströme eine Aura des Überflüssigseins, meine Anwesenheit irritiert die Anderen, sie möchten, dass ich weggehe.“

Im zweiten Teil des Buchs nimmt die Handlung deutlich Fahrt auf. Jenseits der von Strunk und C. selbst auferlegten Monotonie aus immergleichem Frühstück-Mittagessen-Abendessen-Pool-Drehbuch-Saufen/Rauchen-Zocken. Frauen kommen ins Spiel, Käufliche. Und Nichtkäufliche: Strunk lernt die bezaubernde Hotelangestellte Lucy kennen. Das Film-Treatment nimmt Gestalt an. Unter dem Titel „Pudel Colada“ spinnen die beiden   -als kleines Buch im Buch- einen trashig-skurrilen Plot zusammen. Mit vogelwilden Komponenten wie Pudelwettbewerb, Glöckner von Notre-Dame-Casting oder Schildkrötenstammtisch. Sie unternehmen Taxi-Exkursionen in Spielhallen und Clubs in Afrikas wichtigster Hafenstadt Mombasa. Auch am zweiten Weihnachtsfeiertag, als dort politische Unruhen ausbrechen, machen sie sich auf den Weg. Wovon man ihnen im Hotel dringend abrät. Zu Recht: Strunk und C. geraten in größere Schwierigkeiten..

Am Ende der Reise konstatiert Strunk auch folgenden Mehrwert der Kenia-Exkursion: „Wieder rauchen. Endlich wieder rauchen. Nach glücklich überstandener Geiselnahme wieder zu Zigarette gegriffen. Wenn ich diese Großchance nicht nutze -selber schuld! Ich zieh das jetzt durch! Und wenn es ein Jahr dauert, bis ich über den Berg bin. Herrlich. Wenn es eine perfekte Rechtfertigung gibt, dann doch wohl eine glücklich überstandene Entführung. Ich bestelle eine Packung Sportsman und eine Flasche Henkell Trocken (38000 Schilling).“

Wohl nicht zuletzt angesichts von Seiten einiger Kritiker angeprangerten vermeintlichen stilistischen Defiziten von „Die Zunge Europas“ (2008) und „Fleckenteufel“ (2009) gegenüber seinem literarischem Senkrechtstart-Erstling „Fleisch ist mein Gemüse“ aus dem Jahr 2004 nimmt Strunk erneute Verrisse in seinem neuen Werk selbst vorweg. Er lässt einen fiktiven Kritiker aus dem Off das gerade zu Papier Gebrachte in der Luft zerreißen: „Das war wieder sehr schlecht Herr Strunk, (…). Belegen Sie bitte einen Kurs für kreatives Schreiben!“

Mitnichten. Wer bislang eine Antenne für Output und Philosophie von Heinz Strunk hatte, wird auch „Afrika“ mögen. Strunk bleibt den ursprünglichen roten Fäden seines rasant wachsenden Werks treu. Typische Heinz Strunk-Momente voller Melancholie und Leerlauf, katharsischen Anzüglichkeiten, Dada-Geistesblitzen und groteskem Aberwitz sind auch in „Afrika“ nicht zu knapp zu finden.

Heinz Strunk liest am 28. Februar, 20:00 Uhr in der Freiheizhalle (Karten für 15, 80 Euro) aus „Heinz Strunk in Afrika“, erschienen im Rowolth-Verlag (Kostenpunkt 13,95 Euro).

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