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KünstlerInnen und Gentrifizierung

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Wir begrüßen neue tagebook-schreiber auf mucbbook und wünschen den Bloggern von “Unser Viertel” viele Leser: Da wir in letzter Zeit auf der Straße, auf unserem Blog oder bei Facebook mit vielen Menschen über die Rolle von KünstlerInnen im Prozeß der Viertelaufwertung und MieterInnenvertreibung diskutiert haben, wollen wir ein Statement von uns als Macher der Stadtteilzeitung „Unser Viertel“ veröffentlichen, um unsere Position klarzustellen.

Gentrifizierung

Was in Hamburg und Berlin schon lange praktiziert wird, wird auch in München immer mehr zur Normalität: Leerstehende, meist etwas heruntergekommene Gebäude werden vom den jeweiligen Investoren, oftmals mit Unterstützung der Stadt, insbesondere des Kulturreferats, an junge und alte Menschen vermietet, damit diese, meist nur für kurze Zeit, das Gebäude künstlerisch Nutzen können. Die KünstlerInnen nehmen diese Angebote natürlich gerne wahr, gibt es in unserer Stadt leider immer weniger und immer teureren Raum, der mal nicht nach dem Prinzip der Profitmaximierung genutzt wird, sondern in dem sich Menschen künstlerisch nach ihren Vorstellungen frei entfalten können. <!–more–>

Wir finden solche Kunstprojekte, die von den Menschen selbst aufgezogen werden prinzipiell gut und unterstützenswert! Um so heftiger kritisieren wir, dass solchen Menschen seitens der Stadt kein dauerhafter Platz geboten wird um ihrer Kunst nachzugehen. Vielmehr arbeitet unsere städtische Regierung aktiv daran, dass solche Freiräume zerstört werden und KünstlerInnen aus ihren Arbeits- und Wohnräumen vertrieben werden. Das Haus 49 in der Domagk-Straße ist nur eins von vielen Beispielen.

Sollten private Vermieter oder Investoren nun KünstlerInnen die Möglichkeit geben leerstehende Flächen und Gebäude mit einer künstlerischen Zwischennutzung zu bespielen, geschieht das in der Regel nicht ohne Hintergedanken. Ist es doch so, dass ein Viertel in dem sich viele kreative Leute bewegen, Kunst machen und Bewegung in die Straßen bringen nach und nach für Investmentfirmen attraktiver werden. Die Investoren die sich vorher brachliegende Flächen gekauft haben und durch künstlerische Zwischennutzung aufgewertet haben, können so nun auf höhere Gewinne setzen da die Grundstückspreise im gesamten Viertel steigen.

Die Schuld für die Aufwertung des Viertels dabei bei den KünstlerInnen zu suchen wäre falsch, da sie nur ein kleiner Baustein im Prozeß der Gentrifizierung sind.

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Trotzdem kritisieren wir Künstlerinnen und Künstler die ihre Rolle in diesem Prozeß nicht reflektieren und gutgläubig meinen, dass sie mit ihren Happenings und Ausstellung unbedingt nur Gutes tun.

Warum tun wir das?

Das Kulturschaffende Raum für ihre Projekte haben wollen ist legitim, auch bei den sog. Zwischennutzungen, allerdings kritisieren wir die oftmals naive oder gar nicht vorhandene Herangehensweise an die Rolle und Wirkung des eigenen Schaffens in einem Viertel, als ein Katalysator der Gentrification. Mensch muss sich seiner Rolle im Prozeß der Stadtplanung und Viertelaufwertung bewußt sein, wenn man als KünstlerInnen in ein Viertel kommt und dort an einem Zwischennutzungsprojekt mitwirkt. Angesprochen darauf, erhielten wir oftmals die Antwort „Wir sind unpolitisch und halten uns aus der ganzen Sache raus“ – abgesehen davon das Kunst niemals unpolitisch ist, ist es die Angst der KünstlerInnen sich gegen Viertelaufwertung und MieterInnenvertreibung zu positionieren, da sie von Stadt und Investoren abhängig sind.

Das es auch anders geht zeigen viele künstlerische Initiativen in anderen Städten, so z.B. im Hamburger Gängerviertel in dem sich ein breites Bündnis aus KünstlerInnen, sowie sozial und politisch Aktiven gebildet hat, um gemeinsam (!) zu verhindern, das die Mieten ins unermeßliche steigen und die Leute aus ihren Wohnungen an den Stadtrand gedrängt werden. Auch in München beginnen sich die KünstlerInnen vom Domagk-Gelände gegen den Abriß ihrer langjährigen genutzten Ateliers zu wehren, übrigens einige der letzten Plätze, an denen solche Projekte ohne „Zwischennutzung“ möglich waren.
Sie suchen den Kontakt zu anderen AktivistInnen um gemeinsam für den Erhalt des Gebäudes 49 auf dem Domagk-Gelände einzutreten. Das wir als Zeitungsgruppe „Unser Viertel“ diese Menschen unterstützen ist selbstverständlich.

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Wir wissen, dass auch andere KünstlerInnen an einer ähnlichen Stellungnahme zum Thema der Gentrifizierung erarbeiten und schätzen diese Bemühungen sehr. Sollten künstlerische Projekte ihre Rolle erkennen und diese kritisch reflektieren sind wir immer gerne dazu bereit sie zu unterstützen und zu fördern.

Zum Schluß noch der Hinweis, das es oft die meist mittellosen Künstlerinnen und Künstler sind, die nachdem sie bewußt oder unbewußt „ihre Arbeit der künstlerischen Aufwertung“ in einem Viertel getan haben, wieder vertrieben werden und sich wo anders eine Bleibe suchen müssen.

Stoppen können wir dies nur, wenn wir alle zusammen eintreten für das Recht auf Wohnen und auch für das Recht auf Kunst.

* Das bei diesem Prozeß auch noch andere Faktoren eine Rolle spielen ist uns bewußt, wir wollen uns hier nur auf die Rolle von KünstlerInnen beschränken.

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