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Schlampenalarm

Laura Goudkamp
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DSC02075„Ob du´s glaubst oder nicht, mein kurzer Rock hat nichts mit dir zu tun!“, „Keine Scham, keine Schuld, keine Angst!“, nur zwei Sprüche von vielen, die auf den Plakaten der Teilnehmer des Münchners „Slutwalks“ prangerten. „No means No!“, schallt es durch die Münchner Innenstadt! Am 13. August fand in verschiedenen deutschen Städten zeitgleich ein „Slutwalk“ statt, auch hier in München.

slutwalk

Aber was versteht man unter einem „Slutwalk“, einem „Schlampenmarsch“? Hintergrund dieser Art von Demonstrationen sind die Ereignisse, die sich im Januar 2011 in Toronto, Kanada, ereigneten. Bei einem Vortrag zur präventiven Verbrechensbekämpfung an einer der dortigen Universitäten ließ ein Polizeibeamter den Satz “women should avoid dressing like sluts in order not to be victimized” vom Stapel. Die Zuhörer trauten ihren Ohren nicht.

Frauen sollten sich also bitteschön nicht wie Schlampen kleiden, dann würden sie auch keine Opfer von sexueller Gewalt? Als Reaktion auf diese Äußerung entstand der „Slutwalk“ ,der sich seither auf der ganzen Welt verbreitet.

Den Organisatoren dieses Protestes geht es um die Selbstbestimmung der Frau, z. B. darum, selbst bestimmen zu können, wie man sich kleidet, ohne Angst haben zu müssen aufgrund des Kleidungsstils Opfer sexueller Übergriffe zu werden. Der letzte Satz postuliert ein weiteres Problem, dass die „Slutwalker“ anprangern. Die Definition der Frau als Opfer. Die Zuweisung der Opferrolle finden die Teilnehmer des „Slutwalks“ völlig falsch. Auch die Bezeichnung „Triebtäter“ wollen sie nicht länger in Kauf nehmen, da der Begriff in sich schon eine Entschuldigung impliziert. Der Mann könne gar nicht anders, aufgrund seines angeborenen Sexualtriebs.

Die Bewegung soll als Protest gegen sexualisierte Gewalt gesehen werden, die sich mit dem Klischee der Mitschuld der Frau bei einer Vergewaltigung auseinandersetzt. Auch das Klischee des „fremden Mannes“, der nachts hinter dem Busch wartet, dass eine Frau von der nächtlichen Party heimkommt, wird in Frage gestellt.

Fakt ist, dass mehr als 90 Prozent der sexuellen Übergriffe im näheren sozialen Umfeld verübt werden, sprich: Der Onkel, der Nachbar, der beste Freund des Vaters ist der Täter. Diese „Vergewaltigungsmythen“ haben sich so sehr internalisiert, dass es aus Sicht der „Slutwalker“ jetzt endlich Zeit wird, mit ihnen aufzuräumen!

Rund 500 Leute nahmen an der Demonstration in München teil. Unter ihnen waren junge, aber auch alte Männer und Frauen, Studenten, Transgender. Die Teilnehmer trafen sich am Goetheplatz zu einer ersten Kundgebung. Viele hatten sich bei ihrem „Schlampen-Outfit“ viel Mühe gegeben.

In kurzen Röcken, bauchfreien Shirts, mit Strapsen, Strumpfbändern und ausgestattet mit Plakaten ging es los durch die Innenstadt. Vereinzelt konnte man auch sehr ausgefallene Looks bewundern,z.B. eine junge Frau, oben ohne, mit Sprüchen bemalt, ein älterer Herr in Latexrock und japanisch angehauchtem Oberteil. Der kunterbunte Strom der „Slutwalker“ bewegte sich vom Goetheplatz über die Sendlinger Straße zum Marienplatz, begleitet von Kundgebungen, Musik und laustarken Parolen ( „Das Opfer ist nie schuld an der Vergewaltigung, sondern der Täter!“, „ Ja heißt ja, nein heiß nein“).

Bei den Kundgebungen sprach unter anderem der Organisator des Candy Clubs in München, Thomas Lechner. Dieser meinte sarkastisch: „Jeder Mann sollte mal mit einem anderen Mann Sex haben, um seine Auffassung von Sexualität am eigenen Leib zu erfahren“.

Die Demonstration in München war ein großer Erfolg mit seinen 500 Teilnehmern, obwohl nur ca. 400 angekündigt waren.
Es gibt aber auch kritische Stimmen zum „Slutwalk“, die man auch erwähnen sollte. Vor allem werden die Wirkung und das Verhalten der Medien in der Öffentlichkeit kritisiert. Auch in München fiel negativ auf, dass die Medienvertreter, allen voran die Fotografen, nur darauf bedacht waren, möglichst viele Frauen und Mädchen in kurzen und sexy Outfits zu fotografieren.

Das allein wäre natürlich kein Problem, wenn sie nicht noch die Teilnehmer mit provozierenden Zurufen wie „Schau doch mal sexy!“, „Zeig doch mal was her!“ aufgefordert hätten. Eben darum geht es doch beim Slutwalk, sexy sein zu dürfen, ohne Vorurteile, ohne verurteilt zu werden. Es bleibt abzuwarten, wie die Medien in den folgenden Tagen darüber berichten werden.

Welche große Wirkung der „Slutwalk“ hat, sieht man allein schon daran, dass er auch in Ländern organisiert wird, in denen man von Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau noch nicht sprechen kann, zum Beispiel in Neu Delhi, wo überraschend viele Männer teilnahmen. In nächster Zukunft sind auch „Walks“ in Südafrika und im Iran geplant!

Ob der „Slutwalk“ wirklich etwas bewegen kann, vielleicht sogar eine neue Welle des Feminismus anregen kann, oder eben nur ein vorübergehendes Phänomen ist, bleibt abzuwarten. Wir sind gespannt! Die Organisatoren jedenfalls erhoffen sich im Anschluss an den „Slutwalk“ eine heiße Diskussion in der Öffentlichkeit zum Thema „Sexuelle Gewalt gegen Frauen“.

Und hier gibt es auf mucbook noch eine Umfrage mit Bildern.

Auf flickr gibt es noch viele Bilder von den Slutwalks in aller Welt:

Fotos: Laura Goudkamp


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