Kultur, Nach(t)kritik

Ein sanitäres Rauschen geht durch den Raum

Thomas Steierer

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„Mathias Tretter möchte nicht dein Freund sein.“ So heißt das webzweinullkritische neue Solo-Programm von Mathias Tretter. Seines Zeichens vielfach preisgekrönter Kabarettist und Mitglied des „Ersten Deutschen Zwangsensembles“ (mit den Kollegen Claus von Wagner und Philipp Weber). Am Sonntag fand die umjubelte München-Premiere im ausverkauften Lustspielhaus statt.

In seinem vierten Kabarettprogramm verarztet Mathias Tretter, Jahrgang 1972, mit nahezu allen wichtigen deutschsprachigen Kabarettpreisen prämiert (u.a.: Deutscher Kleinkunstpreis, Bayerischer Kabarettpreis, Salzburger Stier, Passauer Scharfrichterbeil und Stuttgarter Besen), gewohnt bissig und pfiffig allgegenwärtige Facebook-Phänomene.

Nicht zuletzt: Privatsphäregefährdung, Neudefinition von -bei Facebook inflationär verschleuderter- Freundschaft („Man hat Freunde und Leute, die man mag“), das Aufspringen der Politik auf den digitalen Poesiealbum-Karren, so dass man via Facebook sogar mit der Bundeskanzlerin befreundet sein kann („Wenn es wurscht ist, denken die Politiker, sie müssen ihren Senf dazugeben“) oder die unheimliche Netzewigkeit, die nichts im Web Publiziertes vergisst. Was früher, so Tretter, am Stammtisch in “Uschis Bier-Butze” artikuliert wurde, kommt nun aus der virtuellen Anonymität:  “Ein sanitäres Rauschen geht durch den Raum.”

Der gebürtige Würzburger und Wahl-Leipziger fühlt sich “von vorne bis hinten verapplet“, verleiht seinem Befremden treffend Ausdruck. Auch per Gründung eines “asozialen Netzwerks“ gemeinsam mit seinen Bühnenkunstfiguren Ansgar und Rico: „Das System kann nur mit den eigenen Mitteln geschlagen werden: Revolution in Deutschland? Das muss eine Facebook-Party sein! Und wenn die durch ist, wird der Stecker gezogen: Damit Menschen endlich wieder rocken statt zu bloggen, litern statt zu twittern, und f… statt zu klicken!“

Mathias Tretter bleibt sich in seinem vierten Solo humoristisch treu. Knüpft an seine letzten Programme „Deutschland. Ein Gummibärchen“ und „Staatsfeind Nummer 11“ an. In Sachen: Pointiertem, metaphernreichen und mit Florett wie Säbel stilsicheren Andiewandmalen von gegenwärtigen Alltagsphänomenen, Ungereimtheiten, Ungerechtigkeiten und Absurditäten. So bleibt es auch beim neuen Programm von Mathias Tretter dabei: Gefälltmir-Daumen hoch. Ob bei Facebook oder analog.

Mathias Tretter, “Mathias Tretter möchte nicht dein Freund sein.”  Wieder in München zu sehen: Vom 28. bis 31. März 2012. In der Lach-und Schieß-Gesellschaft.

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