Kultur, Nach(t)kritik

Afro-Swag, Sonne satt und Eselrennen

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Schon wieder zum Chiemsee Reggae Summer? Wie wär’s mal mit dem FESDIG in Burkina Faso? Alfred Ouoba hat sein Festival letzten Sonntag in München vorgestellt.

Scheinwerfer tauchen das Import|Export an diesem Sonntagabend in Dämmerlicht, so rot wie ein afrikanischer Sonnenuntergang. Männer mit Base-Caps ordern Helles. Hinten servieren Juliette und Roukia Yams-Ragout. Die große Leinwand zeigt eine rammelvolle Bühne. Die Menge tobt, dreht völlig durch. So kann es sein: das FESDIG-Festival.

Ausgedacht hat es sich Alfred Ouoba, 39, aus Burkina Faso. Das Tollwood in München und das Afrika-Festival in Würzburg, sagt er, haben ihn inspiriert. Doch das FESDIG ist durch und durch afrikanisch. Zelten, Ravioli, Bändchenkontrolle – so sieht es nun wirklich nicht aus:

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FESDIG bietet Rap aus Burkina Faso. Xylophone. Tänzer mit riesigen Tiermasken. Trachten. Abgefahrene Instrumente. Künstler aus Ghana, Niger und Togo. Floby, Wendy und Faso Kombat gaben sich schon die Ehre. Nie gehört? In Burkina Faso sind sie Superstars. Idole der Jugendlichen und Kinder, die etwa die Hälfte der 16 Millionen-Bevölkerung Burkina Fasos ausmachen.

FESDIG ist aber auch ein Fest für die ländliche Bevölkerung, auf dem Kultur und Entwicklung einander beflügeln sollen. Das Ganze vier Tage lang – umsonst und draußen.

2011 stand es im Zeichen der Kinder. Dieses Jahr liegt der Schwerpunkt auf dem Thema Bildung. Im Analphabetismus sieht Alfred, der Festivaldirektor, eines der größten Probleme seines Landes. Seine Devise: Erst wo Kultur zelebriert wird, kann sich ein kritisches Bewusstsein entwickeln. Daher soll es 2012 auch Diskussionen und Workshops auf dem FESDIG geben.

Denn: Burkina Faso liegt in Westafrika, am Rande der Sahel-Zone und ist eines der ärmsten Länder der Welt. Zwar gibt es in der Hauptstadt Ouagadougou internationale Kultur-Events wie das renommierte FESPACO-Filmfestival. Auch Christoph Schlingensiefs Operndorf wächst hier, kurz vor den Toren der Hauptstadt, heran. Auf dem platten Land jedoch: strohgedeckte Lehmhütten, tropische Hitze, Baumwollfelder. In der kargen, roterdigen Savanne gibt es keine Bibliotheken oder Jugendclubs. Das FESDIG-Festival holt daher einmal im Jahr für vier Tage die weite Welt ins Dorf Tiantiaka, inszeniert die eigene reiche Kultur als Spektakel, öffnet Augen und Gedanken.

Das Drumherum ist daher ein Mix aus Entertainment und Bildungsprogramm: Tanz-, Mal- und Rhetorik-Wettbewerbe für die Kinder, Mode- und Kochwettbewerbe für die Erwachsenen. Sportliche Highlights sind das Bogenschießen und das Eselrennen. Absoluter Höhepunkt jedoch: die Ringkämpfe – ein Spektakel, für das sich jedes Jahr in vielen Vorentscheiden nur die Besten qualifizieren.

Natürlich hat so ein Festival mit zuletzt 14.000 Besuchern auch bleibende Benefits für die Dorfgemeinschaft. Dank Sponsoren gibt es in Tiantiaka nun einen Brunnen und Generatoren. Das hat viel verändert im Dorf – es gibt nun Wasser und Strom.

Und 14.000 Gäste sind auch eine respektable Einnahmequelle. Mit den Bars, den Imbissständen, dem Verkauf von Kunsthandwerk kommt Geld rein für Schul- und Arztbesuche. So ein Festival lohnt sich. Das wissen auch die Discounter in den Käffern am Rande deutschen Festivalgelände.

Zurück im Import|Export. Zwei Bier später. Kaum haben die Musiker angefangen zu spielen, stürmt Roukia, akkurat geschminkt, Rastas und Stirnband, auf die Tanzfläche und fängt an, von links nach rechts zu pendeln. Sofort lockert sich die Stimmung. Klatschen, Zurufe in fremden Sprachen. Auch die Männer reißt es nun von ihren Stühlen. Die Kangol auf dem Kopf, in der Hand ein Hefeweizen. Bald tanzen Deutsche und Afrikaner wild durcheinander.

Famadi Sako holt an diesem Abend alles aus seiner Djembe-Trommel. Und wenn Mori Doubaté die Saiten seiner Kora zupft, klingt es wunderbar nach Afrika. Ein Vorgeschmack, wie es sein könnte – im Februar auf dem FESDIG.

FESDIG 2012

Wann: 23.-26. Februar 2012.

Wie kommt man dahin: Von Ouagadougou geht’s per Bus weiter in die Provinzhauptstadt Fada N’Gourma. Von dort pendelt es sich bequem im Shuttle-Bus die letzten 27 km bis Tiantiaka.

Und dann Zelten oder wie? Man kann sich vor Ort in eine Hütte einmieten. Es gibt aber auch einen Campingplatz. Am besten macht man es wie die Einheimischen: Matte ausleihen und unter freiem Himmel die sirrende Hitze der burkinischen Nacht genießen.

Kann man da irgendwie mithelfen? Das Festival ist offen für neue Ideen. Wenn du vor Ort mithelfen willst, kannst du dich noch für ein Praktikum bewerben.

Vor allem Spenden kann das FESDIG gut gebrauchen. Je mehr Menschen kommen, desto knapper werden Duschen und Toiletten. Auch eine professionelle Musikanlage und ein Aufnahmestudio wären eine große Bereicherung. Alle Infos unter www.fesdig.org (Ansprechpartner: Alfred Ouoba und Stephanie Benyr in München.)

Lust auf mehr bekommen? Wenn du dich für Medienprojekte in Afrika interessierst, schau doch mal bei XChange-Perspectives vorbei. Das ist ein offenes Netzwerk für Medienschaffende aus München. Die haben zum Beispiel einen Radiosender im Südsudan aufgebaut. Mehr Infos unter www.xchange-perspectives.org (Frank Müller und Dominik Lehnert, ebenfalls aus München)

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