Kultur, Nach(t)kritik

Musical mit M-U-T und H-E-R-Z

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1331941638_heimatlos,vandory,hoerner,maric,campioneDie Abschiedspremiere im Staatstheater am Gärtnerplatz vor dem großen Umbau , das norwegische Familienmusical Heimatlos, setzte nochmals einen Glanzpunkt in der laufenden Spielzeit. Das Junge Theater am Gärtnerplatz, kurz jtg, erarbeitete zusammen mit der Seniorentheatergruppe und Solisten des Ensembles in der Regie von Holger Seitz einen spannenden und bewegenden Abend.

Der kleine Charles Milligan ist nach dem Tode seines Vaters Alleinerbe, allerdings gibt es da noch den Onkel James, der ein Auge auf Titel und Landgut geworfen hat. Was liegt da näher, als den Neffen verschwinden zu lassen? Er beauftragt das Gaunerpärchen Maggie und Harry Driscoll damit. Diese lassen den Jungen am Leben, weil sie ihn später noch als Erpressungsgrundlage benützen wollen, und bringen ihn nach Frankreich. Dort wächst er unter dem Namen Remi heran und wird im Alter von elf Jahren von seinem Pflegevater Barbarin an den Gaukler Vater Vitalis verkauft. Hier findet Remi ein neues Zuhause, bis Vater Vitalis im Winter elendig erfriert. Lady Milligan, seine Mutter, durchkreuzt derweil James’ Pläne, weil sie ihrem Gatten posthum noch einen Sohn, Arthur, geschenkt hat. Der soll nun auch verschwinden, wieder wird das Gaunerpärchen engagiert. Am Ende geht natürlich alles gut aus, Mama wird mit ihren beiden Söhnen wiedervereint und der Böse kommt hinter Gitter. Natürlich ist das Libretto von Øystein Wiik etwas abstrus, die Umsetzung finde ich aber spannend und gut gemacht. Die Melodien von Gisle Kverndokk sind eingängig und ohrwurmtauglich. Stellenweise fühlte ich mich an Sweeney Todd erinnert.

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Das Bühnenbild von Herbert Buckmiller ist äußerst vielseitig. Zwei verschiebbare Podeste und Treppen können immer wieder neu zusammengesetzt werden und symbolisieren ein Flussschiff genauso gut wie einen Marktplatz. Besonders gelungen fand ich die Szene in der Grube, die Atmosphäre unter den Eingeschlossenen konnte man fast mit den Händen greifen, sowie die Waldszenen. Die Kostüme von Julia Buckmiller und Barbara Kloos deuten eine Handlung im viktorianischen England an und sind sehr gelungen, besonders die Wölfe mit den leuchtenden Augen, das war schon gruselig. Ob das Musical wirklich ab 8 Jahre geeignet ist, kann ich nicht einschätzen, ich kenne aber durchaus auch ältere Kinder, die den Tod von drei liebgewonnenen Protagonisten nicht ohne weiteres wegstecken.

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Die Inszenierung von Holger Seitz zeichnet sich vor allem durch eine sehr gute Personenregie aus. Profis und Laien sind kaum voneinander zu unterscheiden. Die Choreografie (Fiona Copley/Holger Seitz) ist bestens einstudiert und klappt perfekt. Das jtg und stg bilden in der Hauptsache den Chor, aber auch kleinere Rollen sind aus den Reihen des jtg solistisch besetzt. So glänzen Anna Fleck, Cornelius Carstens, Konstantin Parnian und Florian Beier als Bäuerin, Mönch, Polizist und Inspektor. Eine Sonderstellung nehmen die drei Tiere ein, Constanze Hörner als Hund Zemira, Bernando Maric als Affe Janko und Christoph Vandory als Hund Brio. Sie haben zwar keinen Text, spielen diese Tiere aber mit viel Realismus was die Laute und die Bewegungen angeht. Das ist wirklich klasse gemacht. Nadine Spegel als zweitgeborener Sohn Arthur gefiel mir sehr gut, mit guter Bühnenpräsenz war sie als 10-järiger Junge sehr glaubhaft. Besonders die darstellerische Seite hatte es mir auch bei Giulia Goldammer als Remi angetan. Sie zeichnete ein emotionales Porträt des verlassenen Jungen.

1331940377_heimatlos,jtg,hoernerDie Solisten des Ensembles zeigten durchweg gute bis sehr gute Leistungen. Herrlich schräg waren Milica Jovanovic und Mario Podrečnik als Gaunerpärchen Driscoll, hier stimmte einfach alles. Sebastian Campione als Vater Vitalis sang Spiel kleine Harfe unglaublich berührend und zeigte im Laufe des Abends, dass er auch ein ausgemachtes Musical-Talent ist. Die Überraschungen des Abends waren für mich jedoch Franziska Rabl als Lady Milligan und Daniel Fiolka als James Milligan. Das war Musical at ist Best, schade, dass man beide nicht auch noch in anderen Stücken sehen konnte. Rotraud Arnold, Hans Kittelmann und Holger Ohlmann überzeugten ebenfalls in diversen, teils sehr unterschiedlichen Rollen. Insgesamt hätte man sich praktisch kein besseres Ensemble für dieses Stück wünschen können.

Die Band bestand fast nur aus Schülern des Pestalozzi-Gymnasium und der Städtischen Musikschule München, lediglich Quirin Willert an der Posaune und der musikalische Leiter Liviu Petcu sind Profis. Sie machten ihre Sache sehr gut und rundeten diesen tollen Abend fantastisch ab. Ein sehr gelungener Schlusspunkt für fünf Jahre Jugendarbeit am Gärtnerplatztheater.

Leider kommt das Musical nur noch zweimal, am 23.3. und am 27.3. jeweils um 19.30 Uhr, Schüler und Studenten bis 30 Jahre zahlen 8 € auf allen Plätzen, Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, Ermäßigungen nicht online.

1331938928_heimatlos,ensemble1Fotos © Hermann Posch

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