Kultur, Nach(t)kritik

Japandroids: Glitzerlärm für den Moment

Wie sie da stehen, der eine ekstatisch gekrümmt über seiner Gitarre, der andere auf sein Schlagzeug dreschend, als ob es kein Morgen gäbe, drängt sich ein Gedanke, eine Frage auf: Wie um alles in der Welt hätten diese beiden ihre üerbordende musikalische Energie kanalisieren sollen, wenn nicht mit frischen Songs, einem neuen Album, weiteren Konzerten?

Unverstellbar, dass die Japandroids es eigentlich bei ihrem Erstlingswerk Post-Nothing belassen wollten. Und gut, dass sie es dann doch nicht lassen konnten. Jetzt, auf der Bühne im Hansa 39, erscheint diese Entscheidung alternativlos, zwingend, naturgesetzlich.

Die Vorbands: Soundbrei und Fußballergebnisse

Zwei Stunden vorher: Menschen tröpfeln in die Halle wie der Septemberregen draußen auf den Asphalt. Es sind viele. Mit dem Geheimtipp-Status des Indie-Duos aus dem kanadischen Vancouver ist es mittlerweile offenbar vorbei. Ebenso wie mit den Zeiten, in denen sich vor allem die Kritiker auf ihre Musik stürzten und euphorisierte Zeilen schrieben über diese wenigen Minuten Musik, in denen manch einer die Rettung eines Genres zu hören glaubte. Jetzt soll der Name auch anderen nützen, den Dirty Beaches aus San Diego zum Beispiel, ein Projekt des gebürtigen Taiwanesen Alex Zhang Hungtai.

Sie machen den etwas scheuen Anfang an diesem Abend, treten wortlos und mit gesenktem Blick auf die Bühne, um vom ersten Song an in ihren eigenen, experimentell-elektronischen Sphären zu schweben. Eine gurgelnde Welt, weit abseits von allem, was mit Indie-Rock zu tun hat. Etwas hilflos bleibt das Publikum auf dem Boden zurück, verharrt so starr wie stoisch vor der Bühne. Ein bisschen mehr Bewegung ringen die Crocodiles ihren Zuhörern ab. Doch auch sie verlieren sich schnell in einem Soundbrei aus misslungener Soundtechnik und netten, aber doch irgendwie belanglosen Songs. Genug Zeit, mal eben die Fußballergebnisse des WM-Qualifikationsspiels zu checken, ein Bier zu holen, eine zu rauchen. Es mag nicht so recht funken zwischen Band und Publikum.

Energie ohne Reibungsverluste

Brian King, Sänger und Gitarrist der Japandroids, braucht ein paar Sekunden, um das zu ändern. Zwar meint es die Technik auch mit dem Mainact nicht gut, doch der garagige Sound der Japandroids ist ohnehin so rau, störrisch und struppig, dass Probleme mit Klangqualität und Lautstärke fast ein bisschen wie eine authentische Ergänzung wirken. Den Rest kompensieren Brian King und Dave Prowse (Gesang, Drums) mit Einsatz und Energie, die ohne Reibungsverluste aufs Publikum übergeht. Und auf einmal ist alles anders: Es wird gehüpft, getanzt, auf Händen getragen, Schweiß schießt aus Herz und Poren. Scheppernd pflügen sich die Musiker durchs Gehör und ab sofort geht es nur noch um den Augenblick. Denn genau dafür, so scheint es, ist die Musik der Japandroids gemacht.

Den Lärm zum Funkeln bringen

Mit The Boys are leaving town geht es los, es folgt eine wildromantische Mischung aus den Songs des Debüts und der aktuellen Scheibe Celebration Rock, deren Name definitiv mehr Faktum als Floskel ist und die kompromisslos dicht an Stimmung und Sound des Erstlings anknüpft, ohne dabei auf der Stelle zu treten. Alles klingt ein bisschen dichter, ein bisschen hymnischer – der Lärm glitzert und funkelt einfach mehr auf dieser neuen Platte, die trotz ihrer lediglich acht Songs üppig daherkommt. An diesem Abend spielen die beiden Kanadier fast alle ihre Songs, darunter auch das dezent wütend hingerotzte Younger us, das sich stetig auftürmende und doch irgendwie fragile Continuous Thunder und das treibende Wet Hair. Es sind Songs, in denen Gedanken wohnen, die meist lächeln lassen. Ein bisschen wild, aber nicht ohne Struktur. Rau, aber trotzdem feinsinnig.

Kontrapunkte zum knarzigen Sound setzen kluge Texte, kleine Melodien und nicht zuletzt die Tatsache, dass den Songs der Japandroids nicht annährend soviel Weltschmerz-Melancholie innewohnt wie bei populäreren Genrekollegen. Sie sind unproduzierter, weniger glatt, berechnend und prätentiös. Und an ihren Songs klebt eine Leichtigkeit, die niemals ins Banale gleitet. Das schafft große Momente, die auch dann noch nachhallen, wenn alles schon vorbei ist und man mit blutigen Lippen, hüpfendem Herzen und dröhnendem Trommelfell wieder hinaus auf die Straße tritt.

Foto: Brian King, Gitarrist und Sänger der Japandroids (cc: flickr/Kris | auboutduchemin.ne)

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