Kultur

Slapstick-Psychodrama

Thomas Steierer

Senkrecht&Pusch-Erfolg_fuer_alle

Eine kollegiale Katastrophe sind sie nur auf der Bühne: Seit bald 10 Jahren eskalieren Arthur Senkrecht und der Pianist Pusch mit intelligenter Situationskomik und charmanter Musik.  Im gesamten deutschsprachigen Raum und in Fernsehformaten wie „Ottis Schlachthof“. Dahinter stecken zwei Münchner, Schauspieler und Drehbuchautor Arnd Schimkat („Ottos Eleven“, „Wer früher stirbt, ist länger tot“) und Pianist Bastian Pusch („Bully Parade“, „Happy birthday Lang Lang!“). Vor Ihrem Auftritt in der Pasinger Fabrik am Donnerstag (11. Oktober) sprechen die beiden im Interview über ihr kongeniales Zusammenwirken, Genreschubladen und ihr skurrilstes Tour-Erlebnis.

In „Erfolg für alle“, Eurem dritten gemeinsamen Programm nach „Alles nach Plan“ (2003) und „Öha“ (2007), kommen die notorischen Bühnenstreithähne Senkrecht und Pusch vom Paartherapeuten. Was erwartet die Zuschauer?

Bastian Pusch: „Wir stellen eine Art beziehungstechnischen Supergau dar, wir können miteinander nicht. Aber noch viel weniger ohne einander. Das Programm dreht sich darum, wie geht man miteinander um, wie schafft man es, den anderen zu respektieren und akzeptieren, einen Weg zu finden, auch mit wirren Leuten klarzukommen.“

Arnd Schimkat: „Die Annahme, durch Therapie und Coaching sein Leben ändern und in den Griff zu bekommen, ist weit verbreitet. Wir zeigen, dass das manchmal so gerade nicht funktioniert. Ohne tiefschürfendes Sendungsbewusstsein, aber ich freue mich natürlich, wenn ich hinterher von jemandem höre, er habe lange nicht mehr so gelacht. Wenn zwei soviel unternommen haben, um zusammenzubleiben, sich sogar einer Therapie unterzogen haben, dann ergibt sich eine Fallhöhe, aus der ein hohes Maß an Komik entstehen kann.“

Ihr werdet von Kritikerseite vielfach gelobt, laut Süddeutscher Zeitung etwa sind „Senkrecht und Pusch“ „so lustig, dass die Zuschauer Tränen lachen. Dabei sind sie nicht nur wunderbare Komiker, sondern auch kuriose Musiker.“ Was ist das, was Ihr macht?

Arnd Schimkat: „Wir machen Theater mit Slapstick, Situationskomik, einem starken Anteil Musik und tragikkomischen Elementen. Es passen daher nur Mischbegriffe: Tragikkomisches Slapsticktheater. Oder Slapstick-Psychodrama, wie uns mal ein Kritiker genannt hat. Eine gute Bezeichnung für das, was wir machen, das trifft es ziemlich genau.
Häufige Vergleiche mit Laurel und Hardy sind natürlich ein großes Lob. Besonders schätze ich auch das US-Schauspielerpaar Walter Matthau und Jack Lemmon. Da ist mein Humorzentrum stark berührt, weil aus den Charakteren und der Geschichte die Komik entsteht und nicht durch Witzeerzählen oder sich über andere lustig zu machen. Sondern durch zwei Menschen in einer Notsituation, die Druck und etwas zu verlieren haben. Matthau und Lemmon verbinden etwas sehr schön was ich auch anstrebe und mir zunehmend besser gelingt, die Verknüpfung von Komik und Schauspiel, es sind hervorragende Schauspieler und auch Clowns im besten Sinne, die sind sich für nichts zu albern.“

Bastian Pusch: „Obwohl wir den Anspruch des Seriösen haben, werden wir bisweilen auf das Platte, billigen Dilettantismus reduziert. Bei unserem Programm wird von Manchem übersehen, was auf der Bühne leicht aussehen mag, erfordert sehr viel Arbeit und Präzision, dahinter stecken ein ernstzunehmender Schauspieler und ein ernstzunehmender Musiker. Unsere Lieder, bei denen ich federführend bin, irgendwo zwischen Jazz und Chanson, spezial auf unser Programm passend, den beiden Bühnenfiguren auf den Leib geschrieben, sind Programmmusik, die mit der Handlungsebene korrespondieren. Bei unserem Melodikaduo beispielsweise geht es nicht in erster Linie um die Musik, sondern darum, was machen die beiden Typen da, der eine verheddert sich im Kabel. Es ist also eine körperliche und dramaturgische Ebene, die zur Musik und Gesang von Senkrecht und Pusch hinzutritt und unser Musiktheater mehrschichtiger macht.“

Arnd Schimkat: „In Zeiten in denen regelmäßige Fernseh- und Radiopräsenz im Kleinkunstbereich eine große Bedeutung für erfolgreiche Bühnentouren hat, haben wir gewissermaßen das Pech, dass unsere Art des Humors in den üblichen Fernsehformaten und Radioformaten schwer zu transportieren ist. Weil: Du unser abendfüllendes Programm in 5 Minuten oder dreieinhalb nicht erzählen kannst. Nichtsdestotrotz sind „Senkrecht & Pusch“ kontinuierlich bei Kabarettformaten der dritten Fernsehprogramme zu Gast, nicht zuletzt „Ottis Schlachthof“. Da hatten wir bislang einige sehr schöne Auftritte, das macht sich sehr schnell bemerkbar, da kommen zumindest in Bayern während der nächsten Wochen deutlich mehr Leute.“

Nächstes Jahr feiert Ihr mit „Senkrecht und Pusch“ zehnjähriges Bühnenjubiläum. Wie hat sich seinerzeit die Zusammenarbeit ergeben?

Arnd Schimkat: „Ich hatte einen Suchaufruf per Emailverteiler an alle Kollegen gerichtet: Suche Pianist mit schauspielerischen Ambitionen für neues Bühnenprojekt. 5 Leute haben unabhängig voneinander Bastian Pusch empfohlen. Sie alle sagten: Ihr beide, das wäre großartig. So war es dann auch. In einem Sommer, vor 9 Jahren war das, haben wir unser erstes Programm erarbeitet. Inzwischen können wir uns blind die Bälle zuspielen, kennen die beiden Figuren genau. Jeder von uns hat beide Figuren verinnerlicht, weiß wie die ticken, kann sich in beide, auch die des anderen, hineinversetzen. Weil wir auf der Bühne so viel streiten, müssen wir das privat nicht tun, sind extrem harmonisch, wie ein altes Ehepaar, wir kennen unsere Marotten, aber absolut liebevoll. Bastian ist ein guter Planer und Analytiker, jemand, der mein Chaos, in der Herangehensweise, etwas zu erarbeiten, in die richtigen Bahnen lenkt, der sagt, ich schenke dir ein Buch, schreib deine Ideen da rein. Diktier mir deine Ideen.“

Bastian Pusch: Obwohl wir sehr unterschiedliche Typen mit anderen künstlerischen Schwerpunkten sind, arbeiten wir äußerst intensiv zusammen. Anders als manche Solokollegen, die im stillen Kämmerlein vor sich hin werkeln sitzen wir beim Programmschreiben sehr viel zusammen, lachen viel, fetzen uns auch manchmal, das Resultat ist immer unser beider Opus. Ich glaube man merkt dass das eine gemeinsame Produktion ist, hinter der wir beide voll stehen, eine schöne Zusammenarbeit, die richtig Freude macht. Ich habe zu unterscheiden gelernt zwischen der Bühnenfigur Senkrecht, ein liebenswürdiger Tollpatsch, der es überhaupt nicht checkt und Arnd Schimkat, bei dem dies überhaupt nicht so ist. Ich hoffe, dass es auf diesem Level noch lange weitergeht.

Wie kamt Ihr beide auf die Bühne und ins komische Fach?

Arnd Schimkat: „Anfang der Neunziger hatte ich meine humoristischen Anfänge in Berlin im legendären Gastrotheater „Pomp, Duck and Circumstance“. Dabei entstand bereits die Bühnenfigur Arthur, in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Gusti Kaufmann. Das Bühnen-Handwerkszeug lernte ich anschließend an Theaterschulen in Paris und New York. Mitte der Neunziger war ich zurück aus New York, im „Wintergarten“-Varietee in Berlin lernte ich eine Agentin kennen, die mir die Rolle als Dauergast-Nachbar im WDR-Format „Zimmer frei“ vermittelte. Anschließend startete ich 1998 erste Soloversuche mit Arthur Senkrecht, zunächst mit einer 15-Minuten-Nummer.

Bastian Pusch: „Ich bin Diplom-Informatiker, habe zunächst nebenbei Musik gemacht, bis ich irgendwann davon leben konnte. Vor 20 Jahren habe ich meine erste Steuererklärung geschrieben, als es soweit war, dass ich für meine Auftritte Umsatzsteuer berechnen musste.
Zu Beginn waren Komikerauftritte mit Senkrecht völlig neu für mich. Inzwischen sind wir ebenbürtige Partner. Ich habe zwar immer schon alles mit humoristischer Note gemacht, der Teil der witzigen Ansagen hat immer mehr Raum gefunden. Ich bin kein Kind von Traurigkeit, aber das war mir nicht bewusst, ich hatte nie vor, Komiker zu werden. Das hat sich nun gründlich geändert. Inzwischen ragt die Komik deutlich in alle meiner Projekte hinein.

Bei der „Bully Parade“ von „Schuh des Manitu“-Macher Michael Herbig warst Du musikalischer Leiter.

Bastian Pusch: „Es war sehr lustig, damals noch in der Spätabendnische mit Miniquote, wundervoll anarchisch ohne Vorgaben. Dabei konnte ich lernen, wie Fernsehen funktioniert, dass es ganz eigene Regeln hat, wie man nach stundenlangem Warten auf den Einsatz sofort auf den Punkt die Leitung abruft. Diese Erfahrungen sind mir für alle weiteren Fernsehauftritte, dann mit „Senkrecht und Pusch“, sehr hilfreich gewesen.
Umgekehrt kommt mir das Kommunizieren mit dem Publikum, dieser bei „Senkrecht und Pusch“ gewonnene Erfahrungsschatz extrem zugute, bei vielem was ich mache. Etwa beim Gospelchor, den ich dirigiere: Mit 1000 Leuchten in der Kirche zu reden, das erfordert Gespür in Sachen Timing und Ansprache. Das habe ich gelernt habe im Rahmen von „Senkrecht und Pusch“.

Arnd, Du bist regelmäßig auch als Schauspieler im Kino zu sehen. Etwa im Erfolgsfilm „Wer früher stirbt, ist länger tot“ von Marcus H. Rosenmüller, in dessen Abschlussfilm an der Filmhochschule du bereits mitgewirkt hat. Im letzten Film von Otto Waalkes, in „Otto`s Eleven“ hast Du eine Hauptrolle gespielt.

Arnd Schimkat: „Wir alle wurden mit Otto sozialisiert, dem großartigen Komiker, auch ich habe als Kind seine Kassetten gehört. Das ist ein interessanter Moment, wenn du dann plötzlich neben dem stehst, übrigens ein total lieber Kerl, und in seinem Film mitspielst. Bei mir hat sich so ein Kreis geschlossen -auch weil ich in Berlin mal als „neuer Otto Waalkes aus Bayern“ bezeichnet worden bin.“

Ein Kreis geschlossen hat sich auch für Dich, Bastian, Du hast im Frühjahr mit Deinem langjährigen Vorbild, dem Jazzmusiker Herby Hancock im Rahmen der Geburtstagsfeier zum 30. Geburtstag des Starpianisten Lang Lang zusammenarbeitet sowie mit dem Schleswig-Holstein-Orchester, das Dein Arrangement gespielt hat.

Bastian Pusch: „Ein tolles Gefühl. Toll ist natürlich auch, wenn 80 Musiker deine Noten spielen.“

Ihr seid beide vielseitig aufgestellt. Bastian, wenn Du Dich nicht mit Senkrecht auf der Bühne zankst, Du bist Leiter des Gospelchors in St. Lukas und der Bigband der Hochschule München, spielst in Bands, schreibst, komponierst und arrangierst. Bei Dir, Arnd, hat sich das Drehbuchschreiben zunehmend zu einem zentralen Steckenpferd entwickelt.

Arnd Schimkat: „Ich habe schon vorher gemeinsam mit Marcus H. Rosenmüller Ideen für Filmprojekte entwickelt, Treatments und Exposés geschrieben. Als Schauspieler bekomme ich viele Drehbücher zu lesen. Aufgrund meiner auffälligen Größe konnte ich nicht in jedem Film mitspielen, ok, habe ich mir gedacht, dann schreib ich mir eben selber Drehbücher und schick sie raus, bevor ich frustriert rumsitze, weil ich keine Drehbücher zugeschickt bekomme.
Das szenische Schreiben für Drehbücher und Bühnenprogramm hat sich gegenseitig befruchtet. Ich habe von Anfang an darauf Wert gelegt, die Bühnenprogramme für „Senkrecht und Pusch“ in Drehbuchform anzugehen. Wenn ich jetzt fürs Kino schreibe, da profitiere ich aus meiner Erfahrung in Sachen Schreiben für unsere Bühnenprogramme.
Aktuell arbeite ich mit dem Münchner Autor, Schauspieler und Kabarettisten Moses Wolff an einem Drehbuchprojekt im Auftrag von „Pantaleon“, der Filmfirma des Schauspielers Mathias Schweighöfer („Soloalbum“). Zudem habe ich für mein Drehbuchprojekt „Little India“ Mitte Juli die Förderzusage vom Film-Förder-Fond Bayern erhalten. Wie bei meinem filmerischen Vorbild Woody Allen, was Kreativität und Gesamtschaffen, anbelangt, arbeite ich hin auf eine Personalunion als Schauspieler, Komiker, Autor und Regisseur.“

Ihr spielt derzeit 50 bis 60 Auftritte pro Jahr im ganzen deutschsprachigen Raum, von Hamburg bis Südtirol. Mitunter auch auf Kreuzfahrten, etwa in die Karibik. Auf Tour ergeben sich sicher allerlei skurrile Momente?

Bastian Pusch: „Bei einem Gastspiel auf der Schwäbischen Alb haben wir uns in der Pause mit der nur von einer Seite aufgehenden Feuertür von der Bühne ausgesperrt und mussten um das komplette Haus herum. Die Zuschauer sind uns außen entgegen gekommen und haben uns wieder reingelassen. In Mühldorf haben einmal die Pyroeffekte des Programms per Rauchmelder einen Feueralarm ausgelöst. Die Leute haben gebrüllt vor Lachen, weil sie für Teil der Show gehalten haben. Den hereinstürmenden Feuermännern hat der zufällig im Publikum anwesende Bürgermeister einen Kasten Bier spendiert. Zum Glück, die Kosten für zwei Löschzüge können sonst schon mal vierstellig werden.“

Wie geht es weiter mit „Senkrecht und Pusch“?

Bastian Pusch: “Ab Januar gehe ich auf Tour mit einer großen Hallen-Kochshow des TV- Sterne-Kochs Alexander Hermann, Arnd hat Regie geführt.
Zum zehnjährigen Bühnenjubiläum von „Senkrecht und Pusch“ im nächsten Mai wird es als Liebhaberprojekt einen einmaligen Spezialauftritt geben, mit Bigband, Las-Vegas-Show mit Slapstickeinlagen im Theaterzelt „Das Schloss“.”

“Senkrecht und Pusch”: “Erfolg für alle!”  Zu sehen am 11. Oktober um 20 Uhr in der Pasinger Fabrik. Karten kosten 14 Euro, ermäßigt 11. Am 26. Oktober sind die beiden im BR zu sehen im “Vereinsheim Schwabing” (23.30 Uhr). Am 17. November im Wirtshaus am Hart.

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