Kultur

“Das eigene Kopfkino ist wichtig”

Annette Walter
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Trio Schmetterling (Foto: Katharina Häringer)

Sie wohnen in Erfurt und New York, spielen elektronischen Jazz-Rock und halten Gesang für überschätzt: Mucbook hat das Trio Schmetterling, das aus Alexander Binder (Bass), Keisuke Matsuno (Gitarre) und Jan Roth (Schlagzeug) besteht, am Mittwoch vor ihrem Auftritt im Muffatwerk getroffen und mit ihnen über Kopfkino, einen Stripclub und Social Media gesprochen.

Keisuke, du lebst in New York, Alex und Jan, ihr beiden lebt in Erfurt. Welche Stadt gibt euch mehr kreativen Input?

Jan: Erfurt.

Alex: Wir können dort gut abschalten und finden genug Zeit, ohne abgelenkt zu werden.

Keisuke: Bei mir ist es natürlich umgekehrt. In New York sind für mich die Vielfalt und die verschiedenen Künstlern, die dort leben, sehr aufregend. Da hole ich mir meine Inspiration. Es ist aber immer wieder schön, nach Deutschland zurückzukommen.

Wie schafft ihr es, über diese große Distanz eure Freundschaft aufrecht zu erhalten?

Jan: Freundschaft? (lacht)

Alex: Jetzt mal im Ernst: Wir brauchen den Unterschied der beiden Städte auch für unsere Musik. Wir müssen schon ziemlich weit im Voraus planen. Spontan proben oder aufnehmen ist da fast nicht möglich.

Spontan war allerdings eure erste Begegnung, eine Jam-Session. Ihr sagtet, danach hat es nicht mehr aufgehört, Band zu werden. Wie habt ihr euch kennengelernt?

Alex: Ich habe mit Keisuke an derselben Hochschule studiert. Für eine Zwischenprüfung musste ich ein kurzes Konzert spielen. Jan kannte ich über eine andere Ecke. So kam es dann zu unserer ersten musikalischen Zusammenkunft.

Jan: Liebe auf den ersten Blick also.

Wie hat sich die Musik damals angehört im Vergleich zu heute?

Alex: Wir haben damals noch Jazz-Standards gespielt. Wir mussten uns ja erst einmal musikalisch kennenlernen. Danach konnten wir dann spezifischer Musik schreiben.

Keisuke: “Kinderlied” war dann das erste Lied, das nach Trio.Schmetterling klang.

Jan: Alles andere haben wir dann darum herumgebaut, wie ein Efeu um einen Baum wächst.

Ihr habt einmal gesagt, eure Musik klingt wie ein Soundtrack, zu dem es keinen Film gibt. Wie sollte so ein Film aussehen?

Jan: Schwer zu sagen. Jeder spult seinen eigenen Film ab, es gibt ja niemanden, der Texte oder Inhalte vorschreibt. Das eigene Kopfkino ist wichtig.

Ihr sprecht gerade die fehlenden Texte an. War Stimme oder Gesang für euch nie ein Thema?

Jan: Nie, nie, niemals. Wir haben einen anderen Zugang zur Musik, als jemand der Songs schreibt. Wir gehen über unser Instrument ran.

Alex: Worte sind nicht das Medium, mit dem wir uns am besten ausdrücken können. Wir fühlen uns so viel wohler, da können wir vielmehr damit sagen. Eure Musik ist also rein durch die Titel mit Wörtern verbunden.

Was hat es denn mit den Songtiteln 17, 18, 21 auf sich? Hat euch 19 und 20 nicht gefallen?

Jan: Wir wollten bei einigen Songs bewusst irgendeinen Inhaltsbezug umgehen. Diese Songs haben eine bestimmte Farbe, die zu den einzelnen Zahlen passt.

Euer Label beschreibt eure Musik als „instrumental-jazz-pop-kammermusik-experimental-große-gesten-miniaturen“. Ziemlich komplex, oder?

Jan: Schon. Das Label hatte auch extrem Schwierigkeiten, uns einzuordnen. Viele sehen es als Problem, dass man den Klang nicht so richtig einordnen kann. Deswegen kommt dann so etwas bei raus.

Was haben eigentlich Schmetterlinge mit eurer Musik zu tun?

Jan: Zu den Hochzeiten unserer Namensüberlegungsphase waren wir in Berlin und kamen an einem Stripclub vorbei, der Butterfly hieß. Fanden wir gut. Bei Schmetterling kommt „schmettern“ im Wort vor, was ja schon mal ziemlich laut ist. Wir mögen auch das Flatterhafte: Ein Schmetterling ist mal auf der einen Blüte und dann auf der anderen Blüte und holt sich überall Inspiration.

Alex: Es ist ein Symbol für Fluktuation und Bewegung. Ein Schmetterling lässt sich nicht so leicht fangen. Das spiegelt die Musik wieder.

Wie wichtig ist euch der „Schmetterling“ im Vergleich zu euren Neben- bzw. Solo-Projekten?

Jan: Oberwichtig. Bei anderen Projekten sind wir mehr Mitläufer.

Keisuke: In dieser Konstellation entwickelt sich nicht nur jeder als Individuum weiter, wir sind als Trio gewachsen. Und das ist etwas Besonderes.

Alex: Hier können wir uns am besten entfalten, weil das Musik ist, die wir für uns geschrieben haben. Das ist unser Herzblut.

Ihr sagt, eure Musik ist auch Ausdruck eurer Freundschaft. Was passiert mit der Musik, wenn ihr Streit habt?

Jan: Wir haben keinen Streit. Alex: Wir könnten uns nie so sehr streiten, dass es Einfluss auf unsere Musik hätte.

Social Media ist für Bands wichtig. Es gibt Bands oder Künstler, die das ablehnen, eine gewisse Distanz zu ihren Fans bewahren wollen, andere teilen scheinbar ihr ganzes Privatleben mit ihren Fans. Wie steht ihr dazu?

Alex: Wir haben da eigentlich kein Konzept. Wenn wir gerade Lust haben, etwas zu schreiben, machen wir es. Meistens kündigen wir nur unsere Gigs an. Jan: Wir nutzen es, weil es da ist.

Ihr habt aktuell knapp 500 Facebook-Likes. Habt ihr schon einmal über „Crowdfunding“ nachgedacht?

Jan: Ja und Nein. Ich denke, Musik setzt sich entweder irgendwann durch oder eben nicht. Aber eigentlich wollen wir nicht künstlich Druck ausüben. Natürlich nutzen wir jetzt die Chance, als Vorband von Max Prosa zu spielen, das bringt uns sicherlich ein paar Likes mehr ein.

Alex: Die Grundidee ist vielleicht nicht schlecht, aber ich finde die Vorstellung seltsam, die Leute mit Geld an sich zu binden. Jan: Hat was von Erpressung. Wir wollen, dass unsere Fans von sich aus Lust haben, uns zu hören. Wir wollen nicht betteln und sagen: „Bitte gebt uns etwas Geld, wir sind so arm.“ Natürlich sind wir arm, aber was soll’s?

Interview: Michael Nützel, Katharina Häringer, Foto: Katharina Häringer

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