Stadt

Ein flottes Stück Leben – Hermann Hesse, ein “Kohlrabi-Apostel” in München

Peter Teschke
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Hesse-Zitat

Eines Morgens fuhr ich, nach einer durchzechten Nacht, mit Freunden durch den Englischen Garten, sang Lieder und trank beim Aumeister Kaffee, berichtete Hesse 1908 in seiner Erzählung Taedium vitae, über einen seiner Münchenbesuche.

Solche Worte hört man aus dem Mund des Schriftstellers, der Generationen von Lesern mit seinen tiefen philosophischen Betrachtungen über das Leben in den Bann gezogen hat, selten. Das aufregende und abwechslungsreiche Leben in der Großstadt München, übte auf Hesse einen besonderen Reiz aus. Viele Male zog es ihn hierher, doch Spuren in der Öffentlichkeit hat er dabei nur wenige hinterlassen.

Reinhard G. Wittmann, Leiter des Münchner Literaturhauses und Volker Michels, Hesses Herausgeber bei Suhrkamp, haben sich nun auf die Suche nach diesen wenigen Spuren gemacht und wie ein Puzzlespiel zu einer Ausstellung für das Literaturhaus zusammengestellt.

„Einst stand ich zu Ihrer Stadt in intimer Beziehung“ versammelt alle Hinweise auf Herman Hesses Besuche in München aus Briefen und anderen persönlichen Dokumenten und bietet Einblick in die Zeit zwischen 1904 und 1914, zwischen „Simplicissimus“ und „Herbst“.

Reinhard G. Wittmann und Volker Michels  Foto: Katrin Moritz

Reinhard G. Wittmann und Volker Michels –  Foto: Katrin Moritz

Die Ausstellung beginnt im ländlichen Gaienhofen am Bodensee. Hesse lebt dort frisch verheiratet mit Maria Bernoulli, sein Roman “Peter Camenzind” hat ihn bereits bekannt gemacht. Doch mit seinen 27 Jahren bot ihm die Stille und Abgeschiedenheit Gaienhofens zu wenig Abwechslung und Inspiration. Die fand er dafür auf seinen Reisen, München als Kunstmetropole hatte es ihm dabei besonders angetan. Sein Kontakt zu dem Verleger Albert Langen verschaffte ihm eine Mitarbeit bei der berühmten, aber der Obrigkeit verhassten und von ihr ausdauernd verfolgten Münchner Satirezeitschrift “Simplicissimus”.

Simlicissimus - Foto: Peter Gardill-Vaassen

Politische Satire im Simplicissimus                                        Foto: Peter Gardill-Vaassen

Bis 1936 veröffentlichte Hesse dort rund 150 Gedichte und Erzählungen. “Damit hatte ich zum erstenmal im Leben eine Art Beziehung zum politischen Leben gewonnen, insofern der “Simplicissimus” ein politisches Witzblatt war……..so spürte ich doch den Geist der Kritik, des Spotts und oft der Erbitterung”, schreibt er 1922 in seinen Erinnerungen an Conrad Haußmann. Es war Hesses Phase der Politisierung, hier lernte er Ludwig Thoma kennen, die gemeinsame Liebe zur Natur verband die beiden doch sehr unterschiedlichen Typen. Mit Thoma ging Hesse sogar auf die Jagd, besuchte ihn in immer wieder seinem Haus am Tegernsee.

Blick in die Ausstellung   Foto: Katrin Moritz

Blick in die Ausstellung Foto: Katrin Moritz

Fotos die Hesse und Thoma oder andere seiner Freunde in München gemeinsam zeigen, existieren nicht. Doch die umfangreichen und liebevoll zusammengestellten Zitate aus Briefen und Tagebüchern, die großflächig die Ausstellungswände zieren, sind eindrucksvoller als jede Fotografie. Zitate wie die von Maler und Illustrator Rudolf Sieck, mit dem Hesse zusammen am Simplicissimus arbeitete, der zu Hesses Gesundheitsproblemen meinte, solle es doch einmal mit dem Gegenteil des Vegetarismus versuchen und stattdessen jeden Tag ein Beefsteak verzehren”.

Oder auch Ludwig Thoma wie er von der Jagd schwärmt, die in die Arbeit vergessen ließ: “Acht Tage nichts hören, als wo ein Bock steht; acht Tage nichts sehen als grüne Kornfelder und grüne Tannen; himmelherrgottsakrament, da kann einen der Simplicissimus am Arsch lecken.”

Neben Ludwig Thoma und Rudolf Sieck widmet sich die Ausstellung noch dem Zeichner Olaf Gulbransson und seiner Frau Grete. Der aus Norwegen stammende Künstler prägte mit seiner Handschrift deutlich das Erscheinungsbild des “Simplicissimus”. Im Münchner  Wohnhaus der Gulbranssons, dem Kefernest, war Hesse ebenfalls häufig zu Besuch, verband ihn, “den zarten, kränklichen Menschen”  mit dem “athletischen” Norweger neben der gemeinsamen Arbeit doch auch die Liebe zur Natur.

Kohlrabiapostel

Rudolf Siecks Ratschlag an den Kohlrabiapostel Hesse                    Foto: Katrin Moritz

Natürlich hielt Hesse in München auch zu zahlreichen anderen Künstlern Kontakt, seien es die Manns, Ringelnatz oder Otto Blümel. Doch die Ausstellung tut gut daran, nur einige wenige dieser Bekannschaften zu beleuchten. Diese dafür um so deutlicher und in kräftigen Farben und Tönen. Besonders reizvoll sind die Spannungen, die zwischen den lebenslustigen Münchner Künstlern und dem asketischen Hesse immer wieder aufblitzen, aber auch die Wärme und gegenseitige Zuneigung die ihre Kommunikation deutlich prägt. Zur Ausstellung ist ein Begleitheft erschienen, es hilft die zahlreichen Zitate und die Bedeutung dieser Zeit für Hesse besser einzuordnen.

Ausstellungseröffnung

Interessierte Gesichter bei der Ausstellungseröffnung Foto: Katrin Moritz

Wer den Spuren Hesses auf eigenen Füßen durch die Stadt folgen will, kann an einer der Stadtführungen zu Orten, die Hesse  in München besucht hat, teilnehmen.

Die Ausstellung im Literaturhaus am Salvatorplatz 1 ist bis 11. August jeweils Mo-Fr 11-19 Uhr,  Sa/So und Feiertags von 10-18 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet 5 Euro, Ermäßigt 3 Euro

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