Kultur

Von Sturzhelmen und Hardrockern

Jonas Bock
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Julie Delpy

Raus aus Budapest im Kofferraum durch den Eisernen Vorhang, über den großen Teich nach Amerika und im Gleitflug wieder zurück nach München. Der Fotograf Tibor Bozi hat schon viel von der Welt gesehen und auf seinen Reisen so einige interessante Musiker, Bands und Stars fotografiert. Bei seiner Ausstellung namens 20+7+1 , die am 1. Juli im Muffatwerk startet, lässt er ein paar seiner Fotografien von diesen Begebenheiten erzählen. Ich für meinen Teil habe mich daran gemacht, ihm vorab schon mal die ein oder andere Anekdote aus den Rippen zu leiern.

Mucbook: Wie bist du eigentlich zur Fotografie gekommen?

Tibor Bozi: Damit beschäftigt hab ich mich eigentlich schon lange. Als ich in Budapest an der TU studierte, bin ich parallel auch in Fotokurse an der Akademie der Künste gegangen. Schon in Ungarn hab ich viel für Magazine fotografiert, weil das zu der Zeit noch ziemlich gut bezahlt war für dortige Verhältnisse. Als ich dann aus dem Land rauskam, hab ich in München erstmal als Ingenieur gearbeitet im Straßen- und Brückenbau. Irgendwann fing ich dann wieder mit der Fotografie an, weil mir der Job als Ingenieur doch zu trocken war. 1979 bin ich nach Barcelona, dann noch Rom, hab dann angefangen, ein bisschen zu reisen und überall zu assistieren. Ich lebte lange in Venezuela, kam dann nach Nordamerika.

Mucbook: Doch du bliebst München treu?

TB: Genau, dort lernte ich den Kulturmanager vom neueröffneten Gasteig kennen. Ich sollte für ihn Theater- und Modern Dance-Inszenierungen fotografieren. 1987, als ich frisch von einem Auftrag In Avignon wiedergekommen war, trat Dietmar Lupfer vom Muffatwerk auf mich zu, der damals eine Agentur in München besaß. Die Spex hatte ihn gefragt, ob er jemanden wüsste, der für ihr Magazin in München die Fotos abdecken würde. Das übernahm dann tatsächlich ich. Ein paar Wochen später bekam ich den Auftrag, Alice Cooper zu fotografieren. Das sollte schwarzweiß sein, die Spex war ja damals noch ohne Farbe, und das Foto sollte Alice Cooper ungeschminkt zeigen. Ich hab den Redakteur angewiesen, dass er ganz gemächlich seine Fragen stellen sollte, während ich die Porträts schoss. Nach dem Interview kam das Management mit Maske, Set Up und allem, um das eigentliche Fotoshooting vorzubereiten. Doch ich sagte einfach nur: Ich bin fertig. Da gabs natürich vom Manager erstmal einen riesen Terz. Der Plattenfirma und Alice Cooper gefiel das Bild jedoch. Damit ging es dann im Prinzip für mich los.

Mucbook: Dieses Jahr feiert das Muffatwerk seinen 20. Geburtstag. Zusammen mit deinem Fotografenkollegen Martin Fengel bist du dabei mit einer Ausstellung vertreten, wie kam es dazu?

TB: Dietmar Lupfer hat Anfang des Jahres bei Freunden und Bekannten zwecks Beiträgen zu dem Jubiläum nachgefragt, also auch bei mir und Martin Fengel, mit dem ich nun die Ausstellung mache und den ich auch schon seit über 20 Jahren kenne. Martin machte für die Programmhefte des Muffatwerks die Fotos. Irgendwie kamen wir dann zusammen mit Dietmar darauf, dass Martins sehr nonfigurative Fotografien parallel zu meinen Bildern eine gute Wirkung hätten. Ich suchte dann für die Ausstellung aus meinen Fotos 28 Bilder von Künstlern heraus, die alle schon im Muffatwerk aufgetraten waren. Manche sind schon gestorben, andere haben im Muffatwerk ihre Anfänge gemacht, wie Blumentopf zum Beispiel, von denen auch eine Fotografie in der Ausstellung zu finden ist.

Mucbook: Welche anderen Projekte oder Engagements lagen dir besonders am Herzen?

TB: Beim Juice-Magazin war ich im Gründungsteam zusammen mit Thomas Groeger und Sven Katmando Christ. In unseren Glanzzeiten hatte das Magazin verhältnismäßig hohe Auflagen, damals hat sich im HipHop viel getan und ich bin dadurch auch wieder sehr viel herumgekommen. An einem Tag durfte ich in Chicago De La Soul fotografieren, schon kam der Anruf, dass am nächsten Tag D.I.T.C. in New York für ein Fotoshooting zur Verfügung stünden. Das war eine tolle Zeit, doch irgendwann kamen eben auch manche darauf, wie man aus dieser Musik das große Geld rausholt. Jetzt kommt wieder eine ganz neue Generation von HipHop-Künstlern auf, die auf einem sehr hohen Level anfangen und neue Themen wie Transgender oder Luxusmode in den HipHop bringen. Da wären zum Beispiel Mykki Blanco mit seinem ganz eigenen Auftreten oder A$ap Rocky, der ja auch gleich mit Kollaborationen mit Modehäusern startete.

Tibor Bozi hilmself

Mucbook: Hast du eine bestimmte Herangehensweise bei einem Fotoshooting bzw. wie würdest du deinen Stil beschreiben?

TB: Sowas hab ich schon, das braucht man auch als Fotograf, sonst ist man verloren. Ich hab da sozusagen ein Raster für Künstler, mit denen ich noch nicht zusammengearbeitet habe. Ich probiere an ihnen einfach verschiedene lockere, beiläufige, rotzige oder auch betont witzige Bemerkungen aus, um herauszufinden, wie der Künstler jeweils reagiert. Das sind dann eben meine “Farben”, die ich dann in das Raster eines Künstlers einsortiere. Dann weiß ich nach einer Minute, wie ich mich beim eigentlichen Fotoshooting verhalten muss. Dabei konstruiere ich auch nicht viel. Mein Ziel ist es immer, die Echtheit des jeweiligen Künstlers aus einer entspannten Stimmung heraus einzufangen. Doch das funktioniert heutzutage nicht mehr so gut, weil viele Fototermine nur 5 bis 10 Minuten dauern. Grundsätzlich höre ich in die Musik der Künstler erstmal rein, mit denen ich zusammenarbeiten werde, um ein Gefühl für sie zu bekommen. Ich höre mir also die Musik an, mache mir ein paar Skizzen, vor Ort spreche ich mich mit den Künstlern ganz kurz ab und dann gehts auch gleich los. Allgemein ist mir aufgefallen, dass Künstler heute vielmehr bei der Gestaltung mitsprechen wollen, als Künstler damals, was ja durchaus positiv ist. Die junge Generation reagiert eben sehr empfindlich darauf, wenn etwas gestellt ist oder eben nicht.

Mucbook: Die Musikindustrie hat sich also im Vergleich zu früher ziemlich heftig verändert?

TB: Ja, das beste Beispiel ist Daft Punk mit seinem neuen Album. Bis auf die Eskimos und ein paar Townships in Südafrika hat es wohl niemand verpasst, dass das neue Daft Punk-Album erscheint. Das Marketing dafür war so dermaßen präzise aufgezogen, dass es fast schon weh tat. Am Veröffentlichungstermin bekam ich das neue Album zugeschickt – bis dahin kannte man nichts von der neuen Platte. Der Song Get Lucky ist ja auch wirklich toll gemacht und alles, aber letztendlich fand ich das Album doch ziemlich seicht. Das ist eben was ich meine: Begriffe wie Marketing und Relevanz sind absolut unabhängig voneinander. Random Access Memory hat sich bestimmt gut verkauft. Doch was blieb jetzt letztendlich nach diesem Album von Daft Punk? Eine perfekte Marketingkampagne, ein seichtes Album, zwei Sturzhelme und der alternde Giorgio Moroder. Das ist echt enttäuschend.

Mucbook: Hast du abschließend noch Ratschläge für junge Fotografen?

TB: Der abgedroschenste aber eben auch wichtigste Rat, den ich ich geben kann, ist wohl: Zäh bleiben! Man lässt sich vor allem als junger Mensch in dem, was man macht, leicht verunsichern vom Markt, von anderen etc… Doch wenn man etwas bestimmtes zu seinem Beruf machen möchte, muss man einfach dran bleiben. Ich denke, dafür braucht man auch ein Leben lang diese gewisse Neugierde und stets das Gefühl, dass man nie ausgelernt hat. Speziell Fotografen in München rate ich, dass sie in die Alte und Neue Pinakothek gehen und die Bilder studieren. Man lernt unglaublich viel, wenn man sich anschaut, wie beispielsweise die Alten Meister ihre Bilder ausleuchten, Schatten werfen, ganz allgemein Licht verwenden. Das war für die Malerei damals wichtig und ist es nach wie vor auch in der Fotografie.

20+7+1 / Fengel, Versuch – Ausstellung im Muffatwerk | 1. bis 9. Juli, täglich von 18 bis 23 Uhr | Eintritt frei

Henry Rollins

Fotos: Tibor Bozi – Julie Delpy / Tibor Bozi himself / Henry Rollins

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