Kinogucken, Leben

Filmfest München: “Stiller Sommer”

Jonas Bock
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Man nehme: Ein Landhaus in den Cevennen, eine Protagonistin in ihren frühen Fünfzigern ohne Stimme, eine Tochter samt heißblütigem Lover, ein Ehemann und drohende Schatten aus der Vergangenheit. Diese Zutaten könnten ein duftig-leichtes Ratatouille der Kinematografie ergeben … oder einen schwerverdaulichen Eintopf mit zerkochtem Gemüse.

“Stiller Sommer” in der Filmfest-Reihe Neues Deutsches Kino schmeisst die Herdplatten an. Wohl bekomms!(?)

Das kommt von der vielen Arbeit… Kunsthistorikerin Susanne verliert mitten auf einem Pressevent ihre Stimme. Ein Zustand, der auch noch anhält, als sie in das Ferienhaus ihrer Familie im französischen Süden fährt und dort auf ihre Tochter Anna und deren Gespielen Franck trifft. Einem Hauch sexueller Anspannung inklusive. Von hier aus könnte mit “Stiller Sommer” von Nana Neul eine wunderschöne Sommergeschichte ihren Lauf nehmen, die mit der Stummheit der Protagonistin sogar noch eine Ebene mehr haben könnte.

Blöd nur, dass die Verantwortlichen etwas ganz ganz anderes draus gemacht haben. In “Stiller Sommer” zeichnen sie nämlich ein Bild von der derzeitigen Anfang-50-Generation, dass Mittzwanzigern wie mir die Knie schlottern. Zwischen französischem Naturstein turnen sie umher, diese Damen in den Fünfzigern, immer ein wenig beschwippst vom guten Rotwein und immer ein wenig mannstoll auf die netten französischen Jungs, die – wie sollte es auch anders sein – Ferienhäuser renovieren, Pilze für ihre Muttis suchen und Gummiboote aufpumpen.

Auch wenn die Ausgangssituation noch so dämlich klingt, man könnte das alles ganz witzig verpacken und dem Zuschauer ein wenig unbedarften Spaß gönnen. Im Falle dieses Films empfindet der Zuschauer aber meist nur Fremdschämen, weil der Plot von einer Lächerlichkeit in die nächste schlittert und das aber als großes Rätsel des Lebens deklarieren will. Das haben größtenteils die Charaktere zu verschulden, die so platt und unglaubwürdig geschrieben sind, dass man während des Films Klischeebingo mit sich selbst spielen könnte und stets gewinnen würde.

Vor allem Susanne (gespielt von Dagmar Manz), die mit ihrem gediegenen Alter und dem Verlust ihrer Stimme eigentlich einen interessanten Hintergrund hätte, führt sich auf wie ein verwöhnter Teenager, während ihr planloser Ehemann ihr treudoof hinterherdackelt. Allein die Tochter Anna und Susannes stets angeheiterte Freundin bringen sympathische und witzige Momente ins Spiel.

Schade schade, “Ein stiller Sommer” hätte wirklich der nächste deutsche Sommerklassiker à la “Die Häupter meiner Lieben” werden können. Stattdessen bekommt man ein peinliches Bäumchen-wechsel-dich vor hübscher Kulisse zu sehen… und dass übrigens ein und derselbe französische Popsong ganze fünfmal im Film gespielt wird, hilft dem Ganzen komischerweise auch nicht wieder auf die Beine.

Foto: Filmfest München

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