Kultur, Live

Große Worte

Birgit Buchart

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Ein Motto – zwölf Interpretationen. Das Jugendformat des BR, PULS hat auch in diesem Jahr wieder die kreativsten und schönsten Texte junger bayrischer Autoren im wahrsten Sinne ausgelesen und ging mit ihnen auf große Lesereihe-Tour durch unser Bundesland. Begleitet wurden die Veranstaltungen von der Band OK KID, die dafür ausnahmsweise auch Stift und Block in die Hand genommen haben und uns nebenbei ein kleines Geheimnis verraten haben.

„Ein Tag am Yeah“ hieß das diesjährige Motto der PULS Lesereihe. In einer Vorrunde wurden die zwölf interessantesten Texte von einer Jury ausgesucht und dessen Autoren durften nun an einem von vier Abenden ihre Werke vor großem Publikum zum Besten geben. In München waren es Axel Roitzsch, Magdalena Beck und Lukas Wilhelmi, die das Strom aus allen Nähten platzen ließen. Unterschiedlicher hätten die Interpretationen des Themas nicht sein können: Die Bühne verwandelte sich in kürzester Zeit zu einem Tagesausflug am Bahnhof, einer Partynacht in der Kultfabrik und einer Autofahrt durch Paris. Melancholisch, sinnlich, tiefgründig und brüllend komisch.

So unterschiedlich die Texte, so unterschiedlich die Personen dahinter und ihre Geschichten:

Wie seid ihr denn dazu gekommen bei der PULS Lesereihe mitzumachen?

Axel: Also ich habe einen Verlag, der wenn es gut läuft, nächstes Jahr ein Buch von mir rausbringt („Der Redner“), und der hat mich auf die Lesereihe hingewiesen.
Wir mussten dann eben diesen Text zu dem Thema „Ein Tag am Yeah“ schreiben und ich hatte dann auch relativ schnell eine Idee, die funktioniert hat, die ist mir nachts eingefallen. Den Text habe ich dann eingereicht und nach drei Tagen hatte ich auch schon Bescheid bekommen.

Lukas: Ich bin in der Schreibwerkstatt der LMU aktiv und dort bin ich auf die Lesereihe aufmerksam geworden und es fühlte sich gleich richtig an.

Wie kamst du auf die Idee deiner Story?

Axel: Das Thema muss man so ein bisschen von der Seite angehen, es hat ja nicht wirklich eine Fallhöhe. „Ein Tag am Yeah“: Also nur zu schreiben, dass irgendetwas toll ist, macht nicht wirklich Spaß. Deswegen musste man das ein bisschen drehen. Dann war die Frage, welche Assoziationen habe ich und wie kann ich die vielleicht mit Problemen und Spannung füllen. Irgendwie kommt dann eins zum anderen, das ist auch ein Prozess. Ich habe an dem Text bestimmt zwei bis drei Wochen geschrieben.

Wie war das bei dir, Magdalena? Wieso bist du hier?

Magdalena: Ja also bei mir war das im Nachhinein ziemlich witzig. Ich habe für die Uni gelernt um vier Uhr morgens. Dann kam auf Bayern3 das Interview mit dem Sterne-Sänger, der auch in der Jury ist. Der hat davon erzählt und ich dachte so: Wow, voll cool, für Leute, die gerne schreiben. Dann habe ich weitergelernt. Ich fühlte mich gar nicht angesprochen. Es blieb aber irgendwie in meinem Kopf und ich wollte einfach wissen, ob ich es schaffe 7000 Zeichen zu schreiben. Dann habe ich es abgeschickt und das war eine totale Überraschung, dass ich genommen wurde.

Wie kamst du denn zu deiner Story?

Magdalena: Als ich das gehört habe, dachte ich „Ein Tag am Yeah“, cooles Wortspiel aber keinen Plan! Dann habe ich es gegoogelt (lacht), dann kam natürlich „Meinten Sie Ein Tag am Meer“. Also es kam nichts… aber ich weiß nicht mehr, wie die Idee dann kam.

Axel: Ich werde das jetzt auch immer machen, nach Texten zu googeln. „Romanidee…“ (lacht)

Was erwartet ihr euch heute von dem Abend? Ist von euch jemand dabei, der das Ding heute unbedingt gewinnen will oder geht ihr eher mit der Einstellung „cool dabei zu sein“ auf die Bühne?

Axel: Es ist immer schwierig Literatur zu bewerten. Es ist grenzwertig unter Literatur einen Wettbewerb zu legen, es ist ebenso stark Geschmacksache. Deswegen sage ich, dass wir schon hier sind, ist toll. Es ist toll, seine Geschichten vortragen zu dürfen und wer am Ende gewinnt, liegt so wenig im eigenen Ermessen… Also es ist cool wenn es klappt und wenn nicht, war es ein cooler Abend.

Lukas: Also ich habe nichts dagegen, wenn ich gewinne. (lacht) Das stimmt schon, es ist einfach toll zu sehen, wie die Texte ankommen. Das hat aber nicht nur mit dem Ergebnis zu tun. Lesungen entwickeln immer eine gewisse Atmosphäre und darauf freue ich mich schon sehr. Ich glaube aber auch, dass so eine Abstimmung durchaus spannend ist und seinen Wert hat.

Seid ihr jetzt im Nachhinein zufrieden mit euren Texten? Oder würdet ihr gerne noch das ein oder andere ändern?

Axel: Ja, es gibt das Phänomen, dass man Dinge, die man gemacht hat – ob das jetzt ein Text ist, ein Musikstück oder ein Bild, das man gemalt hat – dass man nach einer gewissen Zeit immer denkt: Oh, was hab ich denn da gemacht? Aber ich habe meinen Text seitdem fast nicht mehr angeschaut, erst heute Abend noch einmal gelesen. (lacht) Ich glaube das ist auch besser, als wenn man darüber nachdenkt, was hätte ich besser machen können. Was gedruckt ist, ist gedruckt.

Wollt ihr alle das Schreiben zu eurem Beruf machen oder bleibt das für euch ein Hobby?

Axel: Das kommt darauf an. Ich hätte nichts dagegen, davon zu leben, weil es enorme Freiheit gibt und eine Art Befriedigung ist, die eigenen Gedanken in andere Köpfe zu bringen. Es macht Spaß es zu tun, wenn das noch mehr Leute toll finden, ist es natürlich umso besser.

Magdalena: Ich weiß nicht, ich studiere Lehramt für die Hauptschule. (lacht)
Also, wenn die jetzt heute anrufen und sagen, hier Pulitzer-Preis, okay! (alle lachen) Ich bin ja, wie gesagt überraschend hier rein geschlittert, deswegen hatte ich noch nicht so viel Zeit über meine Karriere nachzudenken.

Lukas: Ich verdiene mein Geld mit Schreiben. Noch nicht vollständig, das geht noch nicht, leider aber ich bin journalistisch tätig. Im Sport- und Kulturjournalismus im Wesentlichen. Die Prosa ist momentan mein Hobby. Ich gucke was passiert. Also ich mache, was ich mache… ich nehme auch gerne Geld dafür. (lacht)

Zwar bekommt der Gewinner der Lesereihe noch kein Geld, gewinnt aber einen Schreibworkshop am Deutschen Literaturinstitut zusammen mit einem Wochenende auf der Leipziger Buchmesse. In München siegte der Humor: Magdalena Beck konnte sich mit ihrem „Poetry-Slam-mäßigen“ Text über eine wilde Partynacht durchsetzen. Die Reaktionen des Publikums während der Lesung ließen vermuten, dass sich der ein oder andere peinlicher Weise stellenweise im Text selbst erkannte. Ehrlich und selbstironisch – so lernten wir Magdalena im Interview kennen und so war auch ihre Geschichte „Sammelbecken der Verlierer und Loser“.

Fotos von Fiona Schweizer

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Ähnlich ironisch ging auch OK KID Sänger Jonas mit seiner Interpretation von „Ein Tag am Yeah“ um. Er nahm das Thema wörtlich und schrieb sich seinen angestauten Hass gegen das Wort „Yeah“ von der Seele. Nebenbei nahm er sich zum Ziel das besagte Wort genau 100 Mal vorkommen zu lassen. Eine humorvolle und ironische Lesung außer Konkurrenz. Dabei ist das Lesen eigentlich nicht so sein Ding:

Wie kam es denn dazu, dass ihr die PULS Lesereihe begleitet?

Raphi: Ehrlich gesagt, wissen wir das gar nicht so richtig. Irgendwie sind unsere Booking Agentur und PULS in Kontakt gekommen. Wahrscheinlich war es dann so, dass PULS gefragt hat, ob wir Lust haben … oder unsere Booking Agentur hat PULS gefragt… Ne, aber eigentlich… wahrscheinlich war‘s so.

Moritz: Man weiß es immer nicht so genau aus welcher Richtung es kommt.

Raphi: Wir wurden nur gefragt, ob wir Lust haben und wir haben „Ja!“ gesagt.

Jonas: Wir kennen die auch schon. Wir haben mal zwei Unplugged Songs bei denen aufgenommen und waren im April für Interviews dort. Dadurch wussten wir schon, wofür das Ding so steht, früher hieß es ja on3 und darüber haben wir auch immer nur gute Sachen gehört, deswegen wussten wir, dass wir uns hier nicht krass prostituieren müssen.

Großes Thema hier: das Lesen/Schreiben. Habt ihr dazu privat Bezug? Lest ihr selbst viel?

Moritz: Wir lesen gar nicht viel, ehrlich gesagt. Jetzt werden wir natürlich ein bisschen dazu gezwungen, zu schreiben. Jeder von uns hat einen Abend lang was Eigenes vorgelesen, also jeder der Band saß auch schon mal vorne. Heute ist der erste Abend, wo Jonas ein zweites Mal liest. Mal gucken wer morgen dran muss. Wir knobeln darum immer, spielen Schnick-Schnack-Schnuck.

So ganz unbelesen kommt eure Musik aber gar nicht rüber. Wer schreibt denn bei euch die Texte?

Jonas: Das bin ich.

In euren Texten wird doch sehr viel mit der Sprache gespielt. Dadurch bekommt man schon den Eindruck, dass ihr in irgendeiner Weise einen starken Bezug zur Sprache oder Literatur habt.

Jonas: Das ist lustig, das hören wir recht oft. Leute fragen mich oft, was ich denn gerade lese. Ich lese aber gerade gar nichts. Wenn ich ehrlich bin habe ich in meinem Leben drei oder vier Bücher freiwillig gelesen. Sonst nur die Standard-Schullektüre… da aber auch immer nur die Sekundärliteratur, damit ich die Klausuren schreiben konnte. Da habe ich dann einfach immer die Interpretationen abgeschrieben. Ich war für das Lesen immer zu ungeduldig. Ich lese sehr gerne Musikmagazine, schnelle Häppchen einfach. Ich habe leider nie die Leidenschaft für‘s Leben… äh (lacht) für‘s Lesen entwickelt.
Aus einem der drei Bücher, die ich gelesen habe, habe ich dann auch gleich ein Zitat in einem Song eingebaut. Vielleicht denken deshalb die Leute, ich würde sehr viel lesen…

Was war das für ein Zitat?

Jonas: In dem Song „Kaffee Warm“. Von Rocko Schamoni aus „Sternstunden der Bedeutungslosigkeit“: Das Ding mit dem Kaffee warm halten. Da der Hauptcharakter auch den Kaffee warm hält für seine Freundin, die beim Frühstück gegangen ist – als der Kaffee noch warm war – und er denkt, wenn der Kaffee noch warm ist, kommt sie wieder zurück. Und er hält dann ein halbes Jahr den Kaffee warm.

Ist das Texten bei dir dann eher eine spontane Sache?

Jonas: Ich bin so ein Wort- und Reime-Sucher. Immer. Also wenn ich irgendwo bin, denke ich oft an Wortspiele. Ich drehe gerne Redewendungen um und bin schon ständig auf der Suche, um mit einfachen Worten Bilder zu schaffen, die ich noch nirgends gehört habe.
Und es soll nicht zu direkt sein, dass möglichst viele Leute sich selbst was rausziehen können. Das merkt man auch bei vielen Songs. Für die einen ist es melancholisch, für die anderen etwas ganz anderes. Häufig sind auch die Songs, die von den Leuten als melancholisch aufgefasst werden, für mich die positivsten Texte.

Was ist denn in euren Augen die kreativere Arbeit: Musik zu schreiben oder Texte zu schreiben? Oder was fällt euch leichter?

Jonas: Das ist ganz unterschiedlich. Häufig habe ich zuerst den Text im Kopf und manchmal die Melodie. Generell ist es ja bei uns sehr aufgeteilt: Meistens schaffen Raphi und Moritz die Musik und ich glaub für die ist es leichter die Musik oder einen Beat zu machen, als einen Text zu schreiben. Bei mir ist das natürlich andersrum. Ich kann ja nichts spielen.

Gibt‘s denn auch Momente, wo ihr beiden, Raphi und Moritz mal sagt: Ok wir haben eine coole Melodie aber Jonas, dein Text passt jetzt nicht so richtig dazu?

Raphi (schmunzeln): Ja die gibt‘s. Es ist ja nicht so, dass er die Hoheit über Text hat und wir über Musik, sondern es darf ja jeder jedem rein quatschen. Es muss auch immer jeder mit allem down sein und da gibt es immer mal Textpassagen, wo jemand von uns dann dagegen ist. Dann wird es aber auch nicht weiterverfolgt. Genauso gibt es Sachen, die in der Musik auch rausfliegen.

Jonas: Außer jemand kämpft ganz hart für seine Idee. Wenn der Raphi einen Beat hat, den er ultra krass feiert oder Moritz eine Idee hat und voll dahinter steht und ich hab keinen Zugang dazu, strenge ich mich natürlich extra an, dass der Song trotzdem funktioniert. Andersrum natürlich auch, wie bei „Der Storch mit der Sense“. Es gab mal einen Song den fand ich mega gut, der Moritz auch…

Moritz: Ja, der war super!

Jonas: Aber Raphi fand das so peinlich und scheiße, dann haben wir‘s natürlich auch nicht gemacht.

Dürfen wir daraus eine Zeile hören?

Jonas: „Da sitzt ein Storch mit der Sense in der Hand, ich glaub ich muss zurück, dorthin, wo alles begann.“ Ich fand den Storch mit der Sense gut. Der Storch steht für Geburt, die Sense für den Tod. Aber das kam leider nicht so an…

Raphi: Das war schlimm!

Nach der Lesereihe-Tour geht es ja gleich auf eure eigene Tour. Freut ihr euch denn schon darauf?

Moritz: Ja, total. Wir sind ja eigentlich die ganze Zeit unterwegs. Nach der Album-Veröffentlichung im April haben wir nur Festivals gespielt. Das waren zirka 35 Festivals, von daher sind wir das schon gewohnt, unterwegs zu sein und freuen uns total. Das ist ja auch die erste richtig große Headliner-Tour von uns, wo wir wirklich so 27 Konzerte am Stück haben. Da haben wir auch nur drei oder vier Off-Days.

Ist das denn in euren Augen Arbeit oder eher Urlaub?

Raphi: Arbeit! Mit der Stempelkarte gekommen, dann geht der Dienst los … Ne, also es ist natürlich irgendwo Arbeit, da das ja auch anstrengend ist – auch körperlich. Aber ich glaub keiner von uns ist so drauf, dass er sagt: Oh ne, schon wieder. Obwohl es gibt so Tage, wo man so ein bisschen fertig ist, wo man sich denkt, es wäre auch geil, heute mal nicht zu spielen, aber grundsätzlich macht es immer Bock.

Wie geht‘s denn danach mit euch weiter. Wir haben so ein Gerücht gehört, dass ihr ab dem nächsten Jahr nur noch zu dritt auf der Bühne steht. Was passiert da genau, verändert ihr euch dann auch musikalisch?

Jonas: Ah, das hat sich wohl rumgesprochen.

Moritz: Wurde das so gesagt?

Jonas: Boah, das haben wir so nicht gesagt. Uns wird es immer zu fünft auf der Bühne geben. Das nächste Album, das wir machen werden, wird auf jeden Fall auch wieder ein Bandalbum werden.
Wir wollen aber noch irgendwas dazwischen machen, bis zum nächsten Album. Wir hatten jetzt auch Lust gehabt einfach wieder Beats zu bauen und vielleicht ein bisschen mehr zu rappen – was Neues zu machen. Wir wurden angefragt für Akustik-Auftritte und wir haben einfach gemerkt, nur Gitarre und Klavier oder so etwas in der Art, das passt nicht zu uns. Wir sind nicht diese Unplugged-Band, sondern wir haben eine andere Sound-Vorstellung. Deshalb haben wir uns überlegt, wir wollen auch als Soundsystem auftreten. Darauf haben wir auch echt Bock, deswegen haben wir uns überlegt auch eine Soundsystem-EP zu machen. Aber es ist noch nicht ganz genau klar wann und wie das raus kommen wird. Zwar wird es über dasselbe Label rauskommen, bei dem wir gerade sind, aber es ist noch nicht klar, wann und wie es genau aussehen wird. Wir können aber schon einmal verraten, dass wir gerade Songs auf Basis des Soundsystems schreiben.

Moritz: Aber wir werden nächstes Jahr bestimmt auch viele Konzerte spielen, bei denen wir zu fünft sind.

Die Band gibt es also wie gehabt und auf zusätzliche Projekt kann man gespannt sein. Nach den Lesungen durften die drei dann auch noch das machen, was sie am Besten können: Spielen und Stimmung machen. Zwar fiel das Konzert überraschend kurz aus, das Publikum war trotzdem sichtlich begeistert.


Fotos von Fiona Schweizer

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Text: Birgit Buchart | Fotos: Fiona Schweizer

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