Kultur, Nach(t)kritik

“Pink oder nicht pink.”

Josephine Musil-Gutsch
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Ein Küchentisch, ein bisschen zu viele Zigaretten und ein paar Flaschen Wein sind die Grundlage eines jeden guten Gesprächs übers Erwachsenwerden. Wie sie selbst an einem solchen Tisch sitzt und philosophiert, kann man sich gut vorstellen, wenn man die Kolumnen von Anika Landsteiner liest. Auf mucbook kann man jetzt hier zwei Leseproben ihres neuen E-Books “Küchenphilosophien” lesen.

Aus: “live in discovery channel”

Ich wusste lange Zeit erst mal nur, was ich nicht wollte. Und während ich jeden Tag so einige Kilometer hinter mir lies, einen schweren Rucksack auf dem Rücken und Blei in den Beinen, so fragte ich mich täglich – laufe ich eigentlich am Ende des Weges mir selbst in die Arme oder renne ich geradewegs vor mir davon?
Ich weiß die Antwort bis heute nicht. Aber ich weiß, dass ich mich jeden Tag mit mir beschäftigt habe und das ist etwas, was kaum einer noch tut. Und ich rede hier nicht von der Liebeskummer-Quatscherei mit Freunden oder der Jammerei am Stammtisch deines Vertrauens – das können alle, das ist alt, unproduktiv und langweilt.
Warum guckt der mich so komisch an? Warum lacht sie nicht über meinen Witz? Ist mein Outfit zu pink oder drücke ich damit perfekt aus, wie ich zu meiner Weiblichkeit stehe?
Warum bist du nicht einfach mal du selbst? Pink oder nicht pink.
Die meisten Wegläufer unserer Zeit erwarten Heilung von außen. Es ist eine regelrechte Therapie-Welle über uns gekommen, Psychologen sind mittlerweile selbst schon in Psychotherapie und es ist schon fast ein bisschen uncool, nicht einmal wöchentlich mit jemandem die Wehwechen zu besprechen. Das ist ja alles schön und gut und in einer rasanten Gesellschaft wie unserer auch anscheinend nötig – aber wer geht nach Hause und macht dann auch wirklich seine Hausaufgaben?
Wenn man ein Problem hat, kann man es ja runterschlucken. Wenn der Körper nicht passt, kann man ihn ja ausstopfen, biegen und polstern. Wenn man zu wenig Aufmerksamkeit bekommt, rät der Friseur zu frechen Strähnchen, weil die ganz hipp und trendy sind und sogar die Gisela neu erstrahlen lassen.
Aber interessiert jemanden, was in der Gisela vielleicht gerade schief läuft? Da braucht sie keine Strähnchen für.
Der Weg ist das Ziel. Diesen Satz hörte ich zum ersten Mal in der Mittelstufe am Gymnasium. Mein damaliger, stets gleichbleibend alkoholisierter Geschichtslehrer lachte immer schnaubend darüber. Doch ich habe das Zitat eigentlich sofort verstanden und vielleicht war auch das der Grund, warum ich am Ende meiner letzten Reise gar nicht ankommen wollte.
Wie schön, dass es deswegen im Leben Etappenziele gibt. Als ich an der Felswand stand, hielt ich ein Glas billigen Fusel in der Hand und betrachtete den Horizont. Irgendjemand flüsterte dann: Da kommt jetzt nur noch Meer – und irgendwann dann Amerika. Da saßen wir also, die Entdecker unserer selbst. Und es machte Mut, dass sogar nach einer steilen Felswand noch was Neues kommt.
Ich packe also meinen Koffer und nehme mit? Nur mich. Harr Harr.

Aus „Ich bin du und wir seid ihr“

Ich gehe zurück zu meinem Spiegel und schaue das Foto an. Es ist kein gut geschossenes Bild, durch das Gegenlicht der Sonne ist es relativ dunkel, die Strapazen der Tage sind mir ein wenig ins Gesicht geschrieben… und trotzdem: Ich weiß, dass ich kein Bild besitze, auf dem ich glücklicher aussehe und auch wirklich bin, als auf diesem Bild. So schaue ich mich selbst an und stelle missmutig fest, dass dieser Gemütszustand mit äußeren Faktoren zu tun hatte. Mit Musik. Mit einer Person. Mit anderen Personen. Mit Sonne.
Das ist ja alles schön und gut, nur warum machen wir unsere inneren Zustände so oft abhängig von äußeren Einflüssen? Warum sind wir so schnell traurig, wenn etwas mal nicht so klappt, wie wir es uns wünschen? Warum nehmen wir uns so selten die Ruhe, mal eine Nacht über eine Situation zu schlafen, anstatt uns stundenlang den Kopf zu zerbrechen? Wann verstehen wir endlich, dass andere Menschen nicht automatisch unsere Gedankengänge kennen, auch wenn sie uns selbst noch so logisch und nachvollziehbar erscheinen? Warum können wir am Ende des Tages den Tag nicht einfach abhaken, anstatt nachtragend in die Federn zu fallen?
Oder, um es mal auf den Punkt zu bringen: Wann feiern wir endlich wieder mal die Existenz unseres inneren Kindes, das glücklich ist, weil es einfach Lust hat, glücklich zu sein?
Hm.
Ich will immer so glücklich sein und aussehen, wie auf dem Foto. Auch wenn es dunkel ist. Auch wenn die Musik aus ist. Und auch, wenn mal niemand hinter mir steht, mich hält und von meiner Glückseligkeit ein Foto schießt.

Anika Landsteiner bloggt auf anidenkt.de

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Oberes Bild: Aubrey flickr.com über cc-sa-2.0

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