Kinogucken, Leben

Wölfin im Schafspelz

Thomas Empl

Ein weltbekannter Filmregisseur adaptiert – zusammen mit einem Theaterregisseur – ein Theaterstück, in welchem ein Theaterregisseur eine Novelle aus dem 19. Jahrhundert adaptiert. Die männliche Hauptrolle, den Regisseur, besetzt er mit einem ihm aus dem Gesicht geschnitzten Abbild und die weibliche mit seiner Ehefrau. Hier hat wirklich alles einen doppelten Boden. Besonders weil eben jener Filmregisseur auch noch Roman Polanski heißt.

Der hat sich nach dem fabelhaften „Gott des Gemetzels“ mit Venus im Pelz wieder eines Stoffes angenommen, der an nur einem Ort – diesmal in einem Theater – spielt und in dem pausenlos gesprochen wird – diesmal über Sexismus, Feminismus und Dominanz. Man könnte durchaus anmerken, dass Polanski durch seine Vergangenheit eigentlich sein Recht, zu diesen Themen etwas zu sagen, verspielt haben könnte. Und doch ist seine Anwesenheit einer dieser Momente, in denen sich Wirklichkeit und Fiktion aufs Seltsamste vermischen.

Thomas und Vanda

Der Theaterregisseur Thomas (Matthieu Amalric), der „Venus im Pelz“ umsetzen will, sieht nämlich schon mal komplett aus wie ein jüngerer Polanski. „Venus im Pelz“ ist eine Novelle von Leopold von Sader-Masoch, in dem ein Mann und eine Frau namens Vanda einen Vertrag abschließen, mit dem er sich zu ihrem Sklaven macht. Nach einem langen Tag steht Thomas schimpfend im verlassenen Theater, weil er keine passende Besetzung für die Rolle der Vanda finden konnte. Als die Schauspielerin (Polanskis Ehefrau Emanuelle Seigner) als letzte und zu spät durch die Tür stolpert, kaugummikauend und mit gewaltigem Ausschnitt, will er sie eigentlich rausschmeißen. Bis er sie dann doch spielen sieht, perfekt für die Rolle. Zusammen gehen sie das Stück durch, sprechen es nach, unterbrochen von Diskussionen. Sie findet es sexistisch, er betont er sei ja nur realisateur, nur der Adapteur. Genau wie Polanski.

Stück und Wirklichkeit, Traum und Theater verschwimmen immer mehr, die Fremde wird immer mehr zu einer realen Vanda, später gar zur Göttin, die an dem Regisseur für sein Frauenbild Rache nimmt. Dabei ist dieser Thomas nicht einmal ein unsympathischer Macho. Ein wenig prätentiös, ja, seine Ansichten gerne mal in der von ihm zitierten „Ambiguität“ versteckend (so wie … genau). Aber ob er die Rache wirklich verdient, bleibt – schon wieder – offen. Oder ist Ansichtssache, wie so vieles an diesem Film.

Da wird dann ein Mann, der gerade in Frauenkleidern die Frau spielt, von einer Frau, die den Mann spielt, gefesselt und gedemütigt, um dem Autor klarzumachen, dass seine Frauenfigur sexistisch ist. Mit der zusätzlichen Note, dass der wahre Autor des Films sich damit auf einer weiteren Ebene selbst parodiert, obwohl er gleichzeitig gerade doch in gewisser Weise Macht über (s)eine Frau ausübt: Als Regisseur, der seine Schauspielerin pausenlos halbnackt herumtanzen lässt.
Es fällt schwer, noch durchzublicken, ob Polanski da gerade die Männer, Frauen, sich selbst oder gleich die ganze Welt verlacht.

Ein Wolf namens Vanda

Kinostart ist an diesem Donnerstag, dem 21. November.

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