Kultur, Nach(t)kritik

Glitzer, Beat und eine Würstlbude

Josephine Musil-Gutsch
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Ein großer Andrang an der Hopfenstraße: Ströme vorfreudiger Menschen laufen auf das BR-Funkhaus zu. Gleich beginnt das Festival, von dem man noch lange sprechen wird: Das PULS 2013. Zwei Studios, eine Kantine, eine Wurstbude – und alles passiert gleichzeitig. So war’s am Samstag.

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Man wird – falls man nicht einer dieser Menschen ist, die die Bands eh schon kannte – wohl in einem halben Jahr die Bandinterviews mit den Newcomern ansehen und sich wünschen, man sei da gewesen.
Ich wünschte mir am Samstag, mich dreiteilen zu können. Parallel spielten Lieblingsbands und Bands, von denen ich noch nie gehört hatte in Studio 1 und Studio 2, sowie in der Kantine des Bayerischen Rundfunks. Schon in der Eingangshalle ein Aufgebot an Reizüberflutung: goldene Glitzerfolien an der Wand, Diskokugeln an der Decke, gute Musik aus den Boxen, posierende Mädels vor der Fotowand während an einer Wand live ein Konzert übertragen wurde. Dazwischen Garderobengedränge und Biergesuch, man kennt das ja.

Danach geht es auf ins schwitzige, freudige Fangetümmel. Leider muss man selektieren und sich für eine Band entscheiden. Oder so wie ich wie ein Teilchen im Raum zwischen den verschiedenen Konzerten hin und her schwirren. Zu anfangs kriege ich noch ein bisschen von dem herrlichen Indiepop der Band Paper & Places mit, verpasse währenddessen aber Blindspot. Wie gesagt, ich wünschte ich könnte überall zur gleichen Zeit sein.

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In voller Breite erlebe ich dann OK KID und wie Texte heute doch noch auf Deutsch funktionieren. Mit schwingendem Mikrokabel und verrutschender Wollmütze tanzt der rappende Frontmann Jonas über die Bühne in Studio 1 und OK KID feiern sich selbst.

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Natürlich wird auch bei Milky Chance, dem offiziellen und wohl auch persönlichem Headliner vieler Festivalbesucher, die ganze Show lang ausgeharrt. Für alle, die das Duo nur aus dem Radio kennen und mögen, ist Milky Chance auf dem Konzert eine Überraschung. Eingängige Beats, die genau den Puls der Zeit treffen, vermischt mit einer rauen Stimme à la Tallest Man on Earth und eingängigen Gitarrenmelodien. Auch wenn der Mann an der Gitarre sich ab und an verspielt, nehme ich ihm das keinesfalls übel – zwecks der netten Wuschelhaare. Als dann ihr Hit “Stolen Dance” vom ganzen Saal gefordert wird, muss er schmunzeln – und stimmt schließlich doch die Klänge zum Mitsingen an.

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Bild: BR/Hannes Rohrer

Nach dem vielen Getanze lege ich erstmal eine Verschnaufspause ein. Im Innenhof des Funkhauses schnappe ich frische Luft und versuche mich neben einem Wärmepilz zu platzieren. Hinter mir wird das runde PULS-Logo an die Wand projeziert und Lichtkugeln leuchten im Dunkeln – wie schön.

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Eine äußert schicke Currywurstbude steht ebenfalls hier, ausgeleuchtet mit Scheinwerfern und einem großen Screen auf dem Dach, der vergrößert zeigt, was drinnen passiert. Die Würschtlbrater tragen Mikros am Mund und verteilen Bratgut an hungrige Festivalbesucher. Das ist der BRoilerroom, lerne ich. Später entdecke ich dann die Jungs von Bilderbuch und von Paper & Places an der Würschtlbude. Nachdem das Mädchen vor mir eine Wurst ergattert hat ohne zu zahlen, will ich auch eine. “Die brauchen wir leider noch als Requisite.”, bekomme ich als Antwort. Aha. Später, als ich gerade zu Fuck Art, Let’s Dance in die Kantine spaziere, sehe ich Blumentopf-DJ Sepalot alias Florian Schuster zusammen mit den Moderatoren hinterm Grill stehen. Was er genau sagt, kann ich nicht ausmachen, ich glaube irgendwas mit Fußball. Lustig ist es trotzdem, dieses Promi-Wurstmobil.

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Bei St. Lucia schaue ich kurz vorbei und bin dann rechtzeitig zu den letzten Tönen von Is Tropical in Studio 2 da, die zu ihrem Hit “Dancing Anymore” ein Mädchen auf die Bühne bitten, damit diese den Refrain singe. Leider bekommen sie nur einen betrunkenen Dude, der erst ins Mikro brüllt, sich dann auf der Bühne selbst feiert und anschließend versucht, den Sänger zu sabotieren. Ziemlich legendär.

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Um kurz nach halb eins gehe ich zu Fuck Art, Let’s Dance, die diesen wunderbaren Schlagzeug rasselnden Indiepop machen, den ich früher andauernd gehört habe. Ich schwelge ein bisschen in Erinnerungen, lasse den Fuß mitwippen und finde die Brille des Sängers witzig, die ganz vorne auf seine Nasenspitze gerutscht ist.

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Bild: BR/Jakub Rzucidlo

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Mein persönlicher Höhepunkt ist der Auftritt von Reptile Youth um viertel nach eins. Im bunten Pyjama und mit Ringellocken geht der Sänger so dermaßen ab, dass man sich wundert, ob er sich wieder ein Bein brechen wird, kurz nachdem der Gips gerade runter ist. Er erinnert mich ein wenig an Adam Green – nur auf Speed. Aber die Musik ist wunderbar, ich tanze freudig und darf miterleben, wie sich der blonde Wuschelkopf zum Crowdsurfing in die Menge wirft, getragen wird und irgendwann untergeht. Als er wieder aufsteht, hat er einen Fan am Schlawittchen gepackt und brüllt ihm seinen Liedtext ins Gesicht. Kurz vor einer Eskalation steht der Reptile Youth Frontmann Mads Damsgaard Kristiansen wieder auf der Bühne. Als ein Glitzerregen auf die Menge herunter flirrt, ist der Abend perfekt.

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Bild: BR/Matthias Kestel

Alle Interviews mit den Bands gibt es hier.

Alle Bilder: Peter Gardill-Vaassen, außer die gekennzeichneten.

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