Kultur

Hör auf zu denken und mach einfach!

Birgit Buchart

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Rapperin Ebow heizt München ein mit ihrem genialen Mix aus Deutsch-Rap, Orientalischen Beats und 90er-Sound. Mit zarten 23 Jahren mischt die türkischstämmige Münchnerin die Clubs und Kulturklischees auf und vergisst daneben nie, die wichtigen Dinge in ihrem Leben: Familie, Leidenschaft und Heimat. Neben der Musikkarriere arbeitet Ebow fleißig an ihrem Architekturstudium und gab vor wenigen Wochen ihre Bachelorarbeit ab. Wir haben Ebow in ihrem Lieblingscafé, der Loretta Bar, getroffen und mit ihr über ihre Kindheit und Musik gesprochen.

Wer oder was glaubst du, hat dich in deiner Kindheit stark geprägt?
Ich hatte ja keine Geschwister, als ich jünger war, aber ich hatte meine Tanten und Onkels. Darunter war eine Tante, die immer auf mich aufgepasst hat. Sie war damals so alt wie ich jetzt. Ich glaube, sie hat mich sehr stark geprägt. Sie hat viel HipHop gehört und ich habe alles durch sie mitbekommen – MTV oder Serien, wie Prinz von Bel-Air oder so.

Glaubst du, war es auch diese Tante, die dir den Mut gegeben hat, dich als Musikerin zu versuchen? Um so eine Entscheidung zu treffen, braucht man schon Rückhalt. Wer oder was hat dich so mutig gemacht?
Ich glaube, das hat auch etwas mit unserer Kultur zu tun, oder mehr mit meiner Familie, ich weiß nicht. Bei uns zuhause wurde immer schon sehr viel gesungen. Es geht gar nicht darum, dass du eine gute Stimme hast, sondern einfach nur um die Musik und dass du sie fühlst und mitsingst. Bei uns ist es total normal, dass meine Oma irgendwann in der Küche anfängt zu singen, dann Mama und dann alle zusammen. Das kann auch draußen beim Spazieren gehen passieren. Musik ist so etwas Freies für uns. Es ging nie darum, perfekt darin zu sein und das nahm den Druck von der Sache. Dadurch war es auch kein Problem, damit an die Öffentlichkeit zu gehen.

Also warst du nie an diesem Punkt, an dem du dich entschieden hast, ab jetzt mache ich Musik und damit will ich Geld verdienen? Du hast das einfach schon immer gemacht?
Ja, genau. Ich mache Musik seit ich klein bin. Das ist fast schon wie eine Behinderung. Ich denke mir, ich kann nichts anderes machen. Es gäbe für mich nie diesen Moment, an dem ich sagen könnte, ich höre jetzt auf damit. Es geht gar nicht darum, ob du damit erfolgreich bist und viel Geld machst… Es ist einfach meine Leidenschaft.

Du bist mittlerweile bei dem Musiklabel Disko B und arbeitest mit vielen tollen Künstlern zusammen. Wie kamst du dazu, mit deiner Leidenschaft, der Musik, einen professionellen Karriereweg einzuschlagen? Oder bist du da hineingerutscht?
Ja, ich bin da irgendwie reingerutscht. Irgendwann wirst du professioneller, dadurch, dass du von dir selbst immer mehr erwartest. Ich habe am Anfang Texte geschrieben und habe die meinen Freunden gezeigt. Irgendwann lernst du Leute kennen und du gehst mit denen schon mal ins Studio – das sind dann noch keine professionellen Aufnahmen. Dann lernst du immer mehr Leute kennen und damit steigt dein Anspruch an dich selbst auch immer mehr. Dadurch wird das alles von alleine immer professioneller.

Du hast schon erwähnt, dass Musik in deiner Familie eine große Rolle spielt. Wie haben deine Eltern darauf reagiert, dass du jetzt „richtig“ Musik machst?
Sehr positiv. Meine Mama und mein Vater haben das immer schon unterstützt, ich habe von meiner ganzen Familie sehr positives Feedback bekommen.

Du stammst aus der Türkei, wohnst in München und fühlst dich pudelwohl auf der Bühne. Wo bist du zuhause? Was bedeutet Heimat für dich?
Ich finde zuhause ist etwas, das kann überall sein. Vielleicht bist du gerade irgendwo im Urlaub und es erinnert dich vom Gefühl her an irgendetwas, das dir so ein warmes Gefühl gibt, dann bist du da gerade zuhause. Es ist ein Gefühlsding.

Für dich im Moment?
Ich fühle mich hier gerade total wohl. Klar, ich hätte auch gern Urlaub und wäre gerne mal wo anders, aber solange ich mich an einem Ort wohl fühle, bin ich zuhause.

Glaubst du, du wärst heute der Star auf deinem Klassentreffen?
Nee, gar nicht. Ich meine, ich habe die Leute in meiner Klasse damals schon genervt, weil ich die ganze Zeit irgendwas gesungen hab. Alles war total still, alle arbeiten und du hörst so aus der hinteren Reihe irgendwelche Stimmen. (lacht) Deswegen, glaube ich, die freuen sich bestimmt auch, dass ich damit weitergekommen bin.

War deine Herkunft in deiner Schulzeit jemals ein Thema?
Ja, in der Grundschule ein bisschen, weil wir da sehr wenige Ausländer waren – Ausländer ist so ein bescheuertes Wort…Also in der Grundschule wurde ich so ein bisschen anders behandelt von den Lehrern. Aber danach hat sich das schnell wieder gelegt.

Ebow00_by_Nils_Schwarz

Wie empfindest du die Münchner in der Hinsicht? Machen es die Bayern den Ausländern schwer, sich zu integrieren oder glaubst du, sobald man die selbe Sprache spricht, macht hier niemand mehr einen Unterschied?
Ich finde es so schade, dass dieses „Integriert-sein“ auf die Sprache reduziert wird. Es gibt Leute, die die deutsche Sprache total gut beherrschen, aber sich überhaupt nicht bereit erklären, der deutschen Kultur etwas entgegen zu kommen. Es geht ja gar nicht darum, die Kultur anzunehmen, sondern offen dafür zu sein und wenn man etwas gutes daran erkennt, es für sich selbst mitzunehmen. Auf der anderen Seite gibt es Leute, die die Sprache nicht so gut können, wie meine Oma zum Beispiel. Man kann ihr das aber auch nicht übel nehmen, da sie nie wirklich die Möglichkeit hatte, die Sprache richtig zu lernen. Sie ist für mich aber ein total integrierter Mensch, sie ist für alles, was hier passiert, total offen und beteiligt sich an dem Leben hier sehr stark.

Und die Münchner, haben die noch was zu lernen?
Ich finde das ist eine Altersfrage. Für jüngere Leute, so in unserem Alter, ist das kein Thema mehr. Das sind eher noch die älteren Menschen, die so festgefahren sind in ihren Klischee-Vorstellungen. Aber deswegen glaube ich auch, dass es in 10 – 20 Jahren gar kein Thema mehr sein wird. Weil die Leute anders aufwachsen und ein anderes Weltbild haben.

Hattest du als Kind oder Jugendliche Vorbilder?
Hatte ich leider nicht. Klar, als kleines Kind hatte ich meine Mama irgendwie als Vorbild, weil sie einfach so eine Wahnsinnsfrau war. Ich wollte nicht genau wie meine Mama werden, aber ich habe sie einfach total bewundert. So wirkliche, richtige Vorbilder hatte ich glaube ich nicht.

Glaubst du, dass es wichtig ist, für junge Leute, Vorbilder zu haben?
Ich glaube wir leben in einer Zeit, in der du die Freiheit hast, mehr zu machen, als nur eine Sache. Du kannst zum Beispiel Musikerin sein und gleichzeitig Designerin und gleichzeitig Fotografin. Man hat mehrere Möglichkeiten und dadurch ist es auch möglich, mehrere Vorbilder zu haben. Klar, wenn man jemanden findet, der einen inspiriert, ist das gut. Es ist vielleicht nicht wichtig, aber schön, wenn man ein Vorbild hat.

Bleiben wir bei der Inspiration. Was inspiriert deine Musik?
Mich inspiriert am meisten alte türkische Musik aus den Siebzigern. Psychedelischer Sound. Ich höre zum Beispiel kaum deutschen Rap, weil ich nicht will, dass es mich zu sehr irgendwohin drängt. Ich glaube, wenn man etwas macht, sollte man sich von allen anderen Dingen inspirieren lassen. In der Architektur lässt man sich auch nicht von anderen Gebäuden, sondern von der Natur inspirieren. In der Mode lassen sie sich vielleicht von der Architektur inspirieren. Es ist wichtig seine Einflüsse von etwas anderem zu holen, als von dem, was man tatsächlich macht. Dadurch entsteht etwas Neues.

Wie gehst du ans Musik machen heran? Was entsteht bei dir zuerst: Text oder Musik?
Das ist unterschiedlich. Ich arbeite ja mit Nik LeClap zusammen. Manchmal schickt er mir Musik und ich schreibe darauf einen Text und manchmal zeige ich ihm schon fertige Texte und er erarbeitet dann den Beat. Oder wir arbeiten zusammen daran.

Was ist Musik für dich? In maximal drei Worten.
Musik ist Leidenschaft. Ich finde, es ist verdammt wichtig im Leben, eine Leidenschaft zu haben. Das muss nichts krass künstlerisches sein, das kann auch so etwas sein, wie Briefmarkensammeln. Eine Leidenschaft ist die Liebe zum Leben und das sollte jeder Mensch finden.

Auf der Bühne zu stehen ist für Musiker bekanntlich das Größte. Aber wie ist denn das Gefühl für dich, auf der Bühne zu stehen? Was genau fühlt sich daran so toll an?
Es fühlt sich so krass gut an, weil alle Leute auf dich gerichtet sind. Und sie erwarten etwas von dir. Dieser Moment, in dem du dein erstes Lied anfängst, ist so krass. Die Menschen, die etwas erwarten, bekommen genau in diesem Moment etwas. Du gibst ihnen das, was sie erwartet haben. Wenn du diesen Moment überschritten hast, dann fließt alles nur noch. Du hast jetzt diese Musik, die du gemacht hast und du hast das Publikum. Und jetzt siehst du in den Augen von jedem Einzelnen, wie die Musik auf ihn wirkt. Das ist das beste Feedback, das du haben kannst.

Welche Erfahrungen hat dir die Musik gegeben?
Im kreativen Bereich hat man immer diese Vorstellung: Du machst was und irgendwann ist es dann fertig. Aber ich habe gelernt, dass ich immer wieder loslassen muss und Dinge überarbeiten muss, auch wenn ich schon geglaubt habe, das Endprodukt wäre fertig. Ich habe gelernt, mich auf andere Leute einzulassen, auf die Meinung von andern zu hören. Man wird kritikfähiger. Das habe ich durch das Musik machen gelernt.

Hast du was aus dem Musik machen gelernt?
Ich habe gelernt, dass es wichtig ist, nicht zu viel nachzudenken, sondern zu machen. Viele Leute haben Träume und „zerdenken“ sich das. Haben vielleicht Angst, dass sie nicht gut genug sind, dass es eh nichts bringt. Aber es geht nicht ums Denken, es geht einfach nur ums Machen. Mach, mach, mach! Irgendwann wirst du für die Arbeit, die du gemacht hast, dann auch belohnt. Also hör’ auf zu denken und mach einfach!

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Fotos: (c) Nils Schwarz

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