Kultur, Nach(t)kritik

Teenie-Gekreische vs. Mittelfinger hoch

Birgit Buchart

casper

Am 8. April füllte Casper zum zweiten Mal das Zenith in München mit seinen großen und kleinen Fans. Schon am Nachmittag versammelten sich die ersten nervösen Mädchen im Regen vor der Halle. Sind wir wieder in den Neunzigern bei den Backstreet Boys? Ein oder zwei Mal konnte man das an diesem Abend schon glauben…

Vor allem als der aus dem Metalcore stammende Musiker ganz Popstar-like abwechselnd die Mädchen kreischen und die Jungs grölen ließ. Ersteres in unerträglicher Frequenz natürlich. Aber mal ganz von Anfang. Wie immer auf der Hinterland Tour stimmt vor Beginn des Konzertes Coldplay mit „Fix you“ ein und lässt die Nervosität ans oberste Level steigen. Dann: Lichter aus. Gekreische los. Von diesem Moment an können sich die ersten Reihen nicht mehr halten. Der Bielefelder springt und tobt über die Bühne und heizt den Münchnern zum zweiten Mal in wenigen Wochen so richtig ein. Besonders beeindruckend: Statt Backdrop bringt die Band auf diese Tour gleich mal riesige LED-Bildschirme mit. Vielleicht um dem Meer aus Handydisplays gegen zu steuern, wer weiß. Hinter und über (!) ihren Köpfen unterstreichen bewegte Bilder die Stimmungen der unterschiedlichsten Songs. Stilvolle Aufnahmen aus dem Süden der USA, wo Caspers Videos zum Album „Hinterland“ gedreht wurden, Schriftzüge oder einfach nur stimmungsvolle Farben. In Sachen Licht und Bühnenbild ist Cas in der obersten Liga angekommen, so viel steht fest. Musikalisch sieht es nicht viel anders aus: Hinter Casper alias Benjamin Griffey liegt eine lange musikalische Geschichte, die ihn durch die verschiedensten Genres trieb.

Metalcore, Hip Hop, Rock – all diese Gegensätze verpackt er in ein Gesamtkonzept, das mittlerweile landesweit kopiert wird – weil es funktioniert. Das beweist einmal mehr seine Show im Zenith. Das Publikum durchläuft im Prinzip alle Emotionen, die ein Konzert so erschaffen kann. Von der Wall of Death und Springen mit dem Mittelfinger in der Luft bis hin zu Tränen bei Songs wie „Michael X“. Casper schnippt mit den Fingern und die Masse folgt seinen Ansagen. Klar, im Vergleich zu Auftritten vor wenigen Jahren, ist schon eindeutig: Die Performance ist bis ins kleinste Detail durchdacht und geplant. Spontane Aktionen darf man bei einem Casper Konzert heute nicht mehr erwarten. Trotzdem: Die Reaktionen im Zenith sind der Beweis. Gesamtkonzept Casper war 2012 kein einmaliger Hype – es funktioniert. Und zwar gleich in den unterschiedlichsten Zielgruppen. Ob auf Dauer die Whoo-Girls alle restlichen Pogo-Jungs vertreiben werden wir sehen. Dieses Mal waren sie noch da – zwar schon in die letzten Reihen gedrängt, aber dennoch: Die älteren, männlichen Fans waren doch noch stärker vertreten als vermutet.

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