Kultur, Nach(t)kritik

Freedom in our time?

Friederike Nickel

Es packte mich sofort, als ich das Plakat für die Mandela Trilogy mit einem der vertrautesten Gesichter unserer Zeit entdeckte. Ich wurde sehr aufgeregt: Eine Oper über das Vorbild meiner Jugend, mein Symbol für die Verständigung der Kulturen? Ich stutzte und erinnerte mich daran, dass das Bild meines Freiheitshelden in den letzten Jahren bröckelte. Weil ich ihn mit einer Bewegung verwechselt hatte, die noch lange nicht erfolgreich beendet ist. Deshalb befand ich mich dann in einer etwas unentschiedenen Stimmung zwischen Vorfreude und Skepsis, als ich mich letzte Woche ins neu renovierte Deutsche Theater bewegte.

Aubrey Poo als Mandela  (c) Florian Staron

Aubrey Poo als Mandela (c) Florian Staron

Es beginnt im Gefängnis. Und das bleibt während der gesamten Geschichte präsent, die der Gefängnis-Mandela den Zuschauern erzählt: Man wird vom rostroten Robben Island zu den Wurzeln ins Grüne der Transkei zurück geführt, begleitet dann den jungen Mandela beim Ausbruch aus der Enge seiner Jugend auf dem Land zu den glitzernden Verheißungen der Großstadt. Dort beginnt im Jig Club in Sophiatown die Revolution – getrieben von zumeist sorglosem, manchmal melancholisch schimmerndem Jazz.

Hier zeigt sich das Potential der Mandela Trilogy, das eindeutig in der Musik liegt. Die Entwicklung Mandelas ist eng mit der musikalischen Komposition verwoben – von den Münchner Symphonikern und dem Ensemble der Cape Town Opera beeindruckend performt. Zwei verschiedene Komponisten haben die drei Akte gestaltet, und so ist eine musikalische Collage aus traditioneller Xhosa Musik, Jazz und zeitgenössischer Oper entstanden. Diese Mischung macht die Mandela Trilogy so schwer definierbar – Oper, Musical, Operette, oder nichts dergleichen? Die musikalische Undefinierbarkeit ist eine Chance, die Vielschichtigkeit und Komplexität nicht nur Nelson Mandelas, sondern auch die vielen Seiten, Erfolge, Krisen und offenen Fragen der Revolution zu spiegeln. Leider wird sie größtenteils nur angetastet, bleibt an der Oberfläche. Aber wir spüren, dass wir Nelson Mandela nicht wirklich kennen.

Winnie (Siphamandla Yakupa) und Mandela (Aubrey Poo)  (c) Florian Staron

Winnie (Siphamandla Yakupa) und Mandela (Aubrey Poo) (c) Florian Staron

Es begegnet uns ein charismatischer Anführer, der der Verantwortung für seine eigene Familie nicht gerecht wird – seine ersten beiden Ehen scheitern, als Vater ist er oft abwesend. Natürlich hindert ihn die lange Zeit im Gefängnis daran, für seine Familie da zu sein – was aber keine Entschuldigung ist, denn auch in Freiheit schien für Mandela die Bewegung immer wichtiger zu sein als die eigene Familie. In langen, dramatischen Gefängnisszenen im dritten Akt werden die Selbstzweifel angedeutet, die ihn quälen – doch dann wird Mandela freigelassen und begibt sich wieder in die Außenwelt. Er versöhnt sich im Handschlag mit seinem Gefängniswärter und tritt auf den Balkon, wo er eine mitreißende Freiheits-Rede hält. Die Masse jubelt – der Vorhang fällt.

Mandela (Aubrey Lodewyk) hält seine erste Rede als freier Mann auf der Grande Parade  (c) Florian Staron

Mandela (Aubrey Lodewyk) hält seine erste Rede als freier Mann auf der Grande Parade (c) Florian Staron

Plötzlich ging alles so schnell. So sehr mich die swingende Aufbruchstimmung des Revolutions-Jazzclubs mitgerissen hat, so verwundert lässt mich die zackige Freiheitserklärung am Ende zurück. Ich komme mir überrumpelt vor. Natürlich ist der Optimismus am Ende angebracht – die Apartheid wurde überwunden, Mandela ist frei und wird zum ersten schwarzen Präsident Südafrikas. Aber der Eindruck, die Geschichte wäre damit zu Ende, ist falsch: Hier geht es weiter und die Frage muss im Raum stehen, was nach der Revolution passiert. Da wäre die Chance gewesen, ein offenes Ende zu wagen, ein Fragezeichen zu setzen und wenigstens einen Wink mit dem Zaunpfahl auf die heutige Situation zu geben.
Diese Verwirrung begleitet mich, als ich hinausgehe, um den nächsten Jazzclub zu suchen und leise die Melodie von „Freedom in our time“ aus dem zweiten Akt mitsumme.

Die Mandela Trilogy – A Folk Opera On The Life Of Nelson Mandela war vom 04. bis 15. Juni 2014 zu Gast im Deutschen Theater.

“African Songbook” (ursprünglicher Titel) wurde erstmalig am 17. Juni 2010 im Artscape Opernhaus in Kapstadt aufgeführt.

Musik: Péter Louis van Dijk, Mike Campbell
Buch & Texte: Michael Williams
Dirigent: Albert Horne
Direktor: Michael Williams
Bühnenbild & Kostüme: Michael Mitchell
Choreographie: Sibonakaliso Ndaba

Cape Town Opera Chorus
Leiter: Albert Horne
Münchner Symphoniker

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