Kultur, Live

“Das Haus der Kleinen Künste ist einfach mein Baby”

Zentral im Gärtnerplatzviertel gelegen floriert das Haus der Kleinen Künste mit einem bunten Blumenstrauß von Bildender Kunst, Design, Theater, Lesung, Performance und Musik. Die Fäden laufen hier zusammen: Im Kopf von Bahar Auer, Gründerin und Chefin der Off-Szene-Institution. Ein Interview.

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Beginnen wir mit dem Allgemeinen. Was ist das Haus der Kleinen Künste für eine Institution? Woraus besteht diese kleine „Firma“?

Das Haus der Kleinen Künste besteht aus zwei oberirdischen Räumen und dem Keller der Kleinen Künste, der später dazu kam. 2007 im Februar habe ich angefangen diese Plattform zu koordinieren. Meine Vorstellung war, eine Ausstellungsfläche zu schaffen, wo sowohl Design, Bilder, Kunst als auch Kunsthandwerk zu sehen sind. Hier oben finden die Ausstellungen statt, meistens zwei.

Zum einjährigen Jubiläum hatten wir ein Konzert im Schaufenster mit Roland Aust von Kapelle Koralle – Roland Aust hat auch bei La Traviata, das letztens im Keller Premiere hatte, die Musik gemacht. Daraufhin gab es immer mehr Anfragen, ob man hier nicht nur Bildende Kunst machen kann, sondern auch darstellende, Musik usw. So kam es, dass ich den Keller dazu gemietet habe. Ein vollständiges Haus.

Wie läuft das alles ab? Was ist das Konzept?

Wir haben einen gemeinnützigen Verein gegründet: Haus der Kleinen Künste e.V. Ich habe die kuratorische Leitung inne und dazu gibt es unterschiedliche Leute, die andere Bereiche abdecken und kuratieren: Kunst, Theater, Lesungen, Film, Konzerte. Wir setzen uns zusammen, besprechen das Jahr und unterm Monat treffen wir uns, um zu schauen, wie wir Abenddienste etc. verteilen.

Ladet ihr die Künstler ein oder kommen die mit Anfragen zu euch?

Anfang 2007 musste ich gar keine Akquise betreiben, da ich sehr viel Presse bekommen habe. Anscheinend gab es vor sieben Jahren solch eine Mischung von zeitgleich ausgestellten unterschiedlichen Formen von Kunst nicht, die ich mit dem Haus geplant hatte. Ich bekam einen Artikel in der SZ, daraufhin sind viele Kreative aufmerksam geworden. Das hat sich herumgesprochen. Die Kuratoren, die unter mir arbeiten, haben auch so angefangen und sind dann immer mehr ein Teil von dem Ganzen geworden.

Koordiniert ihr euch auch spontan?

Nee, wir planen eigentlich das komplette Jahr. Wenn wir die Projekte zusammen haben, können wir dann auch im Voraus Fördergelder beantragen.

Möchtest Du ein bisschen über den kommenden Spielplan erzählen?

Wir fangen mit einer Doppelvernissage am 11. September an: Stadt und Seele und Face. Weiter geht es mit einer Performance im Keller. Gleichzeitig wird im Team Theater La Traviata wiederaufgenommen. Diese Zusammenarbeit kam zustande, weil ich dort das Künstlerische Betriebsbüro leite und die Öffentlichkeitsarbeit mache.

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Gab es davor schon einmal Kooperationen vom Haus der Kleinen Künste mit anderen Institutionen in München?

Rationaltheater…? Oh, ich weiß gar nicht, ob wir alles, was hier gezeigt wurde auch dort gezeigt haben. (lacht) Viele Leute aus dem RT sind auch bei uns aktiv und umgekehrt. In den letzten Jahren sind wir aber immer wieder Kooperationen mit anderen Vereinen und Institutionen eingegangen. Bei Beschreibung eines Kampfes nach Kafka im Rationaltheater hatten wir hier ein Begleitprogramm: Kafkas Potpourri der guten Laune. Zudem haben wir auch den Keller zum Filmen und Proben zur Verfügung gestellt. In der Vetternwirtschaft in Rosenheim haben wir manchmal Gastspiele. Unter anderem wird La Traviata nächste Spielzeit dort gezeigt.

Du hast schon ein bisschen erzählt, wie alles angefangen hat. Aber wie genau bist du darauf gekommen, diese Plattform zu gründen?

Das war ein Traum von mir, schon während des Studiums. Ich habe viele Kreative in meinem Bekanntenkreis und ich fand es sehr schade, dass die räumlichen Möglichkeiten gefehlt haben. Man ist auf Märkte gegangen – aber eine Location, wo man unterm Jahr ausgefallene Sachen aus allen möglichen Bereichen zeigen konnte, gab es nicht. Das wollte ich schon immer: so eine Location. Alles in einem Raum. Das war ein Traum, bei dem jeder zu mir gesagt hat: „Du spinnst ja, das kannst du doch nicht machen!“ (lacht)

Du hast es gemacht.

Ja. Ich habe während meines Studiums in einer Firma in Teilzeit gearbeitet und nach dem Studium haben sie mir ein Angebot gemacht: „Es ist schön, dass Sie bei uns sind, noch viel schöner wäre es, wenn Sie nicht mehr bleiben“, inklusive Abfindung. Ich habe die Abfindung genommen und sie hier reingesteckt. Jetzt oder nie, dachte ich mir.

Was hast Du denn studiert?

Ich habe Geschichte studiert. Und im Nebenfach Wirtschaftsgeographie und Psychologie. Und ein bisschen Kunstgeschichte. Mein Schwerpunkt war Nahost-Geschichte.

Kommst Du von hier?

Ich bin hier aufgewachsen, komme aber aus dem Iran. Einer der Gründe, weshalb wir letztes Jahr ein Iran-Festival gemacht haben. Ein Wochenende lang wurde iranische Kunst gezeigt, Theater und Musik gespielt. Es ging hauptsächlich um Zensur im Iran. Es gibt ein Buch von Shahriar Mandanipur: Eine iranische Liebesgeschichte zensieren, das im Ausland in den Druck ging und die Stellen, die im Iran zensiert worden wären, waren darin durchgestrichen. Daraus haben wir die Produktion Teheran, mon amour gemacht. Eine Kooperation mit der Pasinger Fabrik und der LMU unter der Leitung von meiner Ex-Dozentin Frau Dr. Catanzaro.

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Was genau ist jetzt eigentlich Dein Beruf?

(lacht) Ziemlich schnell habe ich gemerkt, dass das zwar eine Berufung ist, aber kein Beruf. Deshalb habe ich den Verein mit neun weiteren Interessierten gegründet. Dazu habe ich noch einen Job im Teamtheater. Aber das Haus der Kleinen Künste bleibt mein Baby. Hauptsache es trägt sich. Das hat es von Anfang an. Aber davon zu leben, ist nicht möglich. Die Arbeit ist praktisch ehrenamtlich. Wir können temporär Gagen bezahlen, wenn wir einzelne Projektförderungen haben, aber keine monatlichen, festen Gehälter.

Außerdem sind wir hier in der Buttermelcherstraße in zentraler Lage. Klar, dass die Mieten entsprechend hoch sind. Trotzdem sind wir sehr glücklich, dass wir hier sind. Es macht ja sehr viel Spaß. Ich hänge extrem an dem ganzen Ding. Es ist mein drittes Kind (lacht). Es steckt sehr viel Herzblut drin. Es war anstrengend, vor allem am Anfang. Man ist ständig in Sorge, ob alles klappt. Was ist, wenn etwas schief geht, die Nachbarn, die Lautstärke…

Aber es ist doch auch was Tolles für das ganze Viertel.

Absolut. Und mein Vermieter hat mich immer unterstützt. Am Anfang hat er gesehen, dass wir aus allen Nähten platzen – die Ausstellungen sind immer sehr voll – und er meinte, ich solle mal mitkommen und hat mich in den Keller geführt. Ich weiß noch, wie ich da runter gegangen bin… (sinniert)… es gibt beim Keller zwei Möglichkeiten: Entweder man hasst ihn oder man liebt ihn. Ein feuchter Altbaukeller – aber ich war einer der Menschen, die sich sofort in ihn verliebt haben.

„Hallo!“, eine Dame betritt die Galerie und interessiert sich für die kleinen Figürchen, die überall herumstehen. Jetzt muss ich noch kurz dazu kommen: Meine neuen Untermieter heißen Youlittle und die machen diese kleinen 3D-Figuren. Man kann sich scannen lassen und dann fertigt Youlittle eine eins zu eins Figur an. Soll ich dir meine zeigen? Bahar zeigt mir ihre Figur. Sie ist nicht so hübsch wie die echte Bahar, aber faszinierend, was 3D-Drucker alles können…

Wir haben über den Keller gesprochen…

Ja, richtig, als ich ihn zum ersten Mal betreten habe, war er lange unbenutzt. Der ganze Boden lag voll mit Laub, aber ich sagte zu meinem Vermieter: „Ich nehm den Keller. Sofort.“ (lacht) Als ich das meinem Mann erzählt habe, meinte er: „Du spinnst.“ Ich darauf: „Doch, ich muss das machen. Ich muss.“ Ich war wie besessen.

Als erstes musste ich aber den Besen zur Hand nehmen, was dazu geführt hat, dass überall nur noch Staub war. (lacht) Aber es war irgendwie magisch und so hat mich dieser Keller total vereinnahmt. Jedes Mal, wenn ich runtergehe und irgendwas anderes stattfindet – Performance, Theater, Ausstellung – sieht er anders aus. Es ist klasse, dass er so wandelbar ist.

Letzte Woche hattest Du einen Graffiti-Kurs hier. Macht ihr regelmäßig Kinderprogramm?

Seit längerem stehen wir im Ferienpass mit einem Programm. Einmal im Jahr, immer die erste August-Woche. Das erfolgt in Zusammenarbeit mit einem anderen Künstler und dieses Mal hatten wir einen Graffiti-Sprayer, den Kult. Er ist recht bekannt. Zum Beispiel hat er die Unterführung am Friedensengel mitgestaltet.

Er hat den Kurs künstlerisch geleitet. Wir hatten 12 Teilnehmer und es war ein Riesenerfolg. Die ganze letzte Woche hatten wir jeden Tag den Graffiti-Kurs und haben das am Ende auch im Keller ausgestellt. Die Bilder wurden dort versteigert. Die Hälfte der Einnahmen haben die jeweiligen Kinder bekommen – da sind ganz tolle Arbeiten entstanden.

Die andere Hälfte haben wir an Kindertafel Glockenbach gespendet. Und es war nicht unbedingt so, dass dann der Opa das Bild gekauft hat, sondern es gab Leute, die wollten dann ein Bild unbedingt haben, sich in den Flur hängen. Ein Kind war schon sehr traurig, weil es sich erhofft hatte, dass die Eltern das Bild ersteigern, weil es das selbst haben wollte, aber da war nichts zu machen. (lacht)

Das war eine einmalige Sache. Wie schaut denn der tagtägliche Alltag einer Bahar Auer aus?

Es ist viel Aufwand, vor allem das Bürokratische. Projekte einreichen, Kalkulationen aufstellen, alle Bewerbungen durchlesen, Anträge rausschicken, die ganze Orga-Geschichte. Es ist enorm viel. Aber mein Mann ist eine große Unterstützung für mich. Donnerstags und samstags bin ich vor Ort. Ansonsten arbeite ich von zu Hause. Dazu kommen feste Zeiten am Theater. Ich arbeite eigentlich mehr als Vollzeit, aber eben nicht mit festen Zeiten. Die muss man sich selbst einteilen.

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Was wünschst Du Dir für das Haus für die Zukunft?

Mein Ziel war immer, dass es eine Art Institution wird. Ich glaube, wir sind auf dem besten Weg. Eigentlich bin ich aber sehr glücklich, wie es jetzt ist. Wir haben ganz viele tolle Leute, die das hier genauso als einen Teil von sich sehen – das war immer mein Wunsch, dass nicht nur ich so besessen bin davon. Dass es wichtig ist, dass es etwas wie das Haus der Kleinen Künste gibt. Es gibt so viele, die das unterstützen und nicht hier vor Ort sind, aber z.B. Mitglied im e.V. Ich würde mir wünschen, dass die, die hier fix vor Ort sind und sich toll um ihre Bereiche kümmern, feste Gehälter bekommen. Das wäre mein Traum. Das würde mich sehr glücklich machen.

 

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