Kultur, Live

„Wenn man Gegenwind spürt, ist man zumindest in Fahrt“.

Thomas Steierer

Max Uthoff

Den zynischen Advocatus diaboli gibt Max Utthof, der Jurist unter den Kabarettisten, nur auf der Bühne. Seit Februar leitet der Münchner Kabarettist, Jahrgang 1967, gemeinsam mit Claus von Wagner das monatliche ZDF-Satireformat „Die Anstalt“. Mit seinem neuen Bühnenprogramm „Gegendarstellung“ feiert er am 13.Oktober München-Premiere im Lustspielhaus, weitere Termine ebendort am 14.10. sowie am 3. und 4. 11. folgen. Im Interview spricht der Kabarettbühnenbetreibersohn, inzwischen selbst Familienvater, über dumme Werbung, das Erfolgsgeheimnis der „Anstalt“, Grenzen der Satire sowie Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Jura und Kabarett.

 

Ihr drittes Soloprogramm heißt „Gegendarstellung“. Wenn man den Titel wörtlich nehmen will: Was wird dargestellt, gegen wen oder was richtet sich Ihr neues Programm, was sind die großen Themen, lässt sich ein roter Faden in wenige Worte fassen?

Kabarett ist immer eine eigene Version der Dinge. Ich mag es, einen gedanklichen Faden zu spinnen der sich aber um verschieden Themen windet. Es geht wie immer um heitere Dinge wie Drogenkonsum oder Technik aber auch um Schwermütigeres wie Waffengeschäfte oder Volker Kauder. Meine Darstellung richtet sich gegen die Verlautbarungen des Systems, die so lange nachgeplappert werden bis alle sie für gültig halten.

 Politisch, gesellschaftlich und im Alltag: Was nervt Sie persönlich aktuell am meisten?

Gerne mal dumme Werbung. Der neue Prospekt einer bayerischen Metzgerei-Kette. Vorne drauf schaut einem eine wunderschöne, süße Kuh in die Augen. Drüber steht: So schmeckt Heimat. Wie genau? Wie die Ohren, die Lippen, die Augen? Das Futter kommt dann vielleicht aus Südamerika. Hallo Heimat!

 Worüber können Sie sich besonders freuen?

Gerne mal dumme Werbung. Eine der größten bayerischen Bäckerei-Kette, die vor einiger Zeit wegen unhaltbarer hygienischer Zustände geschlossen werden musste, wirbt seit einiger Zeit mit dem Spruch: Müller Brot. Endlich wieder das Original. 

Seit Anfang 2014 sind Sie in die Fußstapfen von Urban Priol und Frank-Markus Barwasser getreten, als zuvor gelegentlich eingeladener „Anstaltsanwalt“ sind Sie nun ZDF-„Anstalt“-Leiter. Wie ist Ihre Herangehensweise, Philosophie, was wollen Sie mit dem Format bieten?

Zunächst mal wollen wir, wie unsere Vorgänger, die Leute intelligent unterhalten. Die Reduzierung auf ein oder zwei Kernthemen erlaubt es uns dann aus verschiedenen Blickwinkeln auf ein Thema zu schauen und weil wir so wilde Haudegen sind mischen wir auch noch ein bisschen altmodische Aufklärung mit rein.

Was schätzen Sie an der Zusammenarbeit mit Ihrem Co-“Anstalt“-Leiter Claus von Wagner besonders, was ist das Erfolgsgeheimnis der gemeinsamen erfrischenden neuen „Anstalt“-Leitung?

Diese Sendung wird von drei Leuten erdacht. Dietrich Krauss, Co- Autor und journalistisches Trüffelschwein mit tollen Ideen, Claus von Wagner, einem hervorragenden Kollegen, der nicht nur Pointen setzen sondern auch noch richtig gut spielen kann und mir, der immer die Schokolade mitbringt. Vielleicht klappt es deswegen recht gut weil sich der Riesenspaß, den wir bei der Arbeit haben auf die Sendung überträgt.

Wie gestaltet sich der gemeinsame Arbeitsprozess an der monatlichen Show?

Wir treffen uns früh, sehr früh. Das Ergebnis: es sammeln sich so viele Ideen und Texte, dass wir aus den möglichen drei Sendungen dann eine schnitzen müssen. Wir brauchen also entweder dreimal so viel Sendezeit oder dreimal so viel Gehalt. Wahrscheinlich müssen wir aber weiter schnitzen.

 Das Programmtitel-Thema Gegendarstellung ist omnipräsent, nach einstweiliger Verfügung gegen die „Anstalt“-Sendung Ende April. Zwei ZEIT-Journalisten wehren sich gerichtlich gegen Ihre Aussage , der Herausgeber würde als Mitautor eines Strategiepapiers zur Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik, das in der Wochenzeitung ZEIT wohlwollend kommentiert wurde, Lobbyismus-Journalismus betreiben. Generell: Wie ordnen Sie Gegenwind ein, wie gehen Sie damit um?

Wenn man Gegenwind spürt, ist man zumindest schon mal in Fahrt. Wir freuen uns darüber dass „die Zeit“, uneitel wie sie ist, das Thema journalistische Unabhängigkeit mit Nachdruck in die Öffentlichkeit gebracht hat.

Über ihre Sendung äußerten Sie und der Kollege von Wagner: “Jegliche Ähnlichkeit mit aktueller Berichterstattung ist weder beabsichtigt noch zufällig, sondern unvermeidbar”. Was sind die Grenzen der Satire, darf Satire „Tatsachen verzerren“, wie der Vorwurf seitens der ZEIT lautete?

Wo die Grenze der Satire liegt kann ich nicht sagen, ich bin noch auf dem Weg dahin. Und zu den Vorwürfen der ZEIT möchte ich nichts sagen, da es sich noch um ein nicht ganz beendetes Verfahren handelt.

 Sie sind Volljurist, haben in einer Baurechtskanzlei gearbeitet. Mitte der Nullerjahre, mit 39 Jahren, standen Sie zum ersten Mal als Solist auf der Kabarettbühne im kleinen „Wohnzimmertheater“ in Köln beim Open-Stage-Abend. Was war und ist Ihre Motivation für Kabarett statt Jura und Job in Baurechtskanzlei, hypothetisch, wie würde es dem heutigen Anwalt Max Uthoff ergehen?

Man kann auf Dauer nur wirklich gut machen was einen mit Freude erfüllt. Und, sagen wir es so, Baurecht war es nicht. Meine wundervolle Frau hat mir damals gesagt: „Wenn Du jeden Tag als Anwalt im Anzug unglücklich aus dem Haus gehst, verlasse ich Dich“. Das wollte ich nicht riskieren. Dass ich heute bei der Arbeit auch Anzug trage, übersieht sie mit Nachsicht.

 Welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Kabarettistenjob und Juristenberuf lassen sich in Kürze nennen? Inwieweit ist Ihr juristischer Hintergrund diesbezüglich von Vorteil, bzw. von Nachteil?

Bei Jura lernt man Urteile zu fällen über Dinge von denen man kaum etwas versteht. Da ist es nur ein ganz kleiner Schritt zum Kabarett. Was aber wirklich geholfen hat ist, dass man bei Jura gezwungen wird Texte sehr genau zu lesen.

Sie sind bereits von Kindheit an mit der Kleinkunstszene in Kontakt gekommen. Ihr Vater hat 1965 in München-Schwabing das Rationaltheater eröffnet. Sie arbeiteten früh mit, an Garderobe, Theke und Technik, mit 17 waren Sie Ensemblemitglied. Ganz kurz: Was haben Sie seinerzeit gelernt, worauf es ankommt in der Branche, was sollte man vermeiden?

Was mir meine Lehrjahre gebracht haben waren vor allem Souveränität, Timing und Professionalität. Das Ding durchziehen auch wenn der Abend mal nicht so läuft wie man sich das vorgestellt hat. Was man vermeiden sollte, merkt dann jeder der es versucht, ganz schnell selbst.

Ausblick: Von Kabarettisten wird gerne erwartet, dass Sie für Weltfrieden eintreten. Gibt es nicht doch die Hoffnung auf bessere Welt, wenn ja, unter welchen Bedingungen? Wonach „streben“ Sie persönlich, im Hinblick auf Ziele und Wünsche?

Na, für die Welt sieht es nicht so gut aus. Statistisch werden mehr Jungs als Mädchen geboren und wenn sich die Evolution mehrheitlich für dieses simpel-aggressive Geschlecht entscheidet, dann gute Nacht. Von Zielen und Wünschen ist ohnehin abzuraten. Das Beste passiert eh zufällig, die Kunst ist, es auch zu merken.

 

 

Foto: Michel Neumeister

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