tagebook von Try - Bukowski - Versucht

Das Theater scheint ein Ausweg zu sein

Juliane Becker

Nach Caesar haben Nachwuchsregisseur Danijel Szeredy und sein Team ein weiteres Projekt auf die Beine gestellt: Try – Bukowski – Versucht ehrt einen Schriftsteller, dessen Lebensinhalt von Leidenschaft, Exzess und Wut geprägt war.

Dieses Mal jedoch befinden wir uns nicht im muffeligen Keller der Kleinen Künste, sondern im Rationaltheater. Die roten Wände, die Plüschsessel, die Bar aus dunklem Holz, diese Mischung aus Kaschemme, Puff und Salon, das ist es, was die Atmosphäre realistisch macht. Und wenn er, der große Charles Bukowski, damals nach München gekommen wäre, dann hätte er wohl hier seine Lesung gehalten. Er wählte aber Hamburg als Ort des Geschehens, 1978 trat er im Zuge seiner Ochsentour  in der restlos ausverkauften Markthalle auf und begeisterte tausende Menschen mit seinen Gedichten.

Charles “Hank” Bukowski war vor allem eines: eine destruktive Persönlichkeit. Alkohol, zahlreiche gescheiterte Beziehungen und sein weitreichender Welthass machten ihn zum enfant terrible der Schriftstellerszene. Noch nach seinem Tod ließ er seinem Zynismus freien Lauf: DON’T TRY steht auf seinem Grabstein. Versuch’s nicht erst.

© Laura Spes

© Laura Spes

Das Team um Szeredy versucht es trotzdem. 36 Jahre später, mit wenig Mitteln, viel Talent und flaschenweise Weißwein. Aus Tagbuchschnipseln, Videoaufzeichnungen, Prosafragmenten und Selbstgeschriebenem bastelt es das Portrait eines Künstlers, der immer auf der Suche war. So wie die Theaterschaffenden selbst offenbar auch; “in seinen Texten gibt es Momente der Wiedererkennung, die uns faszinieren; sie skizzieren ein Grundgefühl von ambivalenter Einsamkeit und Heimatlosigkeit, mit dem wir uns zu großen Teilen und in hohem Maße identifizieren können.”, heißt es im Programmheft.

Und so suchen sie, in Paris, in Andernach, in Hamburg und Kalifornien und nehmen den Zuschauer mit auf einen mit traurigen Klavierklängen untermalten und schwer alkoholumnebelten Trip. Man verliert sich leicht in der Romantik des Schriftstellerdaseins. Es hat was, dieses Bukowski-Leben. Die aus der Verzweiflung geborene Lust am Schreiben, das Lotterleben mit den Ladies, der Hass, der Rausch.

bu

© Laura Spes

I was drawn to all the wrong things: I liked to drink, I was lazy, I didn’t have a god, politics, ideas, ideals. I was settled into nothingness; a kind of non-being, and I accepted it. I didn’t make for an interesting person. I didn’t want to be interesting, it was too hard. What I really wanted was only a soft, hazy space to live in, and to be left alone.

Nothingness – was für ein akkurates Wort. Identifikationspotential für unsere verlorene Generation hat es eindeutig. Deswegen sympathisiert man auch stark mit diesem abgefuckten, fremdgehenden Chauvinisten, der er ist. So lange, bis ein Videomitschnitt eingespielt wird, der Bukowski und seine große Liebe Linda Lee zeigt. Also den echten, wahren, großporigen Charles Bukoswski. Von Liebe ist da nicht viel zu spüren, er tritt, beschimpft und verhöhnt die zarte Frau neben ihm, sein Gesicht rötet sich vor Wut. Es ist wie ein Schlag ins Gesicht. Hinfällig ist der romantisch verklärte Postpessimismus, vergessen die Sympathie. Es bleibt das verzerrte Bild des selbsternannten Dirty Old Man, welcher alles Leben um sich herum verachtet. Und die Erinnerung an fünf exzellente Schauspieler, die professionell mit ihren Rollen jonglieren. Fast dokumentarisch anmutende schnelle Szenenwechsel, panisch echt wirkende Wutanfälle, lautes Flaschenklirren; es fügt sich alles zu einem Kunstwerk zusammen. Es ist keine Huldigung, keine Karikatur des Ausnahmepoeten Bukowskis, sondern mehr eine feinsinnige Interpretation des vorhandenen Materials.

Diese Inszenierung ist wie der Wein, den Bukowski so liebte: zu viel davon würde Kopfschmerzen verursachen. Nach diesem zweistündigen Abend verlässt man das Theater aber allenfalls mit einem angenehmen Schwips. Gratulation zu einem äußerst gelungenen Stück.

Mit: William Newton, Lev Semenov, Isabel Will, Naima Laube und Danijel Szeredy

Weitere Vorstellungen am 29.10., 30.10., 12.11., 13.11., 14.11.2014 jeweils um 20 Uhr. 16/8 Euro
Im Rationaltheater
Hesseloherstraße 18
80802 München
Reservierungen unter: bukowski@rationaltheater.de

Ähnliche Artikel

No Comments

Post A Comment

Simple Share Buttons
Simple Share Buttons