tagebook vom Tollwood Weltsalon

Tollwood Weltsalon: Katharina Bianca Mayrhofer im Interview

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Mit Smartphones und Kopfhörern in eine Parallelwelt abtauchen. Eine Performance der besonderen Art im Weltsalon auf dem Tollwood-Festival greift dieses Phänomen auf. Das Audioteatro „The Bubble“ schafft in Anlehnung an das neue Konzept des Weltsalons eine spannende Form des Theaters ohne Bühne. Dabei wird der Besucher zum Performer und gleichzeitig Zuschauer seiner eigenen Performance. Ein MP3-Player mit zwei Kopfhörern ermöglicht es, zu zweit für 30 Minuten in eine Parallelwelt abzutauchen. Eine Performance mit Schauspielern, die keine sind, ein Publikum das gleichzeitig Zuschauer und Performer in einem ist, und das mit einer Regisseurin in Abwesenheit – Katharina Bianca Mayrhofer, Regiestudentin an der renommierten Otto Falckenberg Schule, hat dieses Theaterexperiment konzipiert und erklärt im Interview, was es mit ihrer Performance „The Bubble“ auf sich hat.

Yeliz Soytemel: Den Begriff Audioteatro haben wir zum ersten Mal gehört. Kannst du uns das Konzept dahinter erklären?

Katharina Bianca Mayrhofer: Das Konzept der Performance habe ich von einer Künstlerin, mit der ich im Theaterwissenschaftsstudium zu tun hatte: Es geht darum Theater füreinander zu spielen. Es gibt immer zwei Leute, die keine Schauspieler und auch keine Performer sind, nicht einmal einen Text haben. Sie kommen mit nichts an. Bei dieser Künstlerin bekamen die Leute ihre Anweisungen mal über Zuruf, mal über Zettel, Zeichen auf dem Boden oder eben über Kopfhörer. Darum geht es auch beim Audioteatro. Der Name leitet sich davon ab, dass in diesem Theaterstück die Anweisungen nur über Kopfhörer gegeben werden.

Lisa Marie Albrecht: Hören dann beide Teilnehmer das gleiche?

K: Die beiden Teilnehmer haben verschiedene Tonspuren. So hat jeder für sich ein Erlebnis, und gleichzeitig beide miteinander. Ich versuche, die Leute in einen Dialog zu bringen. Zum einen sind sie vollkommen losgelöst von sich: Die Performance geschieht nicht aus eigener Motivation, es ist alles fremd. Andererseits sind sie auch völlig auf sich zurückgeworfen. Das ist eine wichtige Grundlage im Schauspiel: Es hat nichts, aber doch alles mit dem Körper, der da gerade vor mir steht, zu tun. Und das ist dann auch das Spannende, denn dann gibt es vielleicht die Anweisung: Lächele dein Gegenüber an! Aber ich weiß ja gar nicht, ob er nur lächelt, weil er die Anweisung hat. Man kann ja auch nicht mit einem blanken Gesicht herumlaufen. Die Persönlichkeit wird sich komplett mit den Anweisungen vermischen. Es ist immer einmalig, auch wenn die Spuren immer die gleichen bleiben. Jeder zweite hat die gleiche Spur wie die vorherige Person. Nichtsdestotrotz ist es jedes Mal komplett einmalig. Das ist der Gedanke dahinter.

Y: Damit löst man ja auch das Publikum auf oder?

K: Ja total – beziehungsweise, man löst es nicht ganz auf. Was man macht, ist, dass man es vereint. Ich bin natürlich das Publikum des Anderen in dieser Zweierkonstellation, ich bin gleichzeitig mein eigenes Publikum, weil ich weiß, das bin nicht ich. Ich glaube, dass es da ein ganz interessantes Hybrid-Modell zwischen Performer und Zuschauer gibt. Wichtig ist, dass es keine klassische Zuschauersituation ist. Es gibt nicht einfach ein Publikum, dem ich etwas zeige. Man schaut sich gegenseitig zu, aber man ist kein Zuschauer, weil man genau so aktiv ist in dem Ganzen.

L: Was kannst du uns über den Inhalt verraten?

K: Wie der Name „The Bubble“ schon sagt, ist man wie in einer kleinen Audioblase und erlebt sich, sein Gegenüber und den Weltsalon auf eine andere Art und Weise, wie durch einen Filter. Man tritt einen Schritt zurück, um vielleicht näher hinschauen zu können. Anders hinschauen zu können. Das ist die Idee. Da gibt es dann verschiedene Situationen, die man durchläuft; mal alleine, mal gemeinsam. Situationen und Irritationen, eine Geschichte, die man gemeinsam erlebt.

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Copyright Katharina Bianca Mayrhofer

Y: Welche Rolle spielt der Weltsalon als Ort dieses Audioteatros?

K: „The Bubble“ ist komplett auf den Weltsalon zugeschnitten. Es greift die Idee auf, den Sockel des Weltsalons wegzubekommen. Ich habe überlegt, welche Möglichkeiten es gibt, auch den imaginären Sockel des Schauspielers zu entfernen. Für die ganze Performance hatte ich die ganze Zeit den Raum des Weltsalons im Kopf, mit all den Möglichkeiten, den Themen, die darin verhandelt werden. Das heißt aber nicht, dass die Themen bei „The Bubble“ die gleichen sind. Vielmehr geht es um die Frage: Was hat das mit mir zu tun, in genau diesem Moment? Es soll ermöglichen, mit einem anderen Blick durch die Räume zu gehen und diese anders erfahrbar zu machen.

L: Wie wäre dann deine Wunschkonstellation? Lieber mit jemandem, den man gut kennt oder lieber mit einem Fremden?

K: Ich glaube, dass beides spannend ist. Mir persönlich würde es großen Spaß machen, das Audioteatro mit jemandem auszuprobieren, den ich nicht kenne. Wenn man sich kennt, kann man die Reaktionen des anderen eher abschätzen. Mein Tipp: Wenn man zu zweit an der Ausgabestelle der Kopfhörer steht, und zufällig auf zwei andere trifft, die das Experiment auch gerne durchführen wollen – einfach mal die Konstellationen tauschen.

Y: Wirst du auch mal heimlich vorbei kommen und schauen?

K: [lacht] Eigentlich würde ich das natürlich wahnsinnig gerne machen aus menschlicher, aber auch professioneller Neugier. Allerdings ist es ebenso, dass „The Bubble“ von vornherein keinen Erfüllungszwang hat. Vielmehr ist die Performance für einen selber. Selbst wenn man eine Ansage mal verpasst, ist das nicht falsch, sondern einfach die Performance ohne diese Ansage. Deshalb kann ich mich ja nicht einfach verstecken und kontrollieren. Aber vielleicht verstecke ich mich trotzdem [lacht] hinter einer Zeitung mit Löchern.

WeltsalonTwitter0073

Copyright Bernd Wackerbauer

L: Hast du ein bestimmtes Ziel oder einen bestimmten Effekt oder Gedanken, den du bei den Leuten mit dem Audioteatro bewirken möchtest?

K: Es gibt jetzt nicht die Message à la „Nehmt euch an die Hand und habt euch lieb.“ Darum geht es mir gar nicht. Ziel ist es, eine gemeinsame Zeit an einem gemeinsamen Ort erfahrbar und wertvoll zu machen, anders zu nutzen, als man sie sonst nutzen würde und auch ein Gefühl dafür zu bekommen: Zusammen im Hier und Jetzt zu sein und auch die Möglichkeiten, die darin liegen zu sehen. Auch kann man als Performer die eigenen Muster erkennen. Vielleicht fragt sich ja auch der eine oder andere: Warum mache ich das sonst nicht?

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