Kultur, Nach(t)kritik

Schwarze Straße der Verwesung

Das collectif l’homme révolté präsentiert im Keller der Kleinen Künste eine live-Filmperformance: Zinngeschrei.

Schreiende Gesichter, Geräuschkulisse des Schützengrabens, viel Blut, schwitzende Körper, Rauch und Gasmasken: Allein die Kostüme verweisen auf Retrospektive 1. Weltkrieg, ansonsten erwirkt die Performance beklemmende Enge und hektische Angst auch beim Zuschauer.

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Der Keller der Kleinen Künste gleicht einem Kinosaal; ein schmaler, länglicher Nebenraum, sonst offen, ist zugemauert und verriegelt. Hier sieht man die einstündige Performance auf Leinwand übertragen, während die Darsteller hinter Mauern agieren.

Der Performanceraum wird durch Gleise definiert, die vom einen zum anderen Ende des engen Raumes ausgelegt sind, eine mit Steinen angefüllte Lore steht darauf. Am einen Ende ein Amboss aus Ziegeln in grellem Licht, auf der anderen kontrastär rot wabernd straff aufgehängte Textilien, die die Assoziation an gespannte Häute wecken.

Die übertragende Kamera schwenkt schnell hin und her, man hat kaum Zeit, sich in Ruhe auf einen Ausschnitt einzulassen. Minutenlang sind zunächst kleine Ausschnitte zu sehen, Farben, sich undefinierbar bewegende Körperstellen. Man rätselt, wartet auf eine größere Einstellung, ein entstelltes Körperteil, einen Schreck.

Die Geräuschkulisse ist bisweilen fast meditativ, wäre da nicht die pulsierende, unheilschwangere Dissonanz in jeglicher Toneinspielung. Das Undefinierte mündet in einen krachenden Schützengraben hinterlegt mit Kriegshymnen. Entweder vom Band oder aber hervorgerufen durch die drei Performer, die den Ziegelamboss mit Hämmern zertrümmern. Verblassendes Bild, Dunkelheit schließlich. Nur Hämmern, nur Bomben. Stille. Ein Gasmasken-Atmen. Grelles Licht, ein Schuss, ein blutender Lars Altemann, ein nackt auf den Schienen tanzender Stefan Natzel. Kochendes Pulverfass. Kalas Liebfried ritzt Lars eine Wunde ins Bein.

Überwiegend archaisch

Das hin und wieder aufkommende Dozieren in akademischen Formulierung, die doch recht unüberzeugend dahergesagt werden, wirkt einstudiert, künstlich und somit der dennoch vollauf überwiegenden Archaik der Performance entgegen. Weniger verpackte Theorie (z.B. „Wir müssen die Worte von ihrem Inhalt befreien.“ Darauffolgend pathetische Kirchenmusik) und mehr offen gelassene Fragen hätten der Performance in der ersten Hälfte gut getan.

In der zweiten hingegen nehmen die aneinandergereihten Sequenzen Fahrt auf, werden noch hektischer und alptraumhafter. „Das Wort scheint mir ganz ungeeignet, um damit Wahrheiten zu verbreiten.“ Ein Bombenhagel von losgelösten, dramaturgisch nicht zusammenhängenden Bildern.

 

Was bleibt, ist die Stimmung einer Kriegshölle. Einer elementaren Angst, einem verbissenen Überlebenstrieb.

Gen Ende wird eine Trennwand zum Zuschauerraum aufgerissen, Rauchwolken qualmen herein, Gestank, der Nebenmann ist kaum noch zu erkennen. Der Krieg war die ganze Zeit neben uns, ist neben uns, findet hier und jetzt statt.

 

ZINNGESCHREI | Filmperformance
von Collectif L’Homme révolté

Uraufführung: 12. Dez 2014
Weitere Vorstellungen: SA 13., DI 16., MI 17., DO 18., und FR 19.12.2014

EINLASS 19.30 UHR
BEGINN 20.00 UHR
EINTRITT 10/5 EURO
RESERVIERUNG: mail@hausderkleinenkuenste.de
im KELLER DER KLEINEN KÜNSTE

von/mit
LARS-KEKE ALTEMANN
KALAS LIEBFRIED
STEFAN NATZEL
Kamera: MATHIAS REITZ ZAUSINGER
Bühnenbild: JAKOB GILG
Dramaturgie: AMELIE HALLER
Choreographie: ANNE ROEMETH

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