Rathausschau, Stadt

Verdrehte Ideologie

Wie ein Gehege mutet die Absperrung der Polizei an, in dessen Gittern sich die Pegida- bzw. Mügida-Demonstranten versammeln wollen. Es erscheinen ungefähr 50 Leute, entgegen der Prognosen der Veranstalter. Sie werden lautstark ausgebuht und mit Schlachtrufen von ungefähr 2000 Gegendemonstranten auch mental in die Schranken gewiesen.

Foto: Mario Steigerwald

Foto: Mario Steigerwald

Die Fahnen der Linken, von SPD, Grünen und Transparente mit der Aufschrift „München ist bunt“ dominieren das Bild am Sendlinger Tor, die Mügida-Demonstranten halten Bücher mit der Aufschrift „Gekaufte Journalisten“ und „Gegen die Islamisierung des Abendlandes“ in die Höhe. Gegen 20:30 ist die Demonstration der Mügida beendet ohne dass sie ihr Ziel, den Max-Joseph-Platz, erreicht hätte. Der Marsch setzt sich zwar aus der gehegeartigen Absperrung in Gang, schon vor dem Oberen Anger jedoch haben die Gegendemonstranten die 50 Teilnehmer eingekesselt: Durchkommen unmöglich, Übertönen unmöglich. Mit Trommeln und unermüdlichen Rufen bei 0°C weist München den rechten Rand zurück.

(Einen Liveticker publizierte die Münchner Abendzeitung)

 

Die Pegida-Leute sprechen von „ernstzunehmenden Ängsten des Volkes“. Dass es sich nicht um die Mehrheit des Volkes handelt, zeigen unterbesetzte Demos wie die am vergangenen Montag. Und dass die Ideologie, die ihre Transparente propagieren, wirr und unschlüssig ist, lässt sich einfach beweisen.

Aufschriften sind beispielsweise:

 

„Deutschlandhass ist Rassismus“.

Wird hier ein Land, das heißt ein geographisches Gebiet als Rasse begriffen? Nebenbei spricht sich niemand der Gegendemonstranten gegen Deutschland oder sagen wir – um der Pegida in den Mund zu legen, was sie möglicherweise meint – Menschen deutscher Staatsbürgerschaft aus. Im Gegenteil. Das Bewusstsein der Deutschen gegenüber dem Leid der Flüchtlinge ist in höchstem Maße wichtig und muss geschärft werden. Deutschland, als eines der reichsten Länder der Erde, ist in der Lage, Flüchtlinge aufzunehmen und die Flüchtlinge selbst sind nicht deutschlandfeindlich, schließlich hoffen sie auf Aufnahme und die Aufenthaltsgenehmigung in diesem Land.

Pegida versucht ihre Ideologie in Termini auszurücken, die dem anderen, dem anti-Lager zuzuschreiben sind und das funktioniert nicht: Dieselben Begriffe sollen suggerieren, dass eigentlich die Anti-Demonstranten das tun, was die Pegida betreibt. Das Resultat zeigt sich in wirrer und nicht schlüssiger Verwendung der Begriffe.

 

Foto: Mario Steigerwald.

Foto: Mario Steigerwald.

„Meinungsfreiheit statt Gewalt- und Gesinnungsterror“.

Meinungsfreiheit, ja, denn jeder hat prinzipiell das Recht, seine nationalistische Ideologie in der Öffentlichkeit zu äußern. Mit Gegendemonstranten muss man dann aber rechnen.

Ein Gewaltterror ist nicht auszumachen: Die überzähligen Anti-Pegida-Demonstranten verhalten sich friedlich, vereinzelt hört man sogar Stimmen wie „Umarmt Pegida-Demonstranten. Sie sind aufgrund mangelnder Liebe unzufrieden.“ Die terroristische Gewalt, die die Pegida-Anhänger befürchten, ist bei Flüchtlingen, die ihr Hab und Gut, Teile ihrer Familien verloren haben, unbegründet. Gewalt ruft Gegengewalt hervor. Hierbei ist die Gewalt, die den östlichen Ländern durch den Westen in sinnlosen Kriegen angetan wurde, nicht aus den Augen zu verlieren.

 

„Geltendes Recht durchsetzen“.

Geltendes Recht? Was auch immer geltendes Recht sein soll (wird nicht näher spezifiziert), es ist selten ratsam oder verantwortungsvoll in Ausnahmesituationen wie der des Krieges wie immer geltendes Recht durchzudrücken. Recht und Gesetz ist kein Synonym für Gerechtigkeit und vor allem nicht für Milde gegenüber dem Leid anderer Personen, anderer Menschen. Beim Wort „Flüchtling“ wird allzu oft diese Dimension beiseite gedrängt: Es sind Menschen, die vor den Schrecken von Krieg, Verfolgung, Hunger und Armut fliehen.

 

„Christen – heute gemobbt, morgen verfolgt“.

In dieser einfachen Aussage befindet sich bereits ein signifikanter inhaltlicher Fehler: Christen sind schon heute die meistverfolgten Gläubigen auf der Erde. Flüchtlinge, die in Deutschland auf Asyl hoffen sind auch nicht ausschließlich Muslime. Die Ideologie dieses Pegida-Slogans lässt sich darin ausmachen, dass Christen hier offenbar mit dem Abendland gleichgesetzt werden und sich Pegida-Demonstranten als Verteidiger dieses Christentums begreifen, sich gemobbt fühlen. „Klopft an, so wird euch aufgetan“, spricht Jesus, der schließlich selbst als eine Art „Flüchtlingskind“ auf die Welt kam. „Ich war nackt und ihr habt mich gekleidet“, „Liebe deinen Nächsten“. Die Linie von diesen Grundsätzen des Christentum nach Rechts zur Forderung nach Rausschmiss von Flüchtlingen lässt sich nicht wirklich klar ziehen.

 

Eine Frechheit auch, dass die Mügida-Demonstranten eine Fahne schwenken, die auf den ersten Blick wie die Flagge Norwegens aussieht.

Es ist die Flagge, die Josef Wirmer, ein tiefreligiöser Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, für ein neues Deutschland 1944 vorgeschlagen hat. 1944 wird er nach einem Scheinprozess hingerichtet. Durch das Hissen dieser Flagge, versucht sich die Mügida selbst in eine Reihe mit Widerstandskämpfern gegen den NS-Terror zu stellen und damit die Anti-Demonstranten in den Bezug zu einer Gewaltherrschaft zu rücken! Das Andenken eines Mannes, der gegen die rassistische und völkische Ideologie (von der eindeutig Elemente in der Pegida-Propaganda zu finden sind) kämpfte und mit seinem Leben bezahlte, wird hier beschmutzt und aufs Übelste missbraucht.

 

Foto: Mario Steigerwald.

Foto: Mario Steigerwald.

 

Unwissenheit, Unzufriedenheit und das sorglose Aufnehmen gefährlicher Ideologie scheint in den Reihen der Pegida an der Tagesordnung zu sein. Jene Sätze der Bundeskanzlerin bleiben zu zitieren: „Heute rufen manche montags wieder: Wir sind das Volk! Aber tatsächlich meinen sie: Ihr gehört nicht dazu – wegen eurer Hautfarbe oder eurer Religion. Deshalb sage ich allen, die auf solche Demonstrationen gehen: Folgen Sie denen nicht, die dazu aufrufen! Denn zu oft sind Vorurteile, ist Kälte, ja sogar Hass in deren Herzen!“

 

 

 

Folgt der Gegendemonstration: Montags, 12. und 19. Januar um 18 Uhr am Sendlinger Tor. Die NPD will ihre Truppen erst für den 12. Januar mobilisieren, das bedeutet: Je mehr Gegendemonstranten desto besser! Folgt diesem Aufruf, verweist sie des Platzes!

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