Rathausschau, Stadt

Wie unabhängig ist die SZ? SZ-Leaks Enthüller Sebastian Heiser im Interview

Die Süddeutsche Zeitung enthüllte in den vergangenen Wochen einen Leak nach dem anderen. Das suggeriert Objektivität und Unabhängigkeit. Der ehemalige SZ Mitarbeiter Sebastian Heiser schockiert nun aber mit Audio-Aufnahmen, die dem Ruf der Zeitung schaden könnten.

Dem Ansehen als renommiertes, unabhängiges Mediums wurde die Süddeutsche Zeitung in den letzten Wochen und Monaten mehr als gerecht. Offshore-Leaks, Lux-Leaks und schließlich Suisse-Leaks – einer nach dem anderen. Die Redaktion veröffentlichte regelmäßig Informationen aus internen Bankunterlagen, an die sie durch Whistleblower kam. Einer findet das falsch – nicht die erfolgreiche Nachforschung an sich, sondern die Arbeitsweise bestimmter Rubriken der SZ. Gerade beim Thema Geld handele die SZ journalistisch weit weniger frei und unabhängig als bekannt.

Tipps zur Steuerhinterziehung

Sebastian Heiser, ehemaliger Mitarbeiter des Beilagen-Ressorts der SZ und mittlerweile renommierter taz Redakteur, war 2007 selbst dafür zuständig, den Lesern Tipps zur legalen Steuerhinterziehung zu präsentieren, um ein lukratives redaktionelles Umfeld für Bank-Anzeigen aus dem deutschsprachigen Ausland zu kreieren. Im Klartext: Österreich, Schweiz, Luxemburg und Liechtenstein werden als Paradiesinseln, sicher vor dem deutschen Fiskus, präsentiert. Zwar geschickt verpackt und nicht zu deutlich, aber dennoch voller detaillierter Servicetipps für deutsche Anleger im Ausland. Es hieß, man könne „seine Steuerbelastung gar um 15 % senken“. Den Grund dafür, dass die Süddeutsche Zeitung das gedruckt hat, sieht Heiser in einer gut bezahlten Anzeige der Tiroler Sparkasse, die die SZ im Gegenzug erhielt. Das alles geschah, laut Heiser, mit wohlwollender Genehmigung des Ressortleiters.

Wie passt das zusammen?

„Bei dem Journalismus-Imitat in meinem Ressort wird nicht nach Relevanz entschieden, sondern nach Geld. Rein kommen die Themen, für die Anzeigen geschaltet werden. Die Daumenregel: Für jede viertelseitige Anzeige (Kosten damals: rund 20.000 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer) erscheint eine Seite über dieses Thema.“, schreibt Sebastian Heiser über die Arbeitsweise der SZ im Jahr 2007. Auf der einen Seite Leaks zu enthüllen, auf der anderen Seite marktabhängigen Journalismus zu produzieren, ist für ihn unvereinbar.

Am Montag, nach fast acht Jahren, ging Heiser mit seinen Informationen an die Öffentlichkeit. Auf seinem Blog “klar und deutlich” beschreibt er ausführlich die Arbeitsweise seines ehemaligen Ressorts, den Umgang mit der Leserschaft und die Auswahl der Inhalte nach Anzeigenschaltungen. Als Beweis veröffentlicht er mitgeschnittene Gesprächsprotokolle von damals.

Sebastian Heiser im Gespräch mit drei Mitarbeitern der Anzeigenabteilung, 16. März 2007

Sebastian Heiser im Interview

Für mucbook erklärte sich Sebastian Heiser zu einem exklusiven Interview bereit, das wir hier ungekürzt veröffentlichen:

Mucbook: Gibt es bereits Reaktionen seitens der SZ oder anderer Akteure auf Ihren Artikel auf “klar und deutlich”?

Ja, in einer Stellungnahme gegenüber der Seite meedia.de hat die SZ viele meiner Behauptungen zurückgewiesen. Dass die Kunden für ihnen genehme Artikel bezahlen, so wie ich es erlebt habe, hält der Verlag für ausgeschlossen. Stattdessen würden die journalistischen Grundsätze einer unabhängigen, wahrheitsgemäßen, genauen und sorgfältigen Berichterstattung gelten. Ich habe in meinem Blog die Audio-Mitschnitte einiger meiner Gespräche mit der Anzeigenabteilung und mit meinem Ressortleiter veröffentlicht – so kann sich jeder ein eigenes Bild machen.

Heiser im Gespräch mit seinem damaligen Chef, 19. März 2007

Mucbook: Was hat Sie dazu bewogen, den Vorfall genau jetzt zu veröffentlichen?

Ich hätte es gerne früher veröffentlicht, habe aber leider kein Medium gefunden, das daran interessiert war. Daher habe ich das jetzt auf einem privaten Blog gemacht. Den letzten Ausschlag gaben dann die Swiss-Leaks. Ich fand diese Heuchelei unerträglich, mit der die SZ sich heute als Kämpferin für Steuerehrlichkeit darstellt, obwohl sie damals genau diese Steuerhinterziehung im Ausland befeuert hat.

Mucbook: Haben Sie keine Angst vor rechtlichen Konsequenzen? Man legt sich ja als Einzelkämpfer nicht gerne mit großen Verlagen an:

Ich habe keine Angst.

Mucbook: Ist die Arbeitsweise der SZ Ihrer Einschätzung nach ein Einzelfall?

Nein, das ist weit verbreitet. 2011 habe ich mich bei einer verdeckten Recherche als Mitarbeiter einer Werbeagentur ausgegeben, bin auf zehn Verlage zugegangen und wollte dort Schleichwerbung unterbringen. Sieben der zehn Medien waren käuflich, am schlimmsten war es bei der Frankfurter Rundschau, der ZEIT, der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung und beim Neuen Deutschland.

 

Von anderen Medien, war es bislang also bekannt, dass sich ab und an kritische journalistische Inhalte zu Gunsten von finanziellen Angebote hinten anstellen müssen. Für die SZ galt das bislang nicht. Das könnte sich jetzt ändern. Abhängig davon, wie viel Medienwind Sebastian Heisers Bericht initiiert.

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