Leben, Stadt

Refugees Welcome? Auf der Suche nach einem neuen Standard

Die große Halle, die uns als Kantine vorgestellt wird, ist bunt bemalt – überall zieren arabische Schriftzüge und fröhliche Farben die Wände der sonst eher spärlich möblierten Einrichtung des ehemaligen Bürogebäudes am Moosfeld 37. Die selbst gestalteten Wandplakate, auf denen in Arabisch, Französisch, Englisch und Deutsch geschrieben steht, wann Deutschkurse stattfinden und wann Zeit zum Fußballspielen vorgesehen ist, lassen erahnen, wie der Alltag der etwa 220 Flüchtlinge in dieser Erstaufnahmeeinrichtung im Münchner Osten aussieht. Die meiste Zeit waren es 350 Bewohner – doch in den letzten Wochen mussten sich viele der Männer und Familien aus Syrien, Afghanistan oder Afrika auf andere Unterkünfte verteilen. Denn die Unterbringung, die aus Dringlichkeit der Ereignisse im Herbst als dauerhafte Kriseninterventionsstelle zunächst einen, dann drei Monate eine Art Heimat bot – soll geschlossen und die Zusammenarbeit mit der AWO beendet werden.

 

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 Die Wandbemalung in der Cafeteria

 

Mit gutem Beispiel voran

„Wir wollten mit unserer Arbeit neue Standards für Erstaufnahmeeinrichtungen setzen“, sagt Maryam Giyahchi, die Leiterin dieser Einrichtung. Und das haben sie offensichtlich auch, denn es klingt mehr als nur nach Krisenintervention, wenn Betreuer und Sportlehrer Aymen Nasrallah davon erzählt, wie die Jugendlichen Tischtennis spielen oder Schwimmen gehen und parallel dazu die Aggressivität der Jungs abnimmt . Eine Tagesstruktur einzuführen sei das A und O in einer Unterkunft, die lediglich eine „Drehscheibe“ ist – eine erste Station für Ankömmlinge, die zum Teil stark traumatisiert sind und denen hier ansonsten nichts bleibt als darauf zu warten, wie es weiter geht. Aber auch Johannes Moeske, der sich im Projekt AWO hilft Flüchtlingen um die Gesundheitsversorgung kümmert, ist überzeugt, dass ihr integriertes Betreuungsprojekt viele Stärken aufweist. Gesundheit, Bildung und Betreuung werden werden vereint, was keineswegs selbstverständlich ist. Dafür arbeitet ein Team aus Traumatherapeuten, Erziehern, Sozialpädagogen und Kulturvermittlern zusammen, um überhaupt zu verstehen, ob Probleme beispielsweise eher physischer oder psychischer Natur sind und wie in Folge am besten damit umgegangen werden kann.

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Jeden Nachmittag findet Deutschunterricht für Frauen und Kinder statt

 

Oberbayern fehlen die Mittel

Inzwischen ist die Zahl der Aufnahmen in München auf 150 gesunken, doch noch einige Wochen zuvor waren es an die 400 Flüchtlinge, die regelmäßig in die Landeshauptstadt kamen. Dass das im Sommer bereits wieder so weit sein kann, daran lässt auch Christina Roelz, Regierungsdirektorin Oberbayerns, keinen Zweifel und zeigt sich weg offen dafür, bei erneuter „Notwehr“ wieder auf die Expertise der AWO zurückzugreifen, die im November sprichwörtlich über Nacht bereit war, zu helfen. Die AWO versteht sich, das macht auch Christoph Frey, der Geschäftsführer der AWO München noch einmal deutlich, als Wohlfahrtsverein. Um diesem Auftrag gerecht zu werden, müsste Flüchtlingen eine Stimme gegeben und ihnen mit Würde begegnet werden. Aber wie soll die AWO, die sich selbst einen hohen Anspruch in Bezug auf Werte und Qualität stellt, das bewerkstelligen, wenn die Bundesregierung noch immer keine überzeugende Strategie im Umgang mit den steigenden Flüchtlingszahlen liefert? Und wie soll Fachpersonal eingestellt werden, wenn die Regierung in Oberbayern „keine Mittel“ dafür hat, Pilotprojekte wie diese zu fördern und weiter auszubauen, und stattdessen darauf setzt, dass Ehrenamtliche und Spender die Rolle in der Flüchtlingsbetreuung übernehmen, die eigentlich der Staat übernehmen sollte?

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Ob Volleyball, Tischtennis, Schwimmen oder Fußball – Sport steht ganz oben auf der Liste

 

Wo bleiben unsere Werte?

Aber die Fragen nach der Lösung dieser Standards knüpfen an eine generelle Thematik an. Wie wollen wir Menschen die in größter Not Hilfe bei uns suchen, entgegentreten? Und für was soll in München und Bayern vorrangig Geld ausgegeben werden? Stellt man sich diese Frage mit einem in der westlichen Welt geprägten ethischen Grundsatz, dann beantworte sich die Frage in etwa so: Behandle andere so, wie du von ihnen behandelt werden willst – Und dabei spielt Würde sicherlich eine entscheidende Rolle.

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