Kultur, tagebook von Philomena Poetis

Opernabend mit Star-Architekt Stephan Braunfels

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Was tun, wenn man vom Star-Architekten Stephan Braunfels – der die Münchner Pinakothek der Moderne designt hat – in die Oper eingeladen wird? – Zusagen, natürlich!

Und so warte ich, nicht wenig aufgeregt, vor dem Münchner Cuvilliés-Theater, um das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper in Gioachino Rossinis komischer Oper Le Comte Ory gleich zu erleben. Im ausverkauften Haus nehmen wir Platz in der Mittelloge, erste Reihe – klar, wo sonst…

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Mittelloge, erste Reihe im immer wieder beeindruckenden Cuvilliés-Theater

Das Opernstudio der Bayerischen Staatsoper, welches seit der Spielzeit 2006/2007 hochtalentierte junge Sänger fördert und sie auf eine Karriere als Opernsänger vorbereitet, präsentiert einen sehr gelungenen Rossini-Abend mit gut besetzten Rollen und tollen Stimmen.

Anna Rajah fesselt mich regelrecht. In der Rolle der Gräfin Adéle kann ich – gerade im ersten Akt – meinen Blick nicht von ihr lassen und bekomme auf Grund ihres Stimmen-Timbres eine Gänsehaut nach der nächsten. Spektakulär! Die Italienerin Marzia Marzo überzeugt in ihrer Hosen-Rolle als Gefährte des Grafen und auch Petr Nekoranec gefällt mit seinem sehr weichen Tenorklang und präzise gesetzten Spitzentönen. Jedoch hätte ich mir von ihm in der Rolle des Grafen Ory, eine männlichere – eher machohafte – Interpretation des Charakters gewünscht, da er immerhin die ganze Oper hindurch mehrere hundert Frauen verführt.

Marcus Rosenmüller (Inszenierung) und Doerteh Komnik (Bühne) sind sehr bekannte und angesehene Künstler der Filmszene und konnten mit Filmen wie Wer früher stirbt, ist länger tot und Maria, ihm schmeckt’s nicht große Erfolge feiern. Dieser filmerische Einfluss ist in der Inszenierung und dem Bühnenbild deutlich erkennbar – von einer amerikanischen Highschool-Bowling Szene geht es zu einer Szene aus Vampire Diaries, in der die Männer nicht Wein, sondern das Blut ihrer erbeuteten Frauen aus den Halsschlagadern trinken. Bei so viel kreativem Input, geht der rote Faden leicht verloren; da hilft es auch nicht wirklich, dass die Nonnenkostüme im zweiten Akt, der Form der Bowling-Kegel aus dem ersten Akt nachempfunden sind.

Nichtsdestotrotz, gibt es einige schön inszenierte Lacher, die der Gattung der komischen Oper alle Ehre machen und Dirigentin Oksana Lyniv führt gewohnt souverän durch die musikalisch anspruchsvollen Rhythmen Rossinis.

Was nach der Aufführung folgt, ist ein spannendes Gespräch mit Architekt Stephan Braunfels über Musik – Gott sei Dank ein Thema mit dem ich mich ein bisschen auskenne!

Stephan Braunfels ist so interessiert an Musik, da sein Großvater Walter Braunfels (1882-1954) deutscher Komponist und Pianist war, dessen Oper „Die Vögel“ 1920 an der Bayerischen Staatsoper uraufgeführt wurde. Obwohl diese Oper und weitere Werke sehr erfolgreich waren, wurde Walter Braunfels, als Halbjude unter der nationalsozialistischen Diktatur all seiner musikalischen Ämter – wie seiner Position als Direktor der Kölner Musikhochschule – enthoben und seine Werke verboten, die dann über die Jahre in Vergessenheit gerieten.

Sein Enkel bemüht sich nun, die Werke seines Großvaters erneut zur Aufführung zu bringen. Zudem spielt Stephan Braunfels selbst Klavier und wäre er nicht erfolgreicher Architekt geworden, stünde er jetzt höchstwahrscheinlich am Dirigentenpult. Sein Netzwerk in der internationalen Musikwelt ist atemberaubend. Bei all den Insights über private Abendessen mit Stars wie Anna Netrebko und Jonas Kaufmann komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus und die Zeit verfliegt nur so.

Herzlichen Dank an unseren gemeinsamen Freund Hildebrecht Braun, der Stephan Braunfels auf mich und meinen Musikblog aufmerksam gemacht hat. Ein unglaubliches Gefühl einen so belesenen, ambitionierten Follower zu haben – jetzt muss ich ja richtig aufpassen, was ich schreibe!

Weitere Artikel über Musik, Konzerte, Opern oder auch das ein oder andere außenpolitische Thema findet ihr hier.

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