Münchenschau, Rathausschau

„Nächste Stufe“ bei der Unterbringung von Flüchtlingen erreicht

Sina Beckstein

Gestern wurde im Münchner Stadtrat über weitere Möglichkeiten der Unterbringung von Flüchtlingen abgestimmt. Während sich der Feriensenat auf den Einsatz von Leichtbauhallen an drei Standorten einigte, wurden Grundsatzeinstellungen heftig diskutiert. Klar wurde, dass dieser siebte Standortbeschluss sicherlich nicht der Letzte seiner Art gewesen sein wird.

Der Feriensenat überschlug sich in seiner öffentlichen Sitzung zum siebten Standortbeschluss am gestrigen Vormittag mit Zahlen: bis Ende Juli seien noch 150 zugewiesene Flüchtlinge pro Woche nach München gekommen, mittlerweile bereits 225 pro Woche, das ergebe bis Jahresende 14 000 Personen und laut Innenminister Thomas de Maizière müssten diese Prognosen sowieso nochmal nach oben korrigiert werden.

Wie der Stadtrat Marian Offmann (CSU) dazu sagte, sei die Unterbringung von Flüchtlingen eine „Mammutaufgabe“, die kaum bewältigt werden könne. Die Stadt einigte sich dabei nun einstimmig auf sogenannte „Leichtbauhallen“ an drei neuen Standorten, die mindestens 12 Monate eingesetzt werden sollen und je Standort bis zu 280 Personen ein Dach über dem Kopf bieten könnten. Dabei handelt es sich um Aluminiumkonstruktionen, die mit Fenstern ausgestattet und wärmetauglich seien, also auch im Winter stehen bleiben könnten. Von richtigen Wohnungen sind diese Konstruktionen noch weit entfernt, aber wenigstens hielten sie „Wind, Blitz und Gewitter“ stand, wie im Stadtrat gewitzelt wird. In der Tat ist dies bei anderen verfügbaren Mitteln, wie zum Beispiel Traglufthallen oder Zeltstädten nicht garantiert. Der zweite Oberbürgermeister Josef Schmid lehnt diese Optionen ab: „In München wollen wir keine Traglufthallen“, die beschlossenen Leichtbauhallen seien zwar die „nächste Stufe“ aber auch nur „suboptimale Lösungen“.

Auch die Leiterin des Infobusses für Flüchtlinge, Rebecca Kilian-Mason, bestätigte im Interview mit Mucbook, dass die neuen Unterbringungen problematisch seien: „Natürlich ist alles besser, als die Leute auf der Straße schlafen zu lassen, aber ich denke, es muss jetzt langfristig und professionell geplant werden. Es müssen Alternativen gefunden werden. Ich denke nicht, dass es angebracht ist, in einer Stadt wie München die Menschen in Zelten oder Leichtbauhallen schlafen zu lassen, die einfach keine menschliche Unterbringung darstellen. Die Leute sollten nach einer beschwerlichen, schlimmen Flucht nicht weiter in einem Zustand leben, der sie extrem unter Druck setzt.“

Für Mucbook hat der stellvertretene Oberbürgermeister Josef Schmid seine Position zur Münchner Flüchtlingspolitik in 60 Sekunden dargestellt.

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„Wir sollten keine Krise herbeireden“

Im Stadtrat wurde betont, dass es der reichen Stadt nicht an Geld, sondern an Platz fehle. Container, wie sie vor kurzem eingesetzt wurden, könnten nur nicht mehr bestellt werden, weil es schlicht und einfach keine mehr gibt. Es mangele an freien Flächen, die überhaupt noch bebaut werden könnten. Anders sieht das Anne Hübner der SPD Fraktion, die dafür Klopfbeifall der Grünen erntet. Man solle „keine Krise herbeireden“, München als Stadt mit 1,5 Millionen Einwohnern sei nicht überfordert, bis Ende des Jahres 14 000 Flüchtlinge aufzunehmen, die Zustände seien weit von denen in Hamburg oder Berlin entfernt. Die Kritik richtet sich an den zweiten Oberbürgermeister Schmid, der Hübners Ansicht nach sehr viel Wert auf die Betonung der Überforderung der Stadt lege, was der Diskussion insgesamt schade. Der Zustrom sei außerdem auch eine Konsequenz der vorherrschenden inländischen Politik, weswegen dafür auch die Verantwortung getragen werden müsste.

„Es ist nicht ehrlich, diese Leute alle willkommen zu heißen“

Die Geister schieden sich auch bei Grundsatzentscheidungen. Josef Schmid betonte, man müsse die „ideologischen Scheuklappen“ ablegen und in der Diskussion einen „ruhigen, sachlichen Ton wahren“. In diesem Kontext sagte der stellvertretende OB, dass nicht jeder Flüchtling aufgenommen werden könne und auch sein CSU-Kollege Martin Kuffer meinte, man solle den Ankömmlingen keine falschen Hoffnungen machen. Von den derzeit 40% der Flüchtlinge aus dem Balkan würden 98% wieder abgeschoben werden, deshalb sei es „nicht ehrlich, diese Leute alle willkommen zu heißen“. ‚Diese Leute‘, das sind vor allem die Wirtschaftsflüchtlinge. Die Grünenpolitikerin Gülseren Demirel echauffierte sich über die Aussagen der Christsozialen, die sie für alles andere als wertneutral hielt: „Hier findet eine klare Differenzierung zwischen willkommenen und unwillkommenen Flüchtlingen statt.“
Die gleiche Debatte hatte jüngst auch für Empörung in der SPD gesorgt, als der Fraktionschef Alexander Reissl forderte, zwischen verschiedenen Flüchtlingsgruppen zu ‘differenzieren‘. Die Parteikollegin Zurek merkte gestern dazu an, dass die alleinige Bezeichnung als ‚Wirtschaftsflüchtling‘ negativ konnotiert wäre und dieses Wort am besten Ganz aus dem Sprachgebrauch zu streichen sei.

Streit um die Kompetenzen

Die Stadt hätte gewisse Dinge überhaupt nicht zu entscheiden, kritisiert die stellvertretende SPD Fraktionsvorsitzende Zurek weiter, weshalb die ständige Grundsatzdiskussion unnötig sei. So stellt die Münchner CSU in ihrem Postionspapier zur Asyl-und Flüchtlingspolitik auch ihre Pläne für Deutschland und Europa vor. Unter anderem solle eine „klare Differenzierung zwischen Kriegsflüchtlingen, regulären Arbeitsmigranten, Asylsuchenden, Asylberechtigten und Flüchtlingen, die aufgrund der wirtschaftlichen Situation in ihren Herkunftsländern zu uns kommen“ vorgenommen, ein neuer Verteilungsschlüssel für ganz Europa geschaffen und die ‚sichere Drittstaatenregelungen‘ insbesondere auf den Kosovo und Albanien ausgeweitet werden. Zurek sagt: „Unsere Aufgabe hier vor Ort ist es, Menschen ohne Ansehen ihrer Person, die aus Elend, aus Diskriminierung, aus Bürgerkriegen geflohen sind, menschenwürdig unterzubringen. Deswegen ist die ewige Diskussion, ob jemand aus dem Kosovo oder Moldawien kommt, hier fehl am Platz.“

 

Fotocredit: Manuel Kittel

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