Kultur, Nach(t)kritik

Hear, hear!

Christina Maria Bauer
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Mit druckvollem Impetus losgeschickt stürmen rasante Skalen durch den Raum, markant phrasiert, energiegeladen und gekonnt gesteigert bis ins Expressiv-Explosive, auf dass Metall und Trommelfelle nur so schwingen. Die Quelle: Das Tenorsaxofon von Kamasi Washington. Ein Mann mit Mission, der seine dieses Jahr veröffentlichten, vielseitig genreintegrierenden und üppig instrumentierten Stücke aus seiner Heimatstadt Los Angeles auch auf die Jazzbühnen Europas bringt, unter anderem am Abend des vergangenen Mittwoch in die Münchner Unterfahrt.

Die 17 Stücke umfassende Debut-Trilogie des 34-jährigen Musikers trägt den Titel „The Epic“ und ging mit der erklärten Absicht an den Start, den Jazz gerade auch für junge Ohren spannend zu machen. In der aufwendigen Einspielung kondensieren jahrzehntelange Probenexzesse mit den heutigen Mitgliedern seiner Band “The Next Step”, das Studium in Musikethnologie und Komposition an der University of California, das dortige Mentoring insbesondere durch Gerald Wilson, Kooperationen mit Soul-, R’n’B- und Hip Hop-Musikern, sowie die lebenslange Inspiration durch Vorbilder wie John Coltrane und Wayne Shorter.

Eingespielt in einem vierwöchigen Aufnahmemarathon, unter anderem mit 32-köpfigem Orchester und 20-stimmigem Chor, schlug sie im Mai auch hierzulande sofort einige Wellen in den Feuilletons von ZEIT bis Spiegel und SZ. Auf Tour ist nun ein achtköpfiges Ensemble mit doppelter Schlagzeugbesetzung und Washingtons Vater als Special Guest an Sopransaxofon und Querflöte. In seinen Soli gab er einen Eindruck davon, was sein Sohn in jungen Jahren bereits direkt von ihm lernen konnte. Bei den etwas balladeskeren aus dem Fundus seiner vielschichtigen Kompositionen fand dieser schon auch mal zu einem ruhigeren, vollen, soulig-modulierten Sound. Eine Konstante: Die energetische Aufladung.

Kamasi Washington (Foto: Mike Park)

Mit seinem Ensemble pflegt er durchgängig die Kultur der ausgiebigen Soloparts. Brandon Colemans Finger tanzten in kontrastierenden Passagen zwischen dichten Akkordfolgen, verspielten Läufen, schimmernden Verzierungen und findig-schrägen Dissonanzen über das Keyboard-Manual, dass es eine Freude war. Kontrabassist Miles Mosley wurde bei „Abraham“ gefeatured, einer soul- und funkdurchzogenen Komposition aus seiner Feder, bei der er als Solist mit rasanten Pizzicato-Läufen glänzte. Er ist eines von vielen Mitgliedern der Band, die in dem intensiven Aufzeichnungsmonat ebenfalls Originalstücke eingespielt haben. Da wartet noch reichlich Material auf Veröffentlichung. Die meisten von Washingtons Kompositionen sind nun, wo sie der Welt vorgestellt werden, schon ein Jahrzehnt alt. Eilig hatte er es mit seinem Debut nicht.

 

Mit rauchig phrasiertem, soulgetränktem Gesang brachte Patrice Quinn emotionale Intensität in die Musik, die sich auch in ihrer persönlichen Choreografie zwischen Ausdruckstanz und Gospelmesse spiegelte. Besonders anrührend zeigte sich das bei „Malcolm’s Theme“, das Washington dem bekannten Bürgerrechtler Malcolm X gewidmet hat. Das Ensemble war sicher rundum warmgespielt für das unmittelbar folgende zweite Konzert, das es wegen der großen Ticketnachfrage kurzfristig um den Auftritt als eigene Vorband erweitert hatte.

Fotocredit: Mike Park

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