Dieter Hildebrandt Preis
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Claus von Wagner: 1,96 Meter im Dienste der Kleinkunst

Okay ich bin Fan. Und das sage ich, obwohl mir die Backstreet Boys Euphorie nie geheuer war, ich nie verstand, warum alle bei Brad Pitt kreischen und ich bei Justin Bieber’s „Sorry“ nur skeptisch eine Augenbraue hochziehe. Aber letzten Dienstag war alles anders. Zum ersten Mal wurde der Dieter-Hildebrandt-Preis verliehen und zwar an Claus von Wagner. Die Laudatio hielt Max Uthoff – muss ich noch mehr sagen?

Nein, muss ich nicht. Denn ich war selig, beziehungsweise lachte ich selig wie die 340 anderen geladenen Gäste im Saal des Alten Rathauses. Gut, Dieter Reiters Begrüßung ließ an Scharfsinnigkeit noch zu wünschen übrig, aber das änderte sich spätestens als Max Uthoff nach der Ansprache der Witwe, Renate Hildebrandt, die Bühne betrat.

Der beanstandete gleich, dass die Stadt München eigentlich zur Beerdigung von Dieter Hildebrandt, dem Namenspatron des Preises, Mitbegründer der Lach- und Schießgesellschaft und der Polit-Satiresendung Scheibenwischer, 2013 ein Museum versprochen hätte und nicht nur ein Kabarett-Preis. Das wäre der Stadt natürlich wesentlich teurer gekommen, als der mit 10.000 Euro dotierte Preis, aber Uthoff wolle an diesem Abend nicht kleinlich sein. Auch dass die Jury aus einigen Stadträten – also Politikern und somit aus Kanonenfutter für die Anstalt – bestand, ließ Uthoff eher einen Art Täter-Opfer-Ausgleich vermuten. Aber gut.

Claus von Wagner

Mit 38 Jahren sei er eigentlich noch viel zu jung für den Preis, meint Wagner.

Über die Arbeitsweise seines Anstalts-Kollegen ließ Uthoff indes nichts kommen. 1,96 Meter stehen da voll und ganz für die Kleinkunst ein. An Fleiß und Schnelligkeit, mit denen sich von Wagner in neue Themen einarbeite, habe er rein gar nichts voraus. Aber immerhin beute von Wagner nur sich selbst aus, also Schwamm drüber. Schauspielerisches Talent trifft bei von Wagner auf scharfzüngig waches Polit-Kabarett, das genau in den richtigen Wunden herumstochert. Dort nämlich, wo geflüchtete Menschen zur Flüchtlingskrise gemacht werden, eine Obergrenzen für die Menschlichkeit gefordert wird, die Abschottung Europas von Nationalisten vorangetrieben wird und man planlos nach der deutsche Leitkultur verlangt, die es so eigentlich gar nicht gibt. So von Wagner auch in seiner Dankesrede.

Es braucht Menschen wie Claus von Wagner und Max Uthoff, und ja, auch Jan Böhmermann, die Kabarettsatire machen und – die Reaktionen darauf auch aushalten. Dafür wurde Claus von Wagner am Dienstag ausgezeichnet.

Abgesehen davon ist er der beste Beweis, dass aus Kommunikationswissenschaftlern, die aus Miesbach stammen, etwas Anständiges werden kann. Grund genug um Fan zu sein, finde ich.

 

Bilder: Ronja Lotz

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