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Ich habe Angst vor eurer Angst

Jan Rauschning-Vits
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9 Tote, 4 Verletzte mit Schusswunden und 31 Opfer durch Massenpanik. Menschen sprangen im Hofbräuhaus durch die Fenster. Dutzende Menschen wollen Schüsse gehört haben an anderen Orten der Stadt. Erst am Stachus, dann am Isartor, Odeonsplatz, Marienplatz. München hatte Panik.

Alle feierten dann den Sprecher der Polizei, weil er als einziger keine Angst zu haben schien. Er beruhigte die Stadt wie ein Vater das aufgebrachte, weinende Kind. Seit Freitag stelle ich mir die Frage, wie es dazu kam, dass auf einmal eine Schießerei am Stachus und an anderen Orten in der Stadt gemeldet worden war. Lag es daran, dass die Polizei die großen Plätze abriegelte, nachdem am OEZ das Grauen passiert war und die Leute von der reinen Polizeipräsenz schlussfolgerten, dass hier oder dort etwas schlimmes passiert sein muss? Wie konnte es passieren, dass Stunden lang nach drei Tätern mit Gewehren gesucht worden war? Das muss doch irgendjemand gemeldet haben? Wie kann man sich drei Männer mit Gewehren einfach so einbilden? Die Fragen kann mir wohl niemand beantworten.

Was bleibt ist eure Angst und meine Angst vor eurer Angst.

Es ist so schwer, so unglaublich schwer, nach einem Ereignis, das uns allen so in die Glieder gefahren ist, normal und unbeschwert weiter zu machen. Während die Politik Konsequenzen ziehen will, um Amokläufe in Zukunft noch unwahrscheinlicher zu machen, erzählt euch kaum einer die Wahrheit. Die Wahrheit über Terror ist, dass man ihn sehr wohl aufhalten kann und da ist er dem Amoklauf ähnlich. Wir könnten uns alle kontrollieren und ausspähen lassen. Wir haben ja meist nichts zu verbergen, aber Waffe online bestellen ginge dann eben nicht mehr. Dann müssen wir uns aber von unserer freien und demokratischen Ordnung verabschieden, die wir über Jahrhunderte entwickelt haben.Jetzt gab es noch weitere Vorfälle. Ansbach und Reutlingen folgten dicht auf den Amoklauf am OEZ.

Das ganze Land scheint in eine Hysterie verfallen zu sein,

die sich kaum auf der Straße bemerkbar macht, dafür aber immer mehr in sozialen Netzwerken und den Medien. Die Wahrheit ist, dass je freier unsere Gesellschaft, desto mehr Möglichkeiten im Geheimen einen Plan zu schmieden, um möglichst viele Menschen zu töten, sei es aus religiösem Fanatismus, Rassismus oder psychischer Störung. Ich habe Angst davor, dass ihr euch von einer irrationalen Terrorangst in die Arme von undemokratischen Politikern treiben lasst, die euch mit Sicherheit locken und euch mit Unfreiheit fesseln.

Ich bin noch nicht so alt, habe den Unrechtsstaat DDR nicht miterlebt und kann nur von meinen Großeltern einen Einblick ins dritte Reich bekommen, aber ich weiß, dass der schlimmste Terrorist der Staat ist! Ein Blick auf die Zahlen würde genügen, aber das traut sich ja kaum einer mehr.

In Zeiten wie diesen wird auch mal wieder die wahnsinnige Verantwortung der Medien spürbar.

Heute ging ich an einer Phalanx von stillen Verkäufern vorbei (siehe Artikelbild). Der Tenor auf allen Titelseiten: Der Terror ist bei uns! Dabei war er schon einmal da und das auch wesentlich schlimmer. Klar, man kann den Terror der RAF kaum mit den Anschlägen des 21. Jahrhunderts vergleichen, aber die reine Wahrscheinlichkeit durch einen Anschlag zu sterben, ist immer noch nicht nennenswert höher. Wie die Tagesschau in einem bemerkenswert guten Analyse Video erkannt hat, sind die islamistischen Anschläge Attacken „auf unsere Art zu leben“. Das macht Angst, weil es jeden treffen kann und damit auch keine Verhandlung mit den Islamisten möglich scheint. Wie soll ich mit jemandem reden können, der mich als seinen fundamentalen Erzfeind sieht?

Dass ein Amoklauf eines kranken Jugendlichen nicht das gleiche wie ein islamistischer Anschlag ist, scheint in der Diskussion um unsere Sicherheit völlig egal zu sein. Bei Sicherheit wird offensichtlich jede Rationalität über Bord geworfen. Natürlich kann man Rationalität und Ruhe nicht einfach fordern und dann erwarten, dass die Menschen auf einmal ruhig und rational werden. Aber es könnte sich wenigstens mal ein Politiker hinstellen und sagen: „Wir tun was wir können um sowas zu verhindern, aber es wird nicht immer reichen. So ist das in einer freien, pluralistischen Gesellschaft. Es gibt bei uns Grenzen der Sicherheit und Überwachung.“

Ständig werden Maßnahmen gefordert, die nur dazu führen, dass ein überforderter deutscher Innenminister sich hinstellt und weniger Ballerspiele fordert und ein bayerischer pauschal mehr Geld in die Polizei pumpen will. Das ist der Populismus, der Stimmenfang mit der Angst. Die Politik bietet einfache Lösungen, die Bevölkerung giert nach einfachen Lösungen und schluckt den Köder. Weil keiner mehr nachdenkt über die Gründe und Ursachen von Terror oder Amokläufen. Ich stoße hier in ein Horn, in das Gott sei dank schon viele Kommentatoren in den letzten Tagen gestoßen haben: Bleibt ruhig, denkt nach und kalkuliert die Konsequenzen eurer Forderungen! In der Türkei setzt gerade ein uns allen sehr bekannter „Präsident“ die Demokratie ab, indem er die Angst vor dem Terror instrumentalisiert. Jeder sollte sich daher einmal fragen was schlimmer ist, der Terror der Bürger oder der Terror der Regierenden.

 

 

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