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Das ist Kunst und das kann weg (3): Was ist das für 1 Theater, Kammerspiele?

Juliane Becker

Brigitte Hobmeier verlässt die Kammerspiele. Eine Nachricht, die die deutsche Kulturlandschaft offenbar so sehr schockte, dass neben der AZ und der Süddeutschen Zeitung auch Deutschlandradio Kultur und die Welt ausführlich darüber berichteten. Die Venus von Ismaning, Publikumsliebling, Publikumsmagnet vor allem, seit 11 Jahren an den Münchner Kammerspielen, kündigt. Der Grund: Sie habe sich “wie auf dem Abstellgleis gefühlt.”

Innere Revolution

Es ist ein kleiner Skandal. Schon der zweite, der die Theaterszene in diesem Jahr heimsucht. Vor nicht allzu langer Zeit hatte Resi-Schauspieler Shenja Lacher mit großem Trara gekündigt, weil er sich den “autokratischen, fast schon feudalistischen” Strukturen am Theater nicht mehr zur Verfügung stellen wollte. Was folgte, war eine innere Revolution: Dutzende Schauspieler klagen die familienfeindlichen und teils prekären Arbeitsbedingungen, vor allem aber die Allmacht des Intendanten am Theater an. Und da sind wir wieder bei Brigitte Hobmeier.

Das beste Laientheater Münchens

Was bringt eine gestandene Schauspielerin, die sich zu den besten bundesweit zählen darf, dazu, ihr Stammhaus zu verlassen? Die Antwort hat einen malerischen Namen: Matthias Lilienthal. Denn der ist gerade dabei, aus den einst herausragenden Kammerspielen das beste Laientheater Münchens zu machen.

Seit seinem Antritt in der Spielzeit 15/16 hat Lilienthal die Kammerspiele in eine eindeutige Richtung gelenkt – weg vom klassischen Schauspielertheater, hin zur transgressiven Performeritis, wie sie Christine Dössel so passend genannt hat. Unter dem ehemaligen HAU-Intendanten muss jedes Ensemblemitglied zur eierlegenden Wollmilchsau werden. Tanzen, singen, performen, bitte alles auf einmal, gerne auch mit interessantem Lebensgeschichten und für eine Theaterbühne eigentlich nicht tragbaren Artikulationseinschränkungen. Platz für jemanden wie Hobmeier ist da scheinbar nicht – und warum bei ihr aufhören? Kurz nach ihrer Kündigung flatterten weitere herein. Anna Drexler, die mit ihrem rotzigen Kleinmädchencharme noch vor ihrem Abschluss an der Otto-Falckenberg-Schule 2013 ins Ensemble aufgenommen wurde, will ebenfalls gehen. Und auch Katja Bürkle, die schon unter Baumbauer dazustieß und zuletzt unter großem Beifall die Hauptrolle in “Jagdszenen aus Niederbayern” verkörpert hatte, verabschiedet sich.

A bisserl a Schwund is halt immer

Was Lilienthal dazu sagt? Dem scheint das relativ wurscht zu sein, a bisserl a Schwund is halt immer. Ja sicher, sobald ein neuer Intendant ein Haus übernimmt, ändert sich vieles (fragt mal das Berliner Ensemble). Und ja sicher, das Theater muss sich an alten Konventionen reiben, Traditionen in Frage stellen, Neues wagen. Wenn es nach Lilienthal geht, muss Theater vor allem weg von der “Kunstkacke” kommen und sich in erster Linie den sozialen Fragen der Gegenwart stellen – alles noble Ziele soweit. Aber wenn der Preis dafür der irreversible Abgang dreier Klasseschauspielerinnen ist, die den Ruhm der Kammerspiele mindestens so geprägt haben wie die Kammerspiele ihre Schauspielkarriere, dann ist es an der Zeit, sich zu fragen, ob diese Art der Intendanz tatsächlich in eine Stadt wie München passt.

 


Bildquelle: Agentur Above The Line / (c) Joachim Gern

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