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Discogeflüster (2): “Was machst’n an Silvester?“

Tobias Wullert

Spätestens Anfang Dezember gibt es kein Entkommen mehr: Ultimative Jahresrückblicke, Best-of- Listen und die spektakulärsten Todesfälle des Promi-Universums geistern durch Medien und soziale Netzwerke. Und natürlich steuert wie jedes Jahr die alles überschattende Frage wieder auf uns zu. Eine Frage, die wie ein Damokles-Schwert über uns baumelt: „Was machst Du eigentlich an Silvester?“

Die Leute, die sonst nie Party machen

Das Dilemma ist, dass es eigentlich keine perfekte Lösung gibt. Denn es gibt wohl kaum eine Nacht im Jahr, in der die Erwartungen höher sind und der Ausgang – von wenigen Ausnahmen abgesehen – eigentlich fast immer enttäuschend ist. Trotzdem befällt auch die biedersten Zeitgenossen zu Silvester ein regelrechter Amüsier- und Ausgehzwang.

So meinte ein Freund erst gestern zu mir: „Weißt du, warum Silvester so scheiße ist? Die Leute, die sonst nie Party machen, gehen plötzlich weg und trinken Alkohol, den sie dann nicht vertragen. Die Leute, die sonst weggehen und Alkohol trinken, trinken mehr Alkohol als sonst und nehmen zusätzlich Drogen. Und die Leute, die sonst Drogen nehmen, nehmen viel mehr Drogen als sonst, was sie nicht vertragen. Und am Ende wanken alle total zugedröhnt durch die Clubs und Bars.“

Vermeintlich fein raus sind diejenigen, die an Silvester nach Rom, Barcelona, London oder in die Uckermark fahren. Auch wenn man dann oft in irgendwelchen Touristenfallen oder überteuerten Restaurants oder Clubs landet, entschädigt doch das Erlebnis ungemein, mal in einer anderen Stadt zu feiern und von gierigen Taxifahrern auf dem Rückweg ins Hotel betrunken ausgenommen zu werden. Berlin scheidet wohl auch aus, schließlich gleicht Kreuzberg oder auch Friedrichshain an Silvester eher einem Kriegsgebiet, denn hier wird schon drei Tage vor Silvester sämtliches Taschengeld in allerlei Höllenkracher investiert und nachts wie tags aus allen Rohren geballert, so daß ein Silvestereinkauf schon fast zum Spießrutenlauf wird.

Dann gibt es natürlich noch die Spezies der misanthropen Totalverweigerer, die sich um 22 Uhr ins Bett legen , die Rolladen runterlassen, sich Ohropax in die Gehörgänge stopfen und den Jahreswechsel absichtlich verschlafen. Aber dazu muss man schon sehr hart gesotten sein.

Wer es wirklich wagt, sich an Silvester ins Nachtleben zu werfen, der wird mit Welcome-Prosecco, Drei-Gänge-Menüs, All-You-Can-Eat-Buffets und natürlich einem „exklusiven“ Brilliant-Feuerwerk geködert. Also mit All-Inclusive-Angeboten, die ungefähr so charmant sind wie ein Pauschalurlaub in einer kanarischen Bettenburg und dabei von billig bis bodenlos reichen. So kann der Silvestergast im Bayerischen Hof zwischen 49 und 495 Euro investieren, je nachdem welches Arrangement er wählt. Leider endet die Exklusivität schon meist an der Clubtür, weil man beim Vorglühen, doch schon zu tief ins Glas geguckt hat.

Feiern wie bei Asterix

Bleibt noch die Zu-Hause-mit-Freunden-feiern-Alternative? Dabei wird der Raclette-Grill aus dem Keller geholt und entstaubt, der Fonduetopf ausgespült und auf die möglichst umständlichste Art „gekocht“. Vor allem das Käsefondue weckt dabei bei mir immer wieder Erinnerungen an „Asterix bei Schweizern“: “Den Stock!“- „Die Peitsche!“ – „In den See mit Gewichten an den Füßen!“

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Gegen zehn vor zwölf rennt dann die ganze Meute wie von der Tarantel gestochen auf – zu dieser Uhrzeit lebensgefährliche – Plätze und Brücken und um Punkt 12 umarmt man irgendwelche Freunde von Freunden, die man gerade erst vor zwei Stunden kennengelernt hat.

Wieder in der Wohnung werden nach eigenen Mischungsverhältnissen Cola, Tonic Water oder noch übriger Orangensaft mit allerlei Alkoholika vermischt. Spätestens beim Kater am nächsten Morgen weiß man dann auch, warum man diesen Job künftig wieder dem Barkeeper überlassen sollte.

Also seien wir ehrlich. Auch Silvester ist nur eine Nacht wie jede andere. Mit den gleichen Chancen, Fails, Faux-Pas und Peinlichkeiten die uns in jeder Nacht erwarten können.


Beitragsbild: (c) Tobias Wullert

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