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München du Monokultur! Teil I

FC Bayern, große Hightech-Unternehmen, Schicki-Micki und Blingbling. Das ist München. Aber was ist mit dem Rest der 1,4 Millionen Stadt? Mit den Menschen, die keinen BMW-Human-Resource vorzeigefähigen Lebenslauf haben, dafür aber das kreative Potenzial dieser Stadt ausmachen?

Die schämen sich und vermissen Diversität. Und sie fragen: Was passiert, wenn eine Stadtmentalität nur noch vom Geld geprägt ist und eine auf Effizienz und Hochglanz ausgerichtete Kulturpolitik hat? Diese Menschen eint das Gefühl, dass hier etwas schief läuft. Warum legt zum Beispiel die Kulturförderung dieser Stadt Bedingungen fest, welche Kunst förderungswert ist und welche nicht?

München ist „langweilig, uninspirierend, engstirnig“

Genau diese Leute taten sich unter den Namen Monokultur München Mitte Oktober 2016 zusammen; unter ihnen Barbetreiber, Künstler, Autoren, Theatermacher, Rechtsanwälte und Kunstgeschichtsprofessoren. Das kollektive Gefühl: München ist „langweilig, uninspirierend, engstirnig“, so einer der Initiatoren Matthias Hirth. tumblr_ofb8gzpxtq1vijujvo1_400

Im Umfeld der Favorit Bar organisierte die Gruppe eine Veranstaltungsreihe und diskutierte immer Montags über die eingleisige Kulturförderung, Kunst als Überflussökonomie und darum, ob es „Geld frisst Kunst“ heißt oder „Kunst frisst Geld“. Medienwirksam war natürlich auch der Ausruf, als Sebastian Schnitzenbaumer vom Schallplattenlabel Schamoni Musik, die Stadt München wegen ihres schlechten Images verklagen wollte. Den Monokultur-München Machern Stephan Janitzky und Matthias Hirth geht es vor allem darum, eine öffentliche Debatte losgetreten zu haben. Im Fokus: die Gentrifizierung und wieviel kreative Freiräume die Stadt bietet. Ende Januar oder Anfang Februar geht die Veranstaltungsreihe weiter.

Wir haben ganz im Sinne des ersten Abends „Munich, should I stay or should I go now“ zwei Künstler gefragt, wie sie das Image Münchens wahrnehmen.

In diesem Beitrag stellen wir Carsten Nolte vor, der von Leipzig nach München zog und im nächsten Artikel das Swan Collective, das es letzten Sommer von München nach Berlin verschlagen hat.

Carsten Nolte, 1976 in Marsberg, Nordrheinwestfalen, geboren, war zuletzt bei der Favoriten III Ausstellung im Lenbachhaus zu sehen gewesen und zog von Leipzig nach München.

MUCBOOK: Carsten, warum München?

Carsten Nolte: Wir reihen uns ein in den Strom der Zugezogenen, die allein wegen der Arbeit hierher gekommen sind. Hört man oft, nicht wahr? Weil dieser Job aber nicht mir galt, kann ich behaupten, dass ich allein der Liebe wegen nach München gekommen bin. Ich hatte gerade mein Diplom in der Tasche und es war mir im Grunde recht einen neuen Lebensabschnitt woanders zu beginnen. Obwohl sich Leipzig zu der Zeit in das heutige Klein-Berlin zu verwandeln begann.

Was unterscheidet die kreative Szene Münchens von anderen Städten wie Leipzig?

carsten nolte

Carsten Nolte

Ich kann nicht wirklich über die kreative Szene Münchens urteilen, weil ich nicht wirklich mit ihr interagiere. Nicht dass ich nicht wollen würde, aber es hat sich aus den gemeinsamen Schnittstellen keine weitere Zusammenarbeit ergeben. Mir erschien die kreative Szene sehr vereinzelt und nicht verortet.

In Leipzig wurde man von der Stadt beinahe dazu genötigt die vielen Leerstände, die es in München nicht gibt, zu nutzen, damit die Substanz der Häuser nicht vollends hinüber ging. Die beiden Städte können von dem Standpunkt aus betrachtet nicht gegensätzlicher sein.

Die Leipziger Szene musste sich formieren um sich die Räume zu erschließen. Da war es dann auch egal, oder aus dieser Perspektive gesehen, genau richtig, dass die Kunsthochschule keine Ateliers für ihre Studenten vorgesehen hatte. Diese Räume hat sich die kreative Szene in Form dieser Leerstände natürlich genommen und sie konnten diese Orte über die Studienzeit hinaus als Orte für die Subkultur in der Gesellschaft etablieren.

Und es wurden Experimente ohne Aussicht auf Erfolg unternommen. In München musst du alles knallhart durchkalkulieren. Du kannst dir keine Experimente leisten.

In Leipzig konnten sich viele mit Hartz 4 und einen Nebenjob wunderbar über Wasser halten. Das hatte schon beinahe den Anstrich eines bedingungslosen Grundeinkommens. Aber Hartz 4 bringt auch eine Form der Lethargie mit sich, die ich negativ in Erinnerung habe. Viele hatten sich zu meiner Zeit damit abgefunden. Es fehlte an Perspektiven. Weil die Arbeit rar und durch Niedriglöhne entwertet war, blieb allein Hartz 4 als ein annehmbares Mittel für den Lebensunterhalt übrig. Für München ist Hartz 4 sicherlich kein Erfolgsrezept, weil genügend fair bezahlte Jobs vorhanden sind.

Was denkst du fehlt hier?

Definitiv fehlt es hier an Raum und Zeit. Wenn ich in München unterwegs bin, habe ich oft den Eindruck, dass jeder Ort definiert ist. Als ich in Leipzig unterwegs war, hatte ich den Eindruck, dass man die Stadt noch prägen und mitgestalten konnte. Als ich hierher kam, sah ich mich umstellt von Polizisten und anderen Ordnungsmenschen, die in meinen Augen eine Oberfläche instand hielten, auf der alles was von der Normalität abzuweichen schien, nicht toleriert war. Alles war so langweilig, angepasst und glattgebügelt. Und in den Bügelfalten wurde die Subkultur solange geparkt und geduldet, bis wieder drüber gebügelt wurde und der Umzug in die nächste Falte anstand. Bald verschwindet die letzte große Bügelfalte am Leonrodplatz. Es entsteht das Bild einer makellosen Oberfläche ohne Differenzen.

Wie wichtig erscheint dir die „Monokultur München“-Debatte?

Die wenigen Freiräume im Sinne von Zeit, die mittels Stipendien von der Stadt München geschaffen werden, sind genauso elitär ausgerichtet wie in anderen Städten und zielen damit nicht auf die Förderung einer breiten Szene. Auch die Stiftungen und die Unternehmensförderung operiert nach diesem Modell. In wieweit die bestehenden Modelle für die derzeitige Situation der kreativen Szene Münchens noch sinnvoll sind, ob sie reformiert werden müssten, oder um neue Modelle erweitert werden sollten, für all diese Fragen ist die Monokultur-Debatte ein wichtiges Format. Damit hat die Szene an sich viel gewonnen: Einen Anfang in Form eines Ortes und der öffentlichen Aufmerksamkeit für ein gemeinsames Nachdenken über bestehende und veränderbare Strukturen.


Wenn du auf dem Laufenden bleiben willst, kannst du der Öffentlichen Facebook Gruppe von Monokultur München beitreten.

 

(c) Beitragsbild: Carsten Nolte

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