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“Rise Up: Feminist Voices Trump Hate” – Theater vs. Hass im EineWeltHaus

Caroline Giles

Fast einen Monat ist es nun her, dass unser Zeitlinie sich anscheinend – auch offiziell – mit der einer dystopischen Welt überschnitten zu haben scheint. Die ersten vier Wochen der Trump-Regierung waren chaotisch und ziemlich skurril: von diplomatischen Desastern, juristischen Machtkämpfen, dem Bau einer vollkommen unnützen Mauer, Resignationen im Trump’schen Kabinett und der Etablierung “alternativer Fakten” war alles dabei. Doch auch Widerstand gegen die Maßnahmen der US-Regierung mobilisierte sich.

Vor diesem bizarren Hintergrund gibt das feministische Theaterstück “Rise Up: Feminist Voices Trump Hate”, welches am 16./17.02. im EineWeltHaus zu sehen ist, all jenen eine Stimme, die Kritik üben wollen. In Monologen, Gedichten und Song-Einlagen formuliert die Gruppe internationaler Feministen und Feministinnen persönliche Geschichten und Eindrücke über aktuelle Probleme in unserer Gesellschaft, von unrealistischen Schönheitsidealen bis zu sexueller Gewalt. Alle Einnahmen des Stückes – übrigens auf Spendenbasis – kommen der ACLU zugute, die sich für Bürgerrechte und Meinungsfreiheit in den USA einsetzt, sowie der Organisation Planned Parenthood.

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Em Filer (dritte von links)

Mucbook hat die jungen Regisseurinnen Sophia Gonzalez und Em Filer – beide US-Amerikanerinnen und Feministinnen – auf eine Tasse Kaffe und ein herzhaftes Frühstück getroffen und über ihre aktuelle Produktion, “the Donald” und “Feminazis” gesprochen.
MUCBOOK: Wie genau seid ihr auf die Idee gekommen, im Rahmen des “Munich Feminist Project” gerade diese Theaterproduktion auf die Beine zu stellen?

Sophia: Mit der Idee haben wir schon eine ganze Weile lang gespielt, sind aber nie dazu gekommen. Und dann wurde das Schock-Ergebnis der letzten US-Wahlen bekannt – ich hätte niemals gedacht, dass so etwas wirklich passieren würde! Ich konnte es einfach nicht fassen. Ein, zwei Tage später habe ich dann Em kontaktiert und ihr gesagt: “Ich will das Projekt jetzt sofort angehen! Ich will das Gefühl haben, etwas zu unternehmen.” Wir wussten natürlich, dass wir für dieses Projekt ein limitiertes Zeitfenster haben, weil wir das Stück möglichst zeitig nach der Inauguration aufführen wollten. Das war dann extrem stressig, weil wir wussten, wie wenig Zeit uns für die Proben bleibt.

Em: Sophia und ich haben uns auf einer Universität in New York kennen gelernt. In meinem letzten Studienjahr bin ich einer feministischen Vereinigung auf dem Campus beigetreten, die z.B. Produktionen von “The Vagina Monologues” organisiert haben. Ein Problem dieses Stücks ist jedoch, dass die Monologe vorgegeben werden. Drei Mitgliederinnen unserer Vereinigung haben sich dann vorgenommen, ein eigenes Stück auf die Beine zu stellen, das sich zwar an “The Vagina Monologues” anlehnt, aber von allen Mitwirkenden selbst geschrieben wird. Das war so eine tolle Erfahrung, so beeindruckend und bewegend. Ich habe es so genossen, die Möglichkeit zu bekommen meine eigenen Worte zu verwenden und meine eigenen Erfahrungen mitzuteilen. Das war für mich eine große Inspiration für unsere aktuelle Produktion “Rise Up: Feminist Voices Trump Hate”.

Rise Up: Feminist Voices Trump Hate” folgt nicht den Regeln einer “traditionellen” Theaterproduktion, sondern setzt sich aus einzelnen Gedichten, Songs und diversen Monologen zusammen. Warum?

Sophia: Als ich damit angefangen habe, das Theaterstück zu konzipieren und potentielle Mitwirkende zu kontaktieren, habe ich immer großen Wert darauf gelegt zu betonen, dass sie auf der Bühne alles tun können, was sie wollen und alles sagen können, was sie sagen wollen. Letztendlich hat das dazu geführt, dass während des Stücks Songs, Gedichte, Märchen und diverse Monologe – z.B. auch Überarbeitungen von Shakespeares Texten – aufgeführt werden. Die Frage, die ich ihnen gestellt habe, war damals: “Wenn Du die Chance hättest, einmal öffentlich zu sagen, was Du schon immer sagen wolltest – was wäre das?”

Em: Herausgekommen sind dabei wirklich beeindruckende Monologe und Performances – thematisch reichen sie von Abtreibungen, über arrangierte Ehen, Essstörungen und sexuelle Übergriffe. Jede Person hat ihre eigene Geschichte zu erzählen, aber oftmals nicht die nötige Plattform. Wir wollten ihnen die Möglichkeit geben, ihre Geschichten in ihrer eigenen Stimme auf der Bühne zu teilen.

MUCBOOK: Was genau versucht ihr mit eurem “Munich Feminist Project” zu erreichen?

Sophia: Nachdem die Produktion von “Rise Up: Feminist Voices Trump Hate” bereits begonnen hatte, habe ich immer wieder zu hören bekommen, dass Leute gerne früher von unserem Stück erfahren hätten und sich wahnsinnig gerne engagieren würden. Genau deshalb haben wir das “Munich Feminist Project” ins Leben gerufen – damit wir gemeinsam zukünftig in der Lage sind mehr zu erschaffen, mehr zu produzieren, mehr zu tun.

Em: Wir – also die Mitwirkenden unseres Projekts – haben auch alle einen gewissen Hintergrund im Theater, daher lag es natürlich nahe, ein Theaterstück zu produzieren, um eine Botschaft zu vermitteln, und um etwas zu bewirken. Unsere Einnahmen spenden wir an Planned Parenthood und an die ACLU – obwohl es uns in erster Linie gar nicht so wichtig ist, Geld aufzubringen. Wir machen das alles, um Geschichten zu erzählen und ein Umdenken zu bewirken.

MUCBOOK: In den Kommentarspalten des Internets tobt derzeit ja ein ziemlicher Krieg zwischen Feministen und deren Gegnern. Was haltet ihr von Beleidigungen wie “Feminazi”, und was für eine Rolle nimmt der Feminismus überhaupt in unserer modernen Gesellschaft ein?

Sophia: Jemand hat auf unserer Facebook Seite ja tatsächlich einen Hass-Kommentar hinterlassen – wir wären eine “hate gang”. (Sophia und Em müssen beide unweigerlich lachen) Unser allererster Instinkt war es, den Kommentar zu löschen, aber dann haben wir uns dagegen entschieden: stattdessen haben wir ihn zu unserem Stück eingeladen, einfach weil er genau die Art Person ist, mit der wir in einen Dialog treten möchten. Das ist eine Konsequenz, die ich aus dem US-Wahlergebnis gezogen habe: wir müssen – auch wenn es manchmal echt fürchterlich ist – offene Diskussionen über die Probleme unserer Gesellschaft führen, und wir müssen uns gegenseitig mehr zuhören.

Em: Ich persönlich finde den Begriff “Feminazi” ja wirklich total unmöglich und respektlos den Opfern des Holocaust gegenüber. Im Grunde sollte niemand als “Nazi” bezeichnet werde, außer tatsächliche Nazis … so wie Steve Bannon [Trumps Chefstratege, An. d. Red.]! (lacht) Die beiden Begriffe, die mir in diesem Kontext persönlich am häufigsten auffallen, sind “Feminazi” und “Libtard”. Es ist einfach so unglaublich schwierig, eine produktive Diskussion über so ein sensibles Thema wie den Feminismus zu führen – ganz besonders online! Es ist so einfach, einen Kommentar falsch zu interpretieren – sogar eine eher harmlose Konversation kann deshalb schnell in einen richtigen Streit übergehen.

Sophia: Viele Leute argumentieren ja, dass wir den Feminismus nicht mehr brauchen – wir könnten doch jetzt immerhin auch wählen. Anscheinend bedeutet das, dass wir deshalb jetzt “alles” haben und machen können – obwohl das Recht zu Wählen eigentlich ein grundlegendes Menschenrecht sein sollte. In unserem Theaterstück sprechen wir Problematiken an, die innerhalb der Gesellschaft deshalb oftmals heruntergespielt werden und für die sich Frauen andauernd rechtfertigen müssen: von solch ernsthaften Vorfällen wie sexueller Gewalt, bis hin zu Dingen wir der weiblichen Körperbehaarung.

Em: “Ihr könnt wählen, ihr könnt arbeiten, ihr könnt heiraten wen ihr wollt – herzlichen Glückwunsch, ihr seid gleichberechtigt!” In der Realität sieht das aber ganz anders aus, (Un-)Gleichheit ist wesentlich nuancierter. Einigen Männern fällt es wirklich schwer, diese täglichen “Mikro-Aggressionen” gegenüber Frauen wahrzunehmen, schlicht und einfach weil sie davon nicht betroffen sind. Genau deshalb versuchen wir ja, über diese Themen immer und immer wieder offen zu sprechen.


Nach dem Interview sitzen wir noch eine ganze Weile im Café und diskutieren weiter – die Thematik ist schlicht und einfach zu interessant, zu aktuell, zu drängend, um sie einfach so abzuhaken und hinter sich zu lassen. Dazu ist die Emotionalität einfach zu hoch. Eines ist Sophia und Em aber sehr wichtig: “Wir würden niemals versuchen, Hass mit Hass zu bekämpfen. Wie wollen ein Bewusstsein für diverse Problematiken entwickeln, einen Dialog führen, nicht einfach nur still sein!” Daher auch der Titel des Stückes, der natürlich auch als Wortspiel gedacht ist: “Feminist Voices Trump Hate” – “Feministische Stimmen übertrumpfen Hass”.


In aller Kürze:

Wann? 16./17. Februar

Wo? EineWeltHaus München

Wie viel? So viel ihr geben wollt!

Das Stück wir in englischer Sprache aufgeführt.


Beitragsbild: Joseph Marsella Fotos: privat

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