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“In 20 Jahren sind wir die zerstrittene Version von Fettes Brot” – Die Antilopen Gang im Interview

Benjamin Brown

Die Antilopen Gang gilt derzeit als politischste Crew im deutschen Mainstream-Hip Hop. Mit einem neuen Album und vielen politischen Aussagen im Gepäck spielten sie am 11. März im Technikum. Sascha Gontcharov hat das Trio bestehend aus Koljah, Danger Dan und Panik Panzer in einem winzigen Backstage-Raum getroffen und dabei über ihr neues Album, Streaming und Superkräfte gesprochen.

 

Hey Jungs! Fangen wir doch mit etwas aktuellem an: eurem neuen Album. Wie war aus eurer Perspektive die allgemeine Resonanz auf die Platte?

Koljah: Ich glaube es gab auf jeden Fall noch nie so viel Resonanz auf eine Veröffentlichung von uns. Ich hab mir dabei wahrscheinlich schon so 50 Plattenkritiken durchgelesen und da war eigentlich alles dabei – es gab ein paar Verrisse und ein paar Lobeshymnen. Ich hab von beidem jeweils gutes und schlechtes gelesen, und ich finde das immer besser, wenn die Sachen nachvollziehbar sind oder irgendwie begründet sind. Mir ist ein guter Verriss lieber als eine schlechte Lobeshymne, da kann ich mehr mit anfangen, muss ich ehrlich sagen…
(Danger Dan kommt noch dazu, entschuldigt sich aufrichtig bei allen)
Koljah: Wir sind hier mitten im Interview, ich wünschte du würdest mich nicht unterbrechen! Da bin ich jetzt natürlich sauer, und werde meinen Satz nicht beenden. (zu Dan) Ich sag dir mal was, das Interview läuft schon drei Minuten, da platzt man nicht einfach so rein. Da ist man mal n bisschen demütig, da sagt man gar nix. (lacht)

Ihr werdet (zu) oft als politische Band bezeichnet. Kriegt man dadurch eine gewisse Verantwortung aufgezwungen?
Koljah: Kommt ein bisschen darauf an, wem gegenüber man eine gewisse Verantwortung hat und welche das sein soll. Wir sind, glaube ich, schon eher so drauf, dass wir das von uns weisen, aber es gibt Momente wo ich denke, ich kann Verantwortung für mein Publikum übernehmen – aber das muss nicht politisch sein. Das kann sich dadurch zeigen, dass ich kurz das Lied unterbreche, wenn ich sehe, dass die beim Moshpit hinfliegen, und sage: „Hey Leute, hebt euch mal auf!“. Aber ich muss mich nicht inhaltlich beschränken und Sachen anders formulieren, weil mir viele Leute zuhören.

Dann springen wir mal zu einem ganz anderen Thema: Streaming. Sind Spotify, Youtube und Co. vielleicht dafür verantwortlich, dass Musik ihren Wert verliert? Oder wirken sie sich positiv auf die Musikwelt aus?
Panik Panzer: Eigentlich braucht man das gar nicht mehr diskutieren, weil das eh schon entschieden ist. Streaming wird die einzige Musik-Konsum-Form sein, die es gibt. Sicherlich ist da diskutabel, ob das am Ende so fair ist für den Künstler oder nicht, aber ich finde es ist auf jeden Fall eine sehr gute Sache, dass Musik für alle frei zugänglich ist.
Danger Dan: (lacht) Spotify hat ja auch das Konzept der Antilopen Gang geklaut. Wir haben früher alle unsere Alben umsonst ins Internet gestellt, die kann man sich nach wie vor kostenlos runterladen. Alles in allem wollen wir aber natürlich mehr Geld, nicht dass das fair geteilt wird, sondern dass wir natürlich am meisten haben von dem Streaming-Game.
Koljah: Man muss aber auch sagen, dass wir uns früher natürlich wesentlich dümmer angestellt haben als Spotify. Wir sind nicht draufgekommen, so Werbung zwischenzuschalten. Wir haben‘s halt einfach nur verschenkt.

Danger Dan

Also im Prinzip hat euch Spotify die Idee geklaut. Doch vom materiellen Wert abgesehen, geht da nicht viel verloren? Das ist ja nicht mal mehr eine Platte oder CD die man sich bewusst anhört, man kann alles auf einmal hören.
Danger Dan: Das Konsumverhalten der Menschen ändert sich halt und sowas wie ein Booklet wird eventuell einfach verschwinden, wenn das nicht dankend genug angenommen wird. In ein paar Jahren macht es wahrscheinlich Sinn, wenn man nur ab und zu einen einzelnen Song auf einer Streaming-Plattform hochlädt. Die wenigstens hören sich ja ganze Alben an, eher Playlists – eigentlich ja super. Aber ein Album zu schreiben ist nochmal was anderes als ein Lied zu schreiben. Bei der Antilopen Gang heißt es, ein Album zu machen, auch mal Lieder auszusortieren, weil sie nicht gut sind oder aufs Album passen.
Koljah: Ist natürlich der Nachteil, dass viele Lieder dann irgendwo auf unserer Festplatte verstauben.
Danger Dan: Ich denke schon, dass, wenn sich die Menschheit so weiterentwickelt, es sein könnte, dass es so eine Arbeitsweise wie wir sie haben, mit einem Album, nicht mehr geben wird. Da geht auch was verloren, glaube ich, aber es wird auch etwas neues, spannendes entstehen. Ich finde es eigentlich interessant eine Playlist zu hören, das ist wie in den 80ern mit einem Mixtape.

Und was hört ihr selber aktuell so?
Koljah: Ich find „Prezident“ gut, so ein Rapper aus Wuppertal. Den höre ich gerne…
Danger Dan: Ich höre grade viel „Die Prinzen“ wieder. Dieser Gesangsquatsch mit dem rothaarigen Dude, der eine schöne Stimme hat. Nicht die Acapella-Sachen, sondern wo sie über diesen Stumpf-Deutsch-Rock singen, das ist klasse.
Würde es euch irgendwann zu anderen Musikrichtungen ziehen?

Koljah: Wir machen das ja grade, bei unserer Live-Show spielen wir auch Punkrock-Songs, wir haben eine Band mit dabei.
Danger Dan: Wir haben momentan mehrere Live-Set-Ups in einer Show: die klassische Hip-Hop-Show, DJ-Turn-Table-Mic-Mäßig…
Panik Panzer: (lacht) … Nur, dass wir keine Turn-Tables haben!
Danger Dan: Dann haben wir eine Punk-Show, ne Klavier-Einlage und dann so eine Hybrid-Geschichte, wo wir das alles so ein bisschen vereinen und so freundeskreishafter Studenten-Rap entsteht.
Panik Panzer: Ansonsten habe ich mal so ein Gabba-Trap-Projekt gemacht für ein Konzert, weil ich bemerkt habe, dass – wenn man die Geschwindigkeit von Trap-Songs verdoppelt – man auf die Geschwindigkeit von Gabba kommt. Das kann man gut ineinander übergehen lassen, vielleicht mach ich da eines Tages mal was draus, wenn das alles hier zu langweilig wird.

Welche Superkraft hättet ihr gerne?
Danger Dan: Das ist eine krasse Frage, weil das tatsächlich eine Analysefrage von Therapeuten ist.
Koljah: Ich hätte gerne so ganz klassisch Wünsche frei. Ist das eine Superkraft? Ist ja auch egal wie viele Wünsche, ich würde mir wünschen unendlich viele zu haben.
Panik Panzer: Ich wär gerne empathisch.
Koljah: Das würde mich auch freuen. Das wäre mein zweiter Wunsch.
Danger Dan: Ich kann auf die Frage nicht richtig antworten, weil ich mich mal ausführlicher damit auseinander gesetzt habe. Mich hat das mal eine Freundin, die auch Therapeutin ist, gefragt. Meine Antwort war „unsichtbar sein“, und das ist anscheinend eigentlich mega vermeidendes Verhalten.

Von Superkräften zurück in die Realität: Wo seht ihr euch in 20 Jahren?

Koljah: 2037…
Panik Panzer: Ich würde sagen, wir sind dann sowas wie Fettes Brot. Also machen halt so Popmusik und sind so ne zerstrittene Pop-Musik-Band… Also Fettes Brot sind nicht zerstritten, ich hab sogar gestern Abend gefragt. Bei denen gibt’s gar keinen Streit, im Gegensatz zu uns! (lacht) Das ist echt interessant. Ich sehe uns als die zerstrittene Version von Fettes Brot in 20 Jahren.

Gibt schlechteres. Sehr optimistisch.
Koljah: Ich glaube, das ist nicht abzusehen, vermute aber es wird ähnlich sein wie in „Die Anwälte“, dieser einen Doku. Die haben sich alle komplett weit voneinander entfernt, sind auch politische Gegner, die sich an den ein oder anderen Stellen überschneiden. Ich könnte mir vorstellen, dass über uns auch so eine Doku gedreht wird, die heißt dann „Die Rapper“.
Panik Panzer: Danger Dan hat dann so ein Harem gegründet und ist voll auf Yoga und so. Ich bin halt Koch und leite ein Sterne-Restaurant und Koljah ist eine verwirrte Polit-Gestalt, die auch mittlerweile so ein bisschen irre geworden ist und mit so einem Blick wie ein Ken Jebsen sehr vehement versucht, ihre kruden politischen Ansichten durchzusetzen.
Danger Dan: „Der Bau dieser Straßenbahn ist ein Angriff auf uns alle und auf die Menschlichkeit! Und ist symbolisch vergleichbar mit einem Massenmord! Wir müssen uns mit ALLEN Mitteln dagegen wehren.“ (lacht)
Koljah: Aber ich würde bestimmt nicht Menschlichkeit sondern Menschheit sagen. Das ist so ein Übersetzungsfehler.

Danke für das Interview! Wir sehen uns 2037!


Fotos & Text: Sascha Gontcharov

 

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