Glyptothek_Schönheit
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Proper Pobacken und antike Muskelmassen – mit einem Schönheitschirurg in der Glyptothek

Der Begriff von körperlicher Schönheit scheint in München nirgends so zeitlos zu verweilen wie in der Glyptothek. Bei einem Rundgang durch die Skulpturensammlung berichtet uns der Schönheitsmediziner Dr. Keywan Taghetchian wer sein Münchner Klientel ist, was es mit der reitenden Oberlippe auf sich hat und warum auch Männer unter resting-bitch-faces leiden. 

Als erstes bleiben Keywan und ich vor dem Münchner Kouros stehen. 2,08 Meter groß aus dem 6. Jahrhundert vor Christus. Wir daneben.

Keywan, warum bist du Schönheitschirurg geworden?

Schönheitschirurg ist leider kein geschützter Titel, deshalb bezeichne ich mich lieber als Schönheitsmediziner. Das kommt auch daher, weil ich nicht mehr chirurgisch tätig bin. Jetzt habe ich mich auf nicht invasive Behandlungen spezialisiert. Es war dann aber eine tolle Möglichkeit für mich, das medizinisch-technische mit dem Ästhetischen und dem Künstlerischen zu verbinden.

Du begreifst dich als Künstler?

Ja, eigentlich schon. Da jeder Patient oder Kunde, der zu uns kommt individuell behandelt wird. Und das geht nicht nach Schema X, also nur nach gängigen Schönheitsidealen. Man muss sehen, was am besten zu dem Menschen passt, und dann neu formen. Ein bisschen wie Photoshop in echt, oder wie im Atelier eines Skulpturenkünstlers.

Wonach richtest du dich dabei?

Nach dem Kontinent und der Kultur und natürlich den Vorstellungen des Patienten. Asiaten haben ganz andere Vorstellungen und auch körperliche Voraussetzungen als zum Beispiel Europäer oder Amerikaner. Überspitzt gesagt, in Russland und Amerika soll man die Schönheits-OP sehen, in Europa dagegen soll es ganz natürlich aussehen. Auf keinen Fall künstlich.

Was würdest du an dieser Skulptur hier ändern?

Also als erstes fällt mir tatsächlich das kleine, fast nicht vorhandene männliche Glied auf.

Und das könntest du ändern?

Ich persönlich nicht, aber theoretisch könnte man mit Füllstoff, also Hyaluron, das Glied verdicken. Wird auch häufig gemacht, vor allem in Skandinavien. In München weniger. Häufiger wird hier tatsächlich der G-Punkt der Frau aufgespritzt. Es gibt eigentlich fast nichts, was man nicht machen kann in der Schönheitsmedizin.

Und was stört dich an ihm noch?

Da er ein paar Schäden im Gesicht hat, als wäre er hingefallen, kann man hier auch mit Hyaluron arbeiten und viel wiederherstellen, die Wange ausgleichen, die Nase modellieren etwa. Aber sonst hat er die Zeit gut überstanden. Er ist nicht so faltig.

Hast du deine eigenen Stirnfalten eigentlich auch lahmlegen lassen?

Ja, ich habe seit fünf Jahren eine gebotoxte Stirn, denn der elegante Wert von Botulinumtoxin ist der prophylaktische. Heißt man lässt die Falten erst gar nicht entstehen. Das Ziel sollte aber immer sein, nicht komplett faltenlos zu sein, sondern einfach frischer auszusehen.

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Als nächste Skulptur kommen wir bei unserem Rundgang beim Baberinischen Faun an, 220 v. Chr.

An ihm gibt es nichts auszusetzen, oder?

Nein, erst einmal nicht. Abgesehen vom fehlenden Arm ist er idealtypisch gebaut. Wenn man aber ganz genau schauen würde, hat er ganz leicht eine Nasolabialfalte.

Was für eine Falte?

Das ist die Falte, die vom Nasenflügel zum Mundwinkel geht. Außerdem sieht er sehr angestrengt aus, also die Zornesfalte zwischen den Augenbrauen ist sehr ausgeprägt. Also ganz so entspannt, wie er dort liegt, ist er offenbar nicht. Und vor allem, so eine Falte wird mit Grimmigkeit und Wut assoziiert. Ich empfehle hier eindeutig Botulinumtoxin, das würde zu einer Entspannung der drei dafür verantwortlichen Muskeln führen und er hätte einen entspannten Blick.

Weniger Zornesfalte wird also mit mehr Souveränität assoziiert?

Ja. Ich habe zum Beispiel immer wieder männliche Lehrer, die meinen, ihre Schüler denken permanent sie seien böse. Derweil ist es leider nur ihr normaler Gesichtsausdruck.

Unter dem resting-bitch-face leiden auch Männer.

Absolut. Und deshalb wünschen sich meine Patienten, das man ihnen da hilft. Gesundheit ist ja nicht nur das Fehlen von Gebrechen, sondern auch ganzheitliches Wohlbefinden.

Wer kommt in München zu dir?

Eigentlich jeder. Von der normalen Angestellten, die sich das monatelang zusammenspart bis hin zur Grünwald-Lady, die sich eben mal eine Behandlung aus der Portokasse leistet.

Macht denn Schönheit nicht auch mal das Nichtperfekte aus?

Doch, absolut. Deshalb wiegel ich auch häufig ab, wenn Patienten Faltenlosigkeit und zu viel Symmetrie verlangen. Da muss man als Arzt auch mal Grenzen setzen.

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Unser Rundgang führt uns weiter nach hinten zu unserer letzten Skulptur, einer weiblichen Marmorskulptur.

Dein Statement zu dieser Skulptur?

Also bei der guten Dame ist die Stirn etwas zu niedrig und die Lippen zu unproportioniert. Die Unterlippe sollte 20 bis 30 Prozent größer sein, damit die Oberlippe auf der größeren Unterlippe reitet. Hier sind sie ja fast gleich groß.

Muss ja nicht so eine Nase wie von Michael Jackson sein, aber hast du ein Merkmal, an dem man „deine Arbeit“ erkennt?

Bei uns gilt zwar immer weniger ist mehr, allerdings würde ich behaupten von meinen Kollegen bin ich immer derjenige, der Akzente setzt mit einer Lippe, die leicht an die Grenze der Unnatürlichkeit kommt.

Ist denn das Schönheitsideal in der Glyptothek noch aktuell und wie schätzt du die Rolle der Medien heute ein?

Die weiblichen Skulpturen hier sind ja hauptsächlich etwas üppiger. Genau das kommt gerade wieder. Mit Kim Kardashian verändert sich das Idealbild der Frau. Das sieht man in meinem Job gut an den Brust-Ops, die zurückgehen und an Operationen mit Po-Implantaten, die zunehmen. Durch die sozialen Medien werden natürlich auch unser Kunden immer jünger. Der Druck ist heute enorm hoch, das perfekte Selfie für Instagram zu schießen. Doch genau das macht einen guten Arzt aus, das ein oder andere Mal dagegen zu halten.

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Bilder: Vielen Dank an Manuel Nieberle für die tollen Aufnahmen!

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