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In Giesing nichts Neues: 1860 (mal wieder) in der Relegation

Benjamin Brown

Spätestens wenn heute ab 18 Uhr wieder der Ball rollt, dürfte selbst dem letzten verträumten Löwenfan klar sein: Der Ausgang einer leidenschaftslosen, leidvollen und desaströsen Saison wird in den folgenden 90 (oder 120) Minuten entschieden. Einige mögen es als naiv ansehen, lediglich den Ausgang einer Saison an dem Ergebnis festzumachen. Laut ihnen geht es um nichts weniger als die Zukunft des weiß-blauen Traditionsklubs, es ist das letzte Rollen der Würfel, das alles entscheidende Spiel.

Und natürlich haben diejenigen Recht, die behaupten, dass das Ergebnis die Zukunft des TSV 1860 München bestimmen wird. Schließlich gilt es den drohenden Abstieg in die 3. Liga zu verhindern.
Doch: Dieselbe Rhetorik haben wohl viele der 60.000 Fans noch genauestens in Erinnerung, die sich heute Abend in einem letzten potenziellen Akt der Selbstgeißelung in die Allianz Arena begeben. Vor fast genau zwei Jahren nahm man damals den viel zu weiten Weg aus Giesing in die blau erleuchtete Arena auf sich. Auch damals galt es den Abstieg um jeden Preis zu verhindern. Damals hieß der Gegner Holstein Kiel statt Jahn Regensburg und das Hinspiel war 0:0, nicht 1:1 ausgegangen. Doch das ist, trotz eines fast vollständigen Wechsels des Personals, wohl der größte Unterschied.

Angst gemischt mit Optimismus

Die Stimmung damals war erfüllt von Angst, gemischt mit einem Hauch übrig gebliebenem Optimus. Das verärgerte, verbitterte aber vor allem gerechtfertigte Nörgeln der Löwenfans lässt meist Platz für ein sehnsüchtiges Erträumen einer besseren Zukunft. Nur geht der Blick hierfür meist nicht nach vorne in die Zukunft, sondern weit, weit nach hinten. Als die Löwen noch Löwen und die sportlichen Erfolge mehr als abgewendete Abstiege waren.

Auch vor dem anstehenden Rückspiel der Relegation 2017 ist die Stimmung nicht wesentlich anders. Bei einigen hat der Unmut vielleicht sogar noch zu-, der Optimismus abgenommen. Aber eigentlich lässt sich feststellen:

In Giesing nichts Neues.

Gründe für die Angst gibt es mit Blick auf das Hinspiel und den Gegner, den Drittplatzierten der 3. Liga, ausreichend. Im Hinspiel am vergangen Freitag in der Regensburger Continental Arena war, da sind sich wenigstens alle in München einig, Jahn Regensburg die stärkere Mannschaft. Dass sich der TSV dennoch ein 1:1 sichern konnte, ist für das Rückspiel enorm wichtig: Das Auswärtstor könnte spielentscheidend wirken und hat zur Folge, dass die Löwen nicht einmal ein Tor erzielen müssen, um das Spiel und somit den Klassenerhalt zu gewinnen.
Eigentlich ist “sichern” aber der falsche Ausdruck, wenn man sich auf die Leistung der Löwen im Hinspiel beziehen möchte. “Schafe im Löwenpelz” bringt den Teamgeist, den Kampf und die spielerische Leistung der Saison wohl gut auf den Punkt. Gegen Regensburg wird zuhause mehr kommen. Das erhoffen sich zumindest die 60.000 Fans, die einen Nicht-Abstieg, das #Drinbleim mit Sicherheit lautstärker und emotionaler feiern würden, als die roten Nachbarn das bei einer Meisterschaft schaffen.

Neustart dank Abstieg?

Nichtsdestotrotz gibt es genügend weiß-blaue Anhänger, die einen Abstieg in die 3. Liga nicht schlimm, sondern sogar erfrischend finden würden. Die Hoffnung besteht, dass ein Abstieg den in Giesing nicht sonderlich beliebten jordanischen Investor Hasan Ismaik vergraulen und eine Neustrukturierung außerhalb der Allianz Arena anstoßen könnte. Doch selbst ein Abstieg würde wohl kaum Veränderungen in der Organisation des Vereins zur Folge haben. Ismaik möchte bleiben und Veränderungen gab es schon nach dem Fast-Abstieg vor zwei Jahren nicht. Statt auf dem Platz sah man auch damals weiterhin lediglich Kämpfe innerhalb der Vereinsführung.

Heute Abend wird sich zeigen, ob und wie sehr die derzeitigen Spieler des TSV zu kämpfen bereit sind. Leicht wird die Aufgabe nämlich definitiv nicht. Entscheidend wird sein, wie gut die Mannschaft es hinbekommt den Regensburger Erik Thommy, Linksaußen und Vorlagengeber aus dem Hinspiel, zu kontrollieren. Kontrollieren müssen die Löwen allerdings faktisch den gesamten Angriff des SSV. Mit Marco Grüttner an der Spitze erzielte Jahn Regensburg in der 3. Liga nämlich mehr Tore als alle ihre Gegner – inklusive der beiden Direktaufsteiger aus Duisburg und Kiel.

Diesmal weiß ich’s!

Wenn es dann mit der U6 weit vor die Tore der weiß-blauen Stadt geht, wird wieder einmal geklärt, ob sich der TSV 1860 München auch in Zukunft mit Zweitligafußball zufrieden geben kann oder in der 3. Liga herumbolzen muss. Diese Frage ändert aber mal wieder wenig in den Köpfen einiger Anhänger. Vor einigen Tagen wurden auf der Facebook-Seite des Traditionsklubs erneut die Rufe laut, die man direkt nach Saisonende von einigen verwirrten Sechzger-Fans kennt: “Nächste Saison spielen wir um den Aufstieg mit! Diesmal weiß ich’s!”

Heute liegt es an der Mannschaft zu entscheiden, ob diese realitätsfremden Fans von einem Aufstieg in die erste oder zweite Bundesliga träumen dürfen. Spätestens wenn nach einem (hoffentlich eintretenden) erfolgreichen Nicht-Absteigen wieder “Stark wie noch nie” durch die Arena ertönt, zeigt sich, dass manche in diesem Verein einfach nicht dazulernen möchten.

Aber genug gegrantelt, genug Frust abgelassen: Wenn ich heute Abend aus der U-Bahn steige und auf den Prunkbau vor mir zulaufe, werde ich mich ganz genau an die gewonnene Relegation 2015 erinnern. Denn auch wenn dieser Verein mir und vielen anderen so viel Schmerz bereitet, ist dennoch klar: Einmal Löwe, immer Löwe!


Beitragsbild: Pixabay

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