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Kunst im öffentlichen Raum: München baut kleine Häuser für ganz kleine Menschen

Lea Haufler

Habt ihr die Little People gesehen? Sagt ihnen, ihre Häuser sind fertig!

München kann auf Entdeckungsreise gehen! Denn diesen Sommer, von Mai bis Juni, wird Charles Simonds mit seinem Projekt “Dwelling Munich” kleine Häuser aus Ton in den Schaufenstern und versteckten Nischen Münchens platzieren. Workshops, in denen Kinder  mit verschiedenen Herkünften und Ethnien selbst kleine Behausungen für Little People bauen konnten, fanden schon im Mai statt. Einer davon im Hasenbergl. Und auf der Präsentation des Projekts in Hasenbergl ist die Begeisterung der Kinder für Charles und das Projekt unübersehbar. Schon seit den 1970er Jahren baut der New Yorker Bildhauer kleine Behausungen in den Städten der Welt. Und das ganze unter anderem in einem sozialen Kontext.

Charles Simonds hat uns ein paar Fragen beantwortet und das Leben der Little People ein bisschen näher gebracht.

Was können wir von deinem Projekt in München erwarten?

Der Fokus des Projekts liegt darauf, dass Kindergruppen aus verschiedenen Nachbarschaften und mit verschiedenen Hintergründen kleine Fantasiewohnungen aus Lehm und Sand kreieren. Außerdem hat eine Gruppe mit Architekturstudenten der TU München zusammengearbeitet und Wohnungen aus recycleten Materialien gebaut. Dabei haben die Kinder und Architekturstudenten sich gegenseitig inspiriert, die Kinder mit ihren rohen und unbefangenen Ideen und die Studenten mit ihrer strukturierten Herangehensweise. Auch ich werde quer durch München kleine Wohnungen für meine imaginären “Little People” kreieren. Der Fokus soll aber auf dem gemeinschaftlichen Aspekt des Projekts und den Arbeiten der Kinder liegen.

WorkshopSchwabing_Dwelling_Charles_Simonds
Wie bist du auf die Idee gekommen kleine, imaginäre Behausungen für Little People zu bauen?

Ich habe erst einmal damit angefangen, Lehm flach zu drücken und ihn mit Sand zu bestreuen. Das, was daraus entstand, habe ich gleich als einen “Ort“ gesehen, nicht nur als Materialien. Dann habe ich direkt noch ein Haus darauf gebaut und mir schon bald eine imaginäre Zivilisation von kleinen Leuten vorgestellt, die dort gelebt hatten, ihre Geschichten und ihre Reisen. Die letzten 40 Jahre habe ich damit verbracht, diese Fantasie mit den Menschen auf den Straßen zu teilen. Durch das Projekt, das ich mit den Workshops für die Kinder mache, hat sich der Kontext zwar geändert, doch das Grundprinzip ist dasselbe: Ein Geschenk für die Gemeinschaft zu machen, bei dem die Reaktionen und Interpretationen der Passanten und der eigene persönliche Bezug zu den Little People und deren Dwellings ein Teil des Kunstwerks sind.

Und wo finden wir die kleinen Häuschen?

Meine kleinen Wohnungen sollen ohne Ankündigung in der Stadt auftauchen. Man soll ganz zufällig darauf stoßen, weshalb die Schauplätze noch nicht verraten werden. Das ist gerade das Besondere daran, dass die Dwellings für Überraschung sorgen. Dafür verbringe ich in jeder Stadt zwei Tage, um die perfekten Plätze für meine Dwellings zu finden. Nach meiner langjährigen Arbeit kann ich fast schon riechen, welche Orte und Nachbarschaften geeignet sind. Da es in München wenig zerstörte Mauern gibt, ist es hier natürlich etwas schwieriger, Wohnorte für meine Little People zu finden. Es gelingt aber! Im Juli wird es aber eine Ausstellung mit einigen Arbeiten der Kinder im Kunstraum geben, da kann ich den Ort schon mal verraten.

Gab oder gibt es bei deinem Projekt in München eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Städten?

Meine “Little People” haben neben München schon viele Städte eingenommen, New York, Paris, Shanghai, Venedig, Berlin….. Alle Städte, Nachbarschaften und die Kinder, mit denen ich dort arbeite sind auf ihre Weise besonders und einzigartig. Hier in München habe ich in Schwabing und in Hasenbergl Workshops gehabt. Beide waren sehr unterschiedlich und absolut einzigartig. Denn die Kinder aus unterschiedlichen Nachbarschaften bringen auch immer die Stimmung und Gedanken des jeweiligen Ortes mit in ihre Bauten ein. Noch etwas Besonderes in München war, dass gleich die erste kleine Wohnung, die ich hier gemacht hatte, in der ersten Nacht gestohlen wurde… Ein Rekord. Vielleicht spiegelt das, wie materialistisch manche Menschen hier sind.

Welche Reaktionen gab es schon und welche würdest du dir wünschen?

Es gab schon so viele verschiedene Reaktionen, in jeder Stadt sind sie anders. An den Reaktionen der Menschen kann man immer wieder soziologische Beobachtungen hinsichtlich der Stadt oder den Nachbarschaften machen. Die Reaktion der Leute hier in München ist vielleicht ein wenig vorsichtiger als anderswo. Wenn ich mitten in der Stadt ein neues Dwelling baue, schauen die Passanten oft nur zu, sprechen mich aber nicht darauf an. Schüchterne, höfliche Zurückhaltung würde ich es nennen.

Manche Menschen sind viel zu beschäftigt und gestresst, sich meine „Little People“ vorzustellen. Den meisten, besonders den Kindern, fällt es jedoch einfach, das ist natürlich schön zu sehen!  Besonders schön finde ich auch immer, wenn Leute mich ansprechen während ich arbeite und mir ihre Geschichten und ihren Bezug zu den Little People erzählen. Diese Erinnerungen bleiben mir im Gedächtnis. Beispielsweise sagte ein 10-jähriges Mädchen in Paris zu mir, sie wisse alles über die Little People und erzählte mir ihre persönliche Geschichte und ihre Enttäuschungen im Leben. Eine Prostituierte in Italien sah mein Dwelling als etwas Religiöses, platzierte Kerzen drumherum und versuchte, es zu beschützen.

Hasenbergl_Dwelling_Workshop_LittlePeople_CharlesSimonds

Im Hasenbergl konnte man neben dem Spaß am Projekt auch die grenzenlose Fantasie der Kinder sehen. Ob Moscheen, Villen oder Spielplätze – jedes Kind hatte seine eigenen Vorstellungen und Ideen im Sinne der Little People. Ein ganz besonderer Raum, den zwei Mädchen im Hasenbergl für die Little People gebaut hatten, ist der Panikraum. Dort können die Little People rein, wenn ihnen die Welt zu viel wird. Charles Simonds erklärt beim Pressegespräch, dass die Kinder sich beim Workshop einfach und direkt ausdrücken, ohne viel darüber nachzudenken. Dadurch erfährt man oft ungefilterte, persönliche Gedanken der Kinder und kann daraus unter auch politische oder soziologische Botschaften ableiten.

Doch zu sehr intellektualisieren sollte man das Ganze nicht. Denn an erster Stelle steht für ihn das Ausleben und Ausdrücken der Fantasie der Kinder und das gemeinsame Arbeiten. Und die Begeisterung der Kinder, etwas nach eigenen Ideen selber zu bauen, ist bei den Kindern mehr als offensichtlich. Denn wie es ein Kind während einem Workshop einmal sagte: “Ton fühlt sich so an, als würde er wollen, dass man mit ihm arbeitet.”


Bilder © Maximilian Geuter

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