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“Nichts ist ausgeschlossen”: Die junge Münchner Design-Agentur Moby Digg im Interview

Forward

Wir treffen Maximilian Heitsch und Korbinian Lenzer – die Gründer der Designagentur Moby Digg – in ihrem Studio in der Landwehrstraße im Bahnhofsviertel. Draußen, an dieser für München ganz untypisch wuseligen Ecke, herrscht reger Betrieb. Drinnen springen einem erstmal zwei kleine Hunde entgegen. Wir setzen uns ans eine Ende eines langen Tischs und schon sprudelt es aus den beiden raus, noch bevor die erste Frage gestellt oder das Aufnahmegerät angeworfen wäre. Stichwort: Antrieb.

Korbinian: Wir haben uns während dem Studium gegenseitig die Praktikantenverträge unterschrieben und so das Praktikum quasi im eigenen Unternehmen gemacht. Als das von der Uni abgesegnet war, haben wir gesagt wir wollen das in Buenos Aires machen. Die Blase zu verlassen und zu Reisen war schon immer unser Antrieb. Das funktioniert aber auch hier in diesem Viertel so gut, weil es ganz München-untypisch ist – auch nur in diesen vier Blocks tatsächlich, aber diese ganze Münchner-Schickimicki-und-alles-ist-glattgeleckt-Blase, die gibt’s hier halt nicht. Es ist echt und ungeschönt.

Die wollt ihr auch unbedingt vermeiden?

Maximilian: Ja was heisst vermeiden, die Stadt hat wie jede andere ihre Vor- und Nachteile. Wir lieben die Stadt so wie sie ist und kennen auch ihre Schwächen. Aber hier kann man sich tatsächlich ein bisschen fernhalten davon, was in anderen Orten passiert – ohne das aber zu werten. Das muss ja jeder selber wissen. Wir finden es einfach schön, wenn wir daran erinnert werden dass es noch was anderes gibt da draußen. Dass diese Reise im Kopf stattfindet, du raustrittst und Leute siehst die anders sind, die dich inspirieren. Der Sound und was so abgeht und die Mentalität, das liebe ich hier. Wenn du einmal hier in den Supermarkt gehst, sind die Leute so herzlich, das ist einfach schön wenn du solche Erfahrungen im täglichen Leben hast … Es ist was anderes, wenn du beim Gärtnerplatz in den Tengelmann rennst.

Korbinian: … oder wenn du in Schwabing dein Studio hast. Das ist sicher auch schön, aber wir mögen’s ein bisschen rougher.

“Es gibt genug Jobs. Es ist immer besser, sich untereinander zu stärken.”

-Maximilian Heitsch

Braucht ihr diese Eindrücke, die auf einen hereinprasseln? Das ist ja hier schon eher extrem.

Maximilian: Ja, voll. Du denkst halt viel mehr über dich und die Welt nach, wie wichtig das ist was du machst. Für uns ist der Plattformgedanke an sich sehr wichtig und als Grafikdesigner, gerade auch in München, ist es auch wichtig Leute zusammenzubringen. Das sehe ich auch hier, wenn du immer wieder mit anderen Einflüßen konfrontiert bist, denkst du auch viel mehr darüber nach, was du anders machen kannst.

Es fällt beim Betrachten eurer Arbeiten schnell auf, dass dieser Netzwerk-Gedanke und der interdisziplinäre Zugang sehr wichtig sind.

Maximilian: Wir haben ziemlich früh angefangen damit. Chronologisch gesehen, haben wir uns in Buenos Aires gegründet, dann sind wir zurückgekommen und haben erstmal ein ziemlich großes Festival gemacht – das war der AABER Award in einer alten Polizeiwache mit hunderten von Künstlern. Zu dieser Zeit gab’s da nicht so viel, es gab das Puerto Giesing und hier und da etwas. Da war aber so ein Vakuum und wir haben gedacht, “warum nicht einfach die ganzen Leute zusammenbringen und denen eine Bühne geben?” Es war uns wichtig, nicht nur einen Ausstellungstag zu haben, sondern eine Woche da zu sein und aufzubauen, diesen Raum auch zu gestalten. Dadurch haben sich extrem viele Leute vernetzt. Ich weiss auch jetzt noch von Leuten, die sich darüber kennengelernt haben. Das find ich einfach schön.

Korbinian: Das geht los mit “Hey, kannst du mir mal einen Hammer leihen?” und am Schluß hat man dann gemeinsam die Wand eingeknüppelt und aus zwei Räumen einen gemacht. Solche Geschichten sind richtig cool, wenn über diese Zeit hinaus Dinge passieren und sich zusammenfügen und Leute auch darüber hinaus zueinander finden.

Maximilian: Je länger du das machst, musst du dich fragen, warum und wofür du das machst. Leute zusammenzubringen, Austausch herzustellen und vor allem auch Wissen zu vermitteln gibt uns sehr viel. Es ist spannend, wenn du andere Perspektiven hast, die dich ergänzen oder auch mal stören. Die Logik haben wir bei Festivals immer durchgezogen. Letztendlich ist es ein ewiger Lernprozess.

Wie ist es da mit Klüngeleien in München, wie schätzt ihr das ein?

Maximilian: Das ist schon auch sehr stark. Wir sind ein junges Studio und es ist viel Arbeit, diese Connections aufzubauen. Manche haben da auch kein Interesse daran, manche aber sehr. Es ist schon auch Wettbewerb da und die Leute denken teilweise ellenbogenhaft. Ich glaube aber, man kann sich immer eher gegenseitig befruchten. Es gibt genug Jobs. Es ist immer besser, sich untereinander zu stärken.

Korbinian: Wir fühlen uns in dieser Ellenbogenmentalität auch gar nicht wohl, das ist nicht unser Style. Wir haben festgestellt, dass es sich gegenseitig befruchtet, wenn man den Austausch sucht. Dann kommen andere Gedanken mit rein und es passiert unglaublich viel, was wir mega spannend finden. Das geht dann auch soweit, dass wir jetzt an der Hochschule Design unterrichten. Das ist für uns auch sehr spannend zu sehen, wie das eigentlich funktioniert. Es ist schön zu sehen, dass die Studenten da Bock drauf haben und das cool finden. Auf der anderen Seite können wir da auch was mitnehmen und es werden Gedanken in andere Richtungen angestossen. Selbst auf der Ebene findet wieder ein Austausch statt.

Ihr seid sehr umtriebig und unterrichtet auch gerne, seid aber ursprünglich Autodidakten, oder?

Maximilian: Ja, wir haben was komplett anderes studiert, kein Design sondern Medienmanagement. Da haben wir auch gelernt wie man es nicht machen soll, oder will. Das hat uns gezeigt, wo wir uns abgrenzen wollen und wie wir Sachen im Team angehen wollen. Der erste Job war zum Beispiel, etwas zu programmieren und wir dachten „Ja klar können wir das“. Und wir konnten es natürlich nicht und haben die Nächte durchprogrammiert. Zu der Zeit hatten wir in unserem alten Studio noch keine Heizung und da sind wir immer in der Nacht, wenn uns kalt geworden ist im Winter, im Nebenraum Tischtennis spielen gegangen bis uns wieder warm geworden ist. Der letzte Bürokollege ging um acht Uhr abends nach Hause und wir sassen noch da. Um zehn in der Früh kam er dann wieder und wir sassen immer noch da. Das war hart, aber auch positiver, geiler Stress. Nicht dass man das glorifizieren soll, aber wenn du was machst, das du liebst, dann ist es für dich auch keine Anstrengung.

Korbinian: Mittlerweile passiert das natürlich deutlich weniger, dass Aufgaben auf uns zu kommen, wo wir nicht wissen wie wir das umsetzen können. Aber diese Aufgaben sucht man sich dann in privaten Projekten oder in Studioprojekten, wo kein Kunde involviert ist. Aber dass wir uns selbst herausfordern und daran auch wachsen und lernen, das trägt sich komplett durch.

Maximilian: Wir machen schon immer unsere kommerziellen Projekte, müssen wir ja auch bei so einer Teamgröße. Aber es sind schon sehr viele freie Sachen, die wir aus Herzblut machen, nach wie vor. Das Panama Plus-Festival zum Beispiel: da könnte man schon einfach ein Plakat machen und es auf das Geld anlegen, aber darum geht es uns Null. Alle, die da mitarbeiten haben eine krasse intrinsische Motivation und es geht nur darum, dass man zusammen was geiles schafft, auch mit guten Leuten. Das gibt dir halt auch Lebenserfahrung. Das versuchen wir schon immer zu forcieren.

Korbinian: Mann muss sich halt bewusst sein, dass man mit seiner Arbeit so viel mehr Zeit verbringt als mit Frau, Kind, Familie, whatever. Und wenn du da was machst, das dir keinen Spass macht, dann kannst du noch so viel Kohle verdienen, das macht dich nicht glücklicher. Dann kommt noch dazu, dass wenn du mit Leuten zusammenarbeitest, mit denen du dich gut verstehst, mit denen du weggehst oder auf Festivals fährst, dann fühlt sich das oft auch nicht wie arbeiten an. Stressige Situationen werden da anders aufgefangen als wenn du in einer effizienzgetrimmten Legebatterie im Glaskasten sitzt.

Maximilian: Letztes Jahr waren wir zum Beispiel viereinhalb Wochen nach Tokyo gefahren. Um mal wieder komplett rauszukommen und in eine Welt einzutauchen, die man nicht kennt. Dieses Jahr waren wir eine Woche in Barçelona. Das ist immer geil, wenn du zusammen neue Eindrücke sammeln kannst. Da kann man sich dann gut aufeinander verlassen. (lacht)

Das scheint sich auch in eurer Arbeit niederzuschlagen: Wenn man sich eure Sachen anschaut, wird sehr klar was euer Design ist. Man sieht eine eindeutige Sprache, finde ich. Wie kriegt ihr das hin? Oder seht ihr das gar nicht so?

Korbinian: Ich glaube, dass wir schon mit Formen und Farben einen ähnlichen Umgang haben. Aber wir haben auch das Gefühl, dass wir uns von Projekt zu Projekt unterscheiden.

Maximilian: Ein springender Punkt ist sicher unser Kunst-Background. Dadurch haben wir schon sehr starke Verbindungen in die Kunstgeschichte, das sieht man auch in den Arbeiten. Wir versuchen schon, irgendwie einen gewissen Style zu halten. Es kommen auch mittlerweile Kunden die sagen, dass sie unseren Style wollen. Denen wollen wir aber nicht unser Ding aufdrücken, sondern versuchen mit ihnen eine Sprache zu entwickeln.

Korbinian: Das liegt auch daran, wie wir mit Kunden zusammenarbeiten. Am Anfang sind wir sicher auch mal unbequem und stellen sicher auch kritische Fragen. Ich glaube aber nicht, dass das Konzept funktioniert, dass man dem Kunden ein Endergebnis hinlegt und sagt, „so, das ist es jetzt!“. Sondern es ist am Anfang erst mal ein Abtasten, ein Kennenlernen. Und dann begeht man den Weg gemeinsam. Dann herrscht auch ein gegenseitiges Verständnis.

Also gibt es nicht so etwas wie die Moby Digg-Doktrin?

Maximilian: Nein (lacht). Wir versuchen sehr viel über den Austausch zu erarbeiten, dass wir sehr viel diskutieren und darüber sprechen. Vielleicht entwickelt sich das über die Zeit, dass man erst die Kernidee hat und die dann schärft, dann kommt der eigene Style vielleicht wieder rein.

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“Unter das Buzzword ‘Work/Life-Balance’ muss man glaube ich einen Strich ziehen.”

-Korbinian Lenzer

Jetzt habt ihr am Forward Festival einen Talk, könnt ihr da schon mehr verraten?

Maximilian: Genau, das wird ganz cool glaube ich. Wir werden versuchen, möglichst wenig über unser Portfolio zu sprechen und mehr über Entwicklungen und unser Gedankengut. Das finde ich generell mega spannend beim Unterrichten. Da versuchen wir immer, möglichst viel Austausch unter den Studenten herzustellen. Die haben ganz oft ein Problem, zu artikulieren worum es eigentlich geht oder Feedback anzunehmen und zu geben. Solche Prozesse weiterzugeben finden wir sehr spannend, das lernt dir auch keine Sau an der Uni. Da haben wir viel Lehrgeld gezahlt.

Und was habt ihr da gelernt?

Maximilian: Es hat wahnsinnig viel mit Output zu tun. Wir versuchen nie, das goldene Ei zu legen, sondern immer erstmal sehr hohen Output zu generieren. Zum Beispiel beim Panama Plus, da haben wir nicht einfach ein Plakat gemacht, sondern zwanzig. Davon nehmen wir dann zwei und machen nochmal zwanzig, und dann nochmal. Sehr schnell sehr viel, das hat sich sehr bewährt. Wenn du dann Feedback auf eins von deinen 60 Plakaten kriegst, kannst du auch besser argumentieren und gleichzeitig ist es nicht so gewichtig. Ich glaube, wenn du viel produzierst, machst du auch viele Fehler, aber dadurch kannst du auch viel und schnell lernen. Dadurch kommst du auch mehr in diesen Modus rein. Wenn du an sowas sitzt, musst du viel arbeiten damit du an diesen Punkt kommst wo du sagen kannst „Geil, ich hab jetzt wieder das Kribbeln im Bauch, das habe ich noch nie gesehen“. Darum geht es ja eigentlich, etwas einzigartiges zu kreieren.

Korbinian: Viel Output und das dann auch artikulieren. Oft kommen in einer größeren Runde, wo man das dann vorstellt, auch andere Ideen und andere Gedankenstücke dazu. So entsteht letztendlich ein Puzzle und das sind meistens gute Ideen, weil viele Köpfe mit dabei waren.

Maximilian: Da geht es natürlich auch um das Thema Haltung an sich. Dass du generell als Mensch, aber auch auf Design bezogen eine ganz starke Haltung haben musst, aus unserer Sicht. Manchmal finde ich es echt besser, überhaupt eine Meinung zu haben als gar keine. Da hat man sich wenigstens schon Gedanken gemacht. Wenn du dann jemandem gegenüber sitzt, der kritisch ist, kannst du auch sagen „Ne, pass auf, aus dem und dem Grund machen wir das so“. Das schafft auch Vertrauen auf der anderen Seite. Weil die merken, dass du dir Gedanken gemacht hast.

Also kurz zusammengefasst: Ihr macht euch wahnsinnig viele Gedanken und habt einen wahnsinnig großen Output. Ist euch nicht auch mal langweilig, sitzt ihr mal eine Stunde rum und macht nichts?

(lachen)

Maximilian: Bei mir ist es tatsächlich so, dass ich meistens noch 1-2 Stunden arbeite, wenn ich nach Hause gehe. Aber arbeiten in dem Sinn, dass ich mich zum Beispiel einlese in ein Thema. Oder letztens hatte ich so eine Phase, da habe ich Videos vom MIT (Massachussetts Institute of Technology, Anm. d. Red.) über Quantenphysik angeschaut. Das hat überhaupt nichts mit Design zu tun, aber irgendwann werde ich wahrscheinlich davon inspiriert, weil ich irgendwelche Verbindungen oder so etwas nachdenke. Es hört einfach nie auf, wenn du selbständig bist. Da bist du konstant mit dem Kopf dabei.

Korbinian: Unter das Buzzword „Work/Life-Balance“ muss man glaube ich einen Strich ziehen. Für uns ist es schon so, dass es keine Trennlinie mehr gibt. Das ist aber überhaupt nicht schlimm, im Gegenteil.

Ihr habt nie Bock auf 9 to 5?

Maximilian: Natürlich hat man seine Höhen und Tiefen, aber dann erinnerst du dich halt an deine zwei, drei Jobs davor und denkst dir „Neeeee“. Wir arbeiten ja auch teilweise mit Agenturen zusammen und kriegen mit, was da teilweise für ein Duckmäusertum herrscht. Wir sind es halt einfach gewohnt, uns hinzustellen und Gegenwind zu geben. Da weiss man relativ schnell wieder, warum man macht, was man macht.

Korbinian: Es ist auch nicht mehr so extrem wie früher, das muss man auch sagen. Ich könnte mir nichts anderes vorstellen.

Vielleicht aber auch irgendwann wieder in einer anderen Stadt?

Maximilian: Ja, der Gedanke ist natürlich immer da. Da denken wir schon öfter drüber nach. Wie wäre es, wenn wir jetzt in Barcelona im Sonnenschein hocken würden…

Korbinian: Es ist aber schon so: Wenn man irgendwo ist und tatsächlich arbeiten muss, nimmt man das auch anders wahr. Im Urlaub nimmt man nur die Sonnenseiten mit und wenn man dort dann auch Miete bezahlen muss und so weiter, dann ist es auch anders.

Maximilian: Aber es ist für mich nichts definitiv. Es ist schon wichtig, dass man das macht, worauf man Bock hat. Nur dann kannst du auch richtig gut werden. Korbi und ich sind beide Typen, die hart ehrgeizig sind und wir könnten nichts machen, das nicht voll unser Ding ist. Das hängt auch mit der Stadt zusammen. Es ist hier schon gemütlicher geworden, weil wir den einen oder anderen kennen. Teilweise ist es aber auch ein Stein am Bein.

Korbinian: Nichts ist ausgeschlossen, glaube ich.

Ein schönes Schlusswort. Danke für das Gespräch!

Nicht verpassen: Moby Digg sind Speaker am Forward Festival: am 15. Juni von 16:35 bis 17:00 Uhr

Tickets hier


Beitragsbild: © Sima Dehgani / Artwork: Moby Digg


Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel erscheint im tagebook, einer Kategorie, die unsere Partner nutzen können, um neue Ideen und Inspirationen in Blog-Beiträgen vorzustellen.

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