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Mucbook-Lesetipp: “Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten”

Katrin Schultze-Naumburg

„Warum bekamen einige alles und andere wenig; manchen gelang so viel, anderen nichts, und mit Verdienst hatte das nichts zu tun.“

Ruhm ist ein großes Wort. Es ist eines dieser Worte, dass der Sache, die es beschreiben soll, einen Klang gibt. Bedeutsame Dinge schwingen da mit: Ehre, Anerkennung und Leistung. In Daniel Kehlmanns gleichnamigen Roman ist davon aber wenig zu spüren. Neun Geschichten lang wird Ruhm dort zum Zustand von Vergänglichkeit, angreifbar und nutzlos.

Kehlmann selbst ist einer der meist gefeierten deutschsprachigen Autoren. Nach seinem Weltbestseller „Die Vermessung der Welt“ (2006) wurde sein Nachfolgewerk „Ruhm“ (2009) mit Spannung erwartet. Die Medien feierten ihn damals, erwarteten aber gleichermaßen sorgenvoll sein Scheitern. Wer hoch fliegt, fällt schließlich auch tief. Fast scheint es, als wollte Kehlmann mit diesem Roman der Welt eine ironische Antwort darauf geben…

Ein Roman in Neun Geschichtendaniel kehlmann ruhm

Der Roman lebt und lebt auch irgendwie nicht von seinen Geschichten. Es gibt keine fortlaufende Handlung, nur neun Geschichten, die mehr oder weniger offensichtlich zusammenhängen. Gemeinsam haben sie alle aber zwei Leitmotive: Ruhm und moderne Telekommunikation. Da nimmt ein frustrierter Computerfachmann an seinem Handy eine fremde Identität an, ein exzentrischer Schriftsteller quält sich durch eine Lesereise in Südamerika oder eine krebskranke alte Dame fährt zum Sterben in die Schweiz.

Zu Beginn einer neuen Geschichte wirft Kehlmann den Leser immer mitten ins Geschehen, um ihn dann genauso unvermittelt wieder herauszuziehen. Die Oberflächlichkeit, mit der die Charaktere beschrieben werden, erhebt er dabei geradezu zum Stilmittel. Die Personen lernt man eher wie im Vorbeigehen kennen und oft erfährt man wichtige Details erst in einer anderen Geschichte.

Die hässliche Seite des Ruhmes

Das Gesicht des Ruhmes, das der Autor auf unterschiedlichste Weise zeichnet, ist oft verzerrt, hässlich und manchmal erbärmlich. Die einen haben ihn, die anderen wollen ihn, wirklich zufrieden ist aber niemand. Am Ende erzählt Kehlmann neun aufrührende Geschichten, die manchmal traurig, manchmal erschütternd und dann wieder voll beißendem, verächtlichem Humor sind. Gleich bleibt aber immer der nüchterne, beiläufige Ton, in dem er die Ereignisse – wie es scheint – einfach so geschehen lässt.

Wirklich zufällig passiert hier aber nichts. Das wird spätestens dann klar, wenn eine beiläufige SMS mit einer kleinen Bitte hundert Seiten später zu einer Reise mit dramatischen Folgen führt. Oder wenn die verzweifelte Verliebtheit eines Angestellten das Karriereaus eines Schauspielers bedeutet. Mit treffsicherer Präszision entlarvt Kehlmann die Leben seiner Protagonisten in ihrer Bedeutungslosigkeit und lässt Existenzen gnadenlos scheitern. Und das mit einer sprachlichen Abgeklärtheit, die an Brutalität grenzt.

Ein Buch, das hängen bleibt…

Die Presse diskutierte das Buch nach seinem Erscheinen sehr kontrovers, für mich ist es dennoch eins der besten, das ich seit langer Zeit gelesen habe. Kehlmanns Sprache fasziniert und erschreckt mich zugleich, oft musste ich das Buch eine Zeit lang zur Seite legen. Und das obwohl die eigentlich sehr dramatischen Geschichten beinahe bescheiden daher kommen. Sie entfalten ihre Wirkung eher subtil und auch die Zusammenhänge verdichten sich erst nach und nach. Was am Anfang recht harmlos erscheint, wird mit der Zeit zu einem unerwartet intensiven Leseerlebnis. “Ruhm” ist ein Buch, das unter die Haut geht und in jedem Fall hängen bleibt.


Infos in Kürze:

Was? “Ruhm. Ein Roman in neun Geschichten”
Wer? Daniel Kehlmann
Wo? Erschienen beim rowohlt Verlag

Beitragsbild: Unsplash, Mariana Vusiatytska

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