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“Ratschläge erteile ich erst, wenn ich zum Weltkulturerbe erklärt werde” – Otto im Interview

Thomas Steierer

Der ostfriesische Komiker Otto Waalkes ist eine lebende Legende. Seine Filme, Sketche, Songs und Ottifanten-Comics sind für mehrere Generationen Klassiker und Kult. Nach seinem 70. Geburtstag im Juli erhält Otto Waalkes nun den diesjährigen Bayerischen Kabarettpreis in der Kategorie Ehrenpreis. Die Preisverleihung ist am Donnerstag, 1. November um 20:15 Uhr im BR Fernsehen zu sehen.

Im MUCBOOK-Interview spricht Otto Waalkes über Meilensteine seiner Karriere, den Umgang mit Rückschlägen und schlechten Kritiken und seinen vielleicht bevorstehenden Status als Weltkulturerbe.

Von links: Martin Frank (Senkrechtstarter-Preis), Dieter Hanitzsch (Jubiläumspreis), Otto Waalkes (Ehrenpreis), Olaf Schubert (Musikpreis) und Christian Ehring (Hauptpreis).

Bundesverdienstkreuz, Ehrenbürgerschaft von Emden und nun der Bayerische Kabarettpreis: Es regnet Preise nach Ihrem 70. Geburtstag im Juli.

Otto Waalkes: Ich hab mich auch gewundert. Allmählich kommt mir der Verdacht, man spekuliert schon auf mein baldiges Ableben. Was noch fehlt, ist, dass man mich zum Weltkulturerbe erklärt. Ich genieße die Ehrungen trotzdem, einige Preise sind sogar dotiert. Jetzt kann ich mir endlich den Pulli kaufen, den ich mir immer gewünscht habe.

Der Bayerische Kabarettpreis ist die Krönung. Der hat mich doppelt überrascht, ich bin weder Bayer noch Kabarettist.

Wie steht es mit Ihrem Bezug zu Bayern, und dem hiesigen Kabarett?

Ich kenne viele bayerische Kollegen und bewundere sie, vor allem Gerhard Polt aber auch Sigi Zimmerschied oder Konstantin Wecker und natürlich den Wahl-Münchner Dieter Hildebrand.

Im Karl-Valentin-Museum war ich schon vor vielen Jahren zum ersten Mal. Ich bin schon früh in München aufgetreten, unter anderem im Deutschen Museum. Den bayerischen Dialekt musste ich erst lernen. Mittlerweile kann ich bayerisch. Als Saupreiss, ostfrisischer.

Was hätte der junge Otto, der mit 11 Jahren in einem Emder Kaufhaus u. a. den Babysitter-Boogie vortrug, wohl gesagt, wenn man ihm prophezeit hätte, dass er ein paar Jahre später zu Bundesverdienstkreuz, Ehrenbürgerschaft vom Emden und Bayerischem Kabarettpreis kommt?

Das hätte ich nicht geglaubt. Damals hat mir der zweite Preis schon gereicht: Ein Gutschein über 30 Mark. Und ein Buch: „Die Meuterei auf der Bounty“. Eigentlich wollte ich damals Maler werden, viele Leute haben meine Zeichnungen gelobt. Die private Kunstschule hätte im Monat 90 Mark gekostet, das konnten wir uns nicht leisten. Deswegen habe ich in Hamburg an der Hochschule für Bildende Künste studiert.

Mit den Ottifanten haben Sie diese malerische Ader dann bald zur Genüge ausgelebt.

Die Ottifanten haben mich immer begleitet. Die waren ursprünglich das Resultat einer missglückten Portraitzeichnung. Die Nase war mir zu groß geraten, ich hab´ sie noch etwas verlängert – fertig war der Ottifant.

Sie sind eine lebende Legende. Gab es zwischendurch auch mal Zweifel am eingeschlagenen Weg?

Zweifel gab und gibt es immer. Es ist ja alles immer Versuch und Experiment. Aber wenn Du merkst, die Leute zahlen Eintritt für Deinen Auftritt und sie kommen sogar wieder, dann ist das schon eine Bestätigung. Ende der Sechziger Jahre hat sich parallel zur gesellschaftlichen Veränderung auch der Humor entwickelt. Nonsens wurde plötzlich salonfähig. Nach nur einer Fernsehshow Anfang der Siebziger Jahre musste mein nächster Auftritt von einem kleinen Saal in ein 4000-Mann-Zelt verlegt werden. Popularität ist natürlich mit dem Verlust von Anonymität verbunden. Gottseidank! Ich brauche Anerkennung und Applaus.

Otto Waalkes (Ehrenpreis).

Wie sehen Sie den Anteil Ihres Autorenteams um Robert Gernhardt, Pit Knorr und Bernd Eilert an Ihrem großen Erfolg?

Die Zusammenarbeit mit den dreien war und ist ein Glücksfall – für beide Seiten: Durch mich wurde das, was sie damals an Hochkomik produzierten, massenkompatibel. So hat es Robert Gernhardt gesagt. Der ist ja leider verstorben, Pit Knorr kommt immer, wenn ich in Frankfurt auftrete, und mit Bernd Eilert arbeite ich nach wie vor zusammen – daran sieht man, dass es uns noch Spaß macht, auch nach 45 Jahren.

Wie gingen und gehen Sie mit Rückschlägen um?

Die Trennung von Frau und Kind hat mich am stärksten getroffen. Damit umzugehen, muss man erst mal lernen. Mir fiel das schwer, ich komme aus einer heilen Welt und bin stark harmoniebedürftig. Beruflich gab es kaum Rückschläge. Schlechte Kritiken sind zwar Tiefschläge, aber man muss damit leben. Das fällt nicht allzu schwer, denn es gibt ja auch die guten. Die häng ich mir an die Wand, die schlechten schmeiß ich weg.

Gab es im Laufe der Zeit eine Veränderung bei Ihrer Motivation, auf die Bühne zu gehen und aufzutreten.

Mir hat das immer Spaß gemacht. Deshalb mache ich ja immer weiter. Wie Gerhard Polt. Der hört auch nie auf. Wir können halt nicht anders und nichts anderes. Wobei ich mit der Malerei mehr denn je ein weiteres Standbein habe. Aktuell im Rahmen einer Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. „ Der Ottifant im Wandel der Zeit.“ Außerdem synchronisiere ich auch weiter Animationsfilme, demnächst die US-Produktion “Der Grinch”. Vielleicht mach ich auch selbst noch einen Spielfilm, wer weiß. Mein Beruf hält immer wieder Überraschungen bereit.

Wie kann man mit der komplexen Wirklichkeit gerade, mit Rechtsruck, Umweltzerstörung, Ausbeuter-Arbeitswelt, Terrorismus, immer größerer Diskrepanz zwischen Arm und Reich und digitalem Overkill umgehen?

Das geht einem zu Herzen, ist doch klar. Meine über die Jahre gesammelte Erfahrung sagt mir: Wir kommen auch darüber weg. Wie? Das weiß ich natürlich auch nicht. Ich maße mir sowieso nicht an, anderen Ratschläge zu erteilen. Das mache ich erst, wenn ich zum Weltkulturerbe erklärt werde.

Otto Waalkes, vielen Dank für das Gespräch!

Otto Waalkes hat die Kulturszene mit unzähligen Bühnenprogrammen, Filmen und Fernsehshows, als Wortkünstler, Musiker, Maler, Comiczeichner, Regisseur und Synchronsprecher bereichert. Seine lebensbejahende Botschaft und inbrünstige Blödelei treffen mitten ins Herz und sind nie nur banal oder purer Schwachsinn.

Großer Quatsch und große Kunst

Mit der Verbindung von Wortspielen, kunstvollen Reimen, Kalauern, Geräuschen und Parodien hat er sich ein eigenes Genre geschaffen – und ist damit schon seit Jahrzehnten im besten Sinne absolut massentauglich. Otto ist Kult – und seine Art der Satire wichtiges Vorbild, Inspiration und Fundament der deutschsprachigen Komikkultur. Großer Quatsch – und große Kunst. Einfach Otto!

Die Verleihung des Bayrischen Kabarettpreises wird am Donnerstag, 1.11. im BR ausgestrahlt.


Fotos: © BR / Martina Bogdahn

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