Toshiki Okada, einer der wichtigsten Regisseure Asiens, setzt sich in seiner zweiten Arbeit an den Münchner Kammerspielen in Verbindung zu einer der traditionsreichsten Theaterformen Japans, dem Nō Theater. Dabei wird das Nō zum Resonanzraum für Okadas poetisch-musikalische Schreib- und Inszenierungspraxis. Er bedient sich der traditionellen Form, um vom Japan der Gegenwart zu erzählen. Einer Gegenwart, die weniger von Hoffnung geprägt ist, als von Depression. Man könnte auch anders sagen: „Nō Theater“ erzählt von den Geistern der Vergangenheit, die in der Gegenwart immer noch wirksam sind. Es sind die Geister der euphorischen Jahre der Bubble-Economy der 1980er Jahre, die die Menschen hat blind werden lassen gegenüber ihrer Verantwortung für die nächsten Generationen. Es sind die Geister der Frauen, die von einer männlich dominierten Gesellschaft und der von ihr verantworteten Familienpolitik als Gestalterinnen einer möglichen Zukunft missachtet wurden. Eine Politik, die den Frauen eine Ermächtigung so schwer als möglich gemacht hat, in Verleugnung der Tatsache, dass die „Frauenfrage“ in einer immer älter werdenden Gesellschaft nicht eine Frage für Frauen ist, sondern eine für alle Menschen. Um es drastisch auszudrücken: „Nō Theater“ erzählt vom drohenden Selbstmord einer Gesellschaft. In der Hoffnung, dass es auch anders kommen könnte.
In der deutschen Übersetzung von Andreas Regelsberger.