Leben

“Vielleicht etwas mit Schreiben?”

Hannes Kerber
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Tilman Strasser, 24, bekommt diese Woche das Münchner Literaturstipendium verliehen. Im Interview spricht er über die Entstehung und Entwicklung seines ersten Romans, aus dem er am Dienstagabend lesen wird und dessen erstes Kapitel er hier vorab veröffentlicht.

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Tilman – einer der sechs Münchner Nachwuchsautoren, die 2009 ein Münchner Literaturstipendium bekommen. (Photo: privat)

mucbook: Gratulation! Du hast ein Münchner Literaturstipendium bekommen, um deinen Roman fertigzuschreiben.

Tilmann Strasser: Vielen Dank.

Zuvor habe ich noch nie von diesem Stipendium gehört…

Ich auch nicht! Ein Freund hat das wohl mitbekommen und mir Bescheid gegeben, da ich aus München komme und gerne schreibe. Das Stipendium wird nur alle zwei Jahre vergeben, deshalb bekommt es vielleicht nicht so viel Aufmerksamkeit. Es umfasst aber 6.000 Euro – das ist wirklich extrem viel Geld für mich. Das Großartige ist, dass es eigentlich an nichts gebunden ist: Viele Stipendien verlangen, dass man zumindest ein paar Monate in der Stadt lebt. Manchmal wird auch der Fortgang des Buches überwacht. München sagt einfach: „Wir geben euch Geld – schaut doch, dass ihr damit fertigschreibt.“

Was wirst du denn damit machen?

Ich werde tatsächlich schauen, dass ich das Buch fertigschreibe.Das Stipendium ist für mich eine Bestätigigung, dass die Anlagen des Romans ganz gut sind. Ich war mir unsicher, denn als ich beschlossen habe, mich zu bewerben, habe ich das erste Mal angefangen, etwas längeres zu konzipieren. Ich bin jetzt in der glücklichen Lage, dass ich auch noch studiere und ein bisschen Geld von meinen Eltern bekomme, deswegen kann ich das jetzt wirklich durchziehen.

Du hast Dir „Hasenmeister“, so wird dein Roman wohl heißen, erst bei der Bewerbung überlegt?

Wie gesagt: Ein Kumpel hat mir über den Preis geschrieben und als ich das gesehen habe, habe ich angefangen, mir Gedanken zu machen. Ich wollte aber sowieso etwas längeres machen, ohne dafür ein Wort geschrieben zu haben, also kamen da zwei Dinge zusammen. Dann habe ich alte Notizbücher durchgesehen und mit dem neuen Blick hat sich aus alten Texten von mir das Konzept für „Hasenmeister“ ergeben.

Wie lange schreibst du denn schon?

Jetzt studiere ich in Hildesheim einen Studiengang, der „Kreatives Schreiben und Journalismus“ heißt. Das ist eine Art „Schreibschule“ und wenn man hierher kommt, dann bekommt man einen neuen Blick aufs Schreiben selbst. Deswegen würde ich vielleicht sogar sagen, dass ich erst seit drei Jahren schreibe, also seitdem ich hier an der Uni bin. Aber um sich hier zu bewerben, muss man auch schon zwei Kurzgeschichten einreichen.

Was hat dich bewogen, dich für einen solches Studium einzuschreiben?

Nach dem Abi in München bin ich nach Düsseldorf, um Germanistik zu studieren. Dort gab es einen Theatersalon, so eine Art Wahlkurs, in dem man ins Theater geht, selbst schauspielert, aber auch selbst schreibt. Ich bin dort eher über die Schauspielerei dazugestoßen und habe dann angefangen, an halb fertigen Theaterstücken mitzuarbeiten. Dabei habe ich gemerkt, dass das Schreiben ganz gut funktioniert. Da Germanistik sowieso nicht so ganz das Richtige war, habe ich dann gedacht: Vielleicht kann ich ja etwas machen mit Schreiben? Dann habe ich mich erst bei Journalistenschulen beworben, aber bald diesen Studiengang hier gefunden. Das Konzept gefällt mir besonders gut: Es ist eine Mischung zwischen Journalismus und Kreativem Schreiben.

Jetzt, drei Jahre später, sitzt du an deinem ersten Roman. Dein Fragment hat sich für mich wie ein Passagenwerk gelesen, wie Erinnerungsfetzen, die sich nach und nach zu einem Ganzen ergeben. Aus verschiedenen biographiehistorischen Blickwinkeln lernt der Leser dabei deine Hauptfigur Felix Hasenmeister immer besser kennen. Am Ende deines Fragments sitzt er in einer Zelle, um Violine zu üben. Wo soll der Roman hinführen? Wird es ein Entwicklungsroman werden?

Das ist eine gute Frage, aber ich gehe da ein bisschen anders ran: Ich habe eine Geschichte, die in meinem Kopf, im Romanfragment allerdings noch nicht, schon sehr charismatisch ist. In der Zeit, in der ich jetzt nicht an dem Text geschrieben habe, weil ich mir nicht so sicher war, ob die Idee gut ist und ob ich das Stipendium bekomme, hat sich die Geschichte immer weiter entwickelt. Ich habe immer wieder Situationen erlebt, bei denen ich dachte: Was würde Felix Hasenmeister jetzt tun? Die Figur ist mir sehr wichtig geworden. Aber ich habe festgestellt, dass die Situation, in der sich der Typ im Roman befindet, ziemlich statisch ist. Er befindet sich in dieser Übezelle und es geht nicht vorwärts – alles was passieren kann, kann nur im Rückblick passieren. Wie Felix Hasenmeister in die Zelle kommt, warum sein Vater im Rollstuhl davor sitzt, was mit seiner Freundin los ist und so weiter – das weiß ich und diese Geschichte wird Felix fertigerzählen. Jetzt arbeite ich daran, Felix Hasenmeister eine Perspektive zu geben. Er soll sich selber sein Leben ausdenken, so dass ich auch dynamisch nach vorne schreiben kann.

Ich habe eine Idee, wo dein Roman spielt. Ist die Übezelle in München?

Im Prinzip wollte ich das nicht genauer benennen, weil ich so mehr Freiheiten habe, um Dinge einzubauen, die vielleicht ganz praktisch sind, aber vor Augen habe ich natürlich schon das Konservatorium in München, weil ich da selbst Unterricht hatte. Aber die Übezelle selbst ist tatsächlich in einer Musikschule in Hildesheim. Dort stinkt es auch, wie im Roman, nach Katzenfutter. Irgendwie habe ich aber trotzdem München im Kopf – vielleicht wegen des Stipendiums. Jetzt lasse ich den Roman eben dort spielen.

Das klingt wie ein guter Deal. Herzlichen Glückwunsch nochmals!

(Alle zwei Jahre vergibt die LH München sechs mit jeweils 6.000 Euro dotierte Stipendien für vielversprechende literarische Projekte an Autorinnen und Autoren sowie für besonders anspruchsvolle Ãœbersetzungsvorhaben. Am Dienstag lesen alle neuen Stipendiaten und die drei “Leonhard und Ida Wolf”-Gedächtnispreisträger um 19.30 Uhr im Literaturhaus. Der Eintritt ist frei.)

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