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Sechs Tage im November

Adrian Renner
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Die Besetzung der Kunstakademie ist ab heute beendet. Doch was war da eigentlich – und wie geht es jetzt weiter? Ein Fazit.

Uni-Besetzung

Es war vielleicht nicht mehr als ein letztes Aufbäumen, ein letztes sichtbares Signal des Protests. Heute am Mittwoch um 14.00 Uhr lösten die Münchner Studenten die inzwischen sechstägige Besetzung der Kunstakademie (Bilder bei mucbook) auf – solange war ihnen von der Hochschulleitung zugestanden worden, in den Räumen der Kunstakademie zu protestieren. Im eigentlichen Sinn gab es also nie eine Besetzung, sondern nur einen geduldeten Protest. Kurz vor der Auflösung also zogen die Studenten in den Lichthof vor dem Audimax der LMU. Etwas 50 Leute trugen einen schwarzen Sarg und beerdigten symbolisch die Bildung, im Lichthof skandierten sie die entsprechenden Parolen. Nur: sie verhallten buchstäblich im normalen Alltagsbetrieb der Universität und es blieb ungewiss, ob nicht vielleicht der Widerstand selbst zu Grabe getragen wurde.

Der eigentliche Höhepunkt war vielleicht vielmehr die letzte große Diskussion, das letzte große Plenum, die letzte große Party am Dienstagabend. Wahrscheinlich war das Plenum die Herzkammer des Protests, nur: wenn es so war, dann schlug es zäh und unregelmäßig. So auch gestern wieder. Zur letzten großen Diskussion waren Professoren der Kunstakademie, LMU-Professor Robert Stockhammer, der bereits im Sommer einen Protestartikel gegen die Umsetzung der Bologna-Reform an der LMU verfasst hatte, und Grünen-Politikerin Ulrike Gothe eingeladen. Das Plenum war voll, so voll wie noch nie in diesen sechs Tagen. Doch je länger die Diskussion dauerte (und sie dauerte lange), und je zäher und bissiger der Ton wurde, umso mehr lief alles auf einen paradoxen Satz hinaus: Man müsse nicht irgendetwas tun, nicht einfach reden, sondern etwas tun. Oder wie ein Student hitzig sagte: „Wir dürfen nicht einfach protestieren, wir müssen endlich agitieren!“ Doch was dieses etwas sein soll, wo genau mehr agitiert werden sollte, das war das große Fragezeichen dieser sechs Tage.

Sicherlich gibt es das Positionspapier, das ebenjenes Plenum basisdemokratisch beschlossen hat, und von dem doch die protestierenden Studenten, wenn man sie fragte, was sie davon hielten, allermeistens sagten, sie könnten das auf keinen Fall so befürworten, und dennoch: es benennt die großen Punkte, warum sich doch ständig ein- bis zweihundert Leute in der Akademie aufhielten. Die Probleme in der Umstellung von Magister- und Diplomstudiengängen auf Bachelor und Master, die Studiengebühren, die jeden Studenten schmerzen, vor allem, weil sie eben doch Studenten aus bildungsferneren Haushalten vom Studieren abhalten. Und dann gibt es darin ein großes Wettern gegen die Kommerzialisierung und Privatisierung des Bildungssystems im Geiste des Neoliberalismus, mit dem vieles verknüpft wurde.

Doch der zündende Gedanke, wie sich dem beikommen ließe und, damit zusammenhängend, vielleicht auch die zündende Idee, wie genau dann doch die verschiedenen Positionen zusammenspielen, fehlte – auch wenn sich das leicht sagen lässt. Zu erkennen war, dass die Professoren und ein Teil der Studenten eher eine „Reform der Reform“ befürworten, also vor allem eine Korrektur der Bologna-Umsetzung und eine Rücknahme der Studiengebühren, ein anderer Teil eher für einen „Protest um des Protests“ waren, also: Wenn man nicht genau sagen kann, was schief läuft und wer dafür verantwortlich ist, dann kann man immerhin zeigen, dass etwas schief läuft. Und es gab den sympathisch-altklugen Vorschlag des Kunstpädagogik-Professors Stephan Dillmuth, doch alles so zu lassen, wie es jetzt sei, denn nur in dieser Hochschul-Ruine könne wirkliche Freiheit entstehen.

Nach der Diskussion gestern standen alle, die Professoren und Studenten in den langen Gängen der Kunstakademie, tranken Bier, rauchten – und diskutierten, während schon das nächste Plenum ausgerufen wurde. Und vielleicht war das das schönste und nachhaltigste dieses Protestes: Die Kunstakademie war sechs Tage ein seltsam-besonderer Ort, eine interessante, charmante, für viele auch nervige Mischung aus Rummelplatz und Denkfabrik. Nun ist vieles abgebaut, die Studenten haben sich in einen kleinen Raum zurückgezogen, in dem sie weiter geduldet werden. Was als nächstes passieren wird, wissen sie bereits: ein Plenum.

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